Zweisamkeit für ausgesuchte Fälle

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Gesellschaft • Ob überzeugte Katholikinnen oder einsame Senioren: Wer früher am Partnermarkt an Grenzen stieß, kann nun dank Online-Partnerbörsen zielgerichtet suchen - und gefunden werden.

Am Anfang war nur Verwunderung: Da gab es verdächtig viele Menschen im Bekanntenkreis, alle jung und nett, lustig und attraktiv, intelligent und interessiert. Und doch steuerten sie unaufhaltsam - und allein - auf ihren 40. Geburtstag zu. Was war da los? Lag es wirklich daran, dass sie eine "christliche Familie“ gründen und ihr Leben "an der Lehre der katholischen Kirche“ ausrichten wollten, dass sie Sonntagfrüh nicht joggen, sondern lieber in die Messe gehen wollten - und auch sonst ein bisschen anders tickten als der junge Mainstream rundherum?

Katholizismus als (provokante) Marke

Ganz offensichtlich war es so - und die Pfarren fielen bei diesen jungen, mobilen Leuten, die wegen ihres Studiums oder Jobs frisch in die Großstadt gezogen waren, als Beziehungsdrehscheibe weitgehend aus. "Für Jugendgruppen waren sie zu alt, bei Familienrunden fehl am Platz und bei den Pensionisten sowieso“, erklärt Martin Kugler, der gemeinsam mit seiner Ehefrau Gudrun die Agentur "Kairos Consulting“ betreibt und sich in der Lebensschutzbewegung engagiert. War vorerst eine dezidiert christliche Partnerbörse geplant, so wählte man schließlich eine noch fokussiertere Version. "Erstens gab es mit feuerflamme.de schon ein deutsches - wenn auch eher evangelikales - Angebot“, erinnert sich Kugler. "Und zweitens haben uns viele gesagt: Macht es doch gleich katholisch - das ist eine Marke.“ Nachdem die Idee den Segen von Familienbischof Klaus Küng erhalten hatte, war es schließlich 2005 so weit: kathTreff.org, das "Heiratsportal für Katholiken, die die Lehre der Kirche ernst nehmen“, war geboren.

Das Medienecho war gewaltig - auch und gerade außerhalb des katholischen Milieus: Vom deutschen Spiegel bis zum Fernsehsender Pro 7 reichte die Liste der Medien, die sich für diese etwas andere Online-Partnerbörse interessierten.

Zielgruppenorientierung hieß schon damals das Zauberwort - und heißt es heute angesichts eines immer umkämpfteren Online-Datingmarkts noch viel mehr. Egal ob überzeugte Katholikinnen und Katholiken oder sehnsüchtige Senioren (die mittlerweile unter dem schönen Schlagwort "Silver Surfer“ firmieren): Sie alle können dank digitaler Partnerbörsen gezielt nach passenden Gegenstücken suchen - und ihrerseits gefunden werden. Entsprechend seriöse Anbieter mit maßgeschneiderten Vermittlungs-Methoden vorausgesetzt.

Auch Gudrun und Martin Kugler haben sich in diesem Sinn um Abgrenzung bemüht. Statt mit Hilfe eines ebenso hochkomplizierten wie geheimnisvollen Matching-Algorithmus Paare zu kreieren und Kunden massenhaft Partnerprofile vorzuschlagen, wählen die Mitglieder von kathTreff selbst auf der Homepage interessante Personen aus - und können dann die entsprechende Übereinstimmung mit dieser Person erfahren.

Basis ist ein zuvor ausgefüllter Matchtest, der sich freilich von jenem à la Parship oder eDarling deutlich unterscheidet. Statt Schlafgewohnheiten, Hobbys oder Urlaubspläne abzufragen, werden Haltungen zu wesentlichen Fragen eruiert: Wie reagiere ich, wenn ich auf einen Bettler treffe? Schnauze ich ihn an oder gebe ich ihm zu essen? Habe ich ein Problem damit, etwas herzuborgen? Gehe ich mit spontanen Gästen aus Amerika nur einen Kaffee trinken - oder lade ich sie selbstverständlich ein, in den eigenen vier Wänden zu übernachten? Wie sieht für mich ein idealer Sonntag aus? Und nicht zuletzt: Wieviele Kinder möchte ich - und wie will ich sie erziehen? Während bei all diesen Fragen größtmögliche Ähnlichkeit das Zusammenleben in einer Partnerschaft erleichtert, können an anderer Stelle Gegensätze durchaus befruchtend sein. "Meist geht das aber nur gut, wenn es auf einer übergeordneten Ebene wieder Gemeinsamkeiten gibt“, erklärt Kugler das Prinzip. "Wenn ein Partner ein großes Redebedürfnis hat und der andere ein guter Zuhörer ist, dann passt das, weil beide viel mit Kommunikation zu tun haben wollen. Aber wenn einer ständig im gesellschaftlichen Mittelpunkt stehen will und der andere überhaupt keine Gesellschaft mag, dann kann das nicht funktionieren.“

Zwischenbilanz: 300 Hochzeiten

Rund 6000 Partnersuchende haben sich seit 2005 - zum Preis von 79 Euro pro Jahr - auf das Abenteuer kathTreff eingelassen, zur Einstimmung vielleicht Gudrun Kuglers Buch "Niemand ist eine Insel“ (Pattloch Verlag) gelesen, zudem womöglich Single-Kurse besucht und dabei den Ratschlag erhalten, sich nach dem virtuellen Kennenlernen ehestmöglich leibhaftig zu treffen. Am Ende hat etwa jeder Zehnte einen Ehepartner gefunden, schätzt Kugler. Zumindest habe man selbst von 300 Hochzeiten erfahren.

Entsprechend groß sind die weiteren Ambitionen: Da gibt es zum einen das Tool "ringring“, mit dessen Hilfe Mitglieder die Stimme ihres avisierten Partners hören können, ohne selbst zum Hörer greifen zu müssen. "Gerade Frauen ist ja die Stimme ihres Partners oft sehr wichtig“, weiß Kugler. Zum anderen wurden erst kürzlich auch Web-Seiten in Ungarn und Kenia nach kathTreff-Vorbild gelauncht.

Aus heutiger Sicht hat sich also das damalige Wagnis, nämlich das kunterbunte Internet als Medium zur existenziellen Frage der Partnerwahl zu nutzen, mehr als gelohnt. "Damals hat es noch geheißen: Die Konservativen gehen doch nicht ins Internet!“, erinnert sich Martin Kugler zurück. "Aber warum nicht? Ist es etwa seriöser, wenn du auf eine Party gehst und dem Charme eines anderen erliegst?“

Eben. Er selbst sei dem Charme seiner Frau, mit der er seit mittlerweile neun Jahren verheiratet ist und soeben das vierte gemeinsame Kind erwartet, übrigens noch auf völlig herkömmliche Weise erlegen. Es war im Rahmen eines Jugendgruppen-Coachings, bei dem man sich zum ersten Mal begegnet sei. "Bis es richtig gefunkt hat, ist aber noch ziemlich viel Zeit vergangen“, erzählt er. "Hätte es damals schon kathTreff gegeben, wir hätten uns wohl ein bisschen schneller kennengelernt.“

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