
100. Geburtstag von Henry Kissinger: Zwischen Kleeblatt und Realpolitik
Vor den Nazis geflohen, für die US-Army gekämpft, Sicherheitsberater des Präsidenten, Friedensnobelpreisträger und umstrittenster Außenminister der Vereinigten Staaten: Henry Kissinger erlebte und prägte das Weltgeschehen. Ein Porträt zu seinem 100. Geburtstag.
Vor den Nazis geflohen, für die US-Army gekämpft, Sicherheitsberater des Präsidenten, Friedensnobelpreisträger und umstrittenster Außenminister der Vereinigten Staaten: Henry Kissinger erlebte und prägte das Weltgeschehen. Ein Porträt zu seinem 100. Geburtstag.
"Es war begeisternd, aufwühlend, und es war gefährlich für mich als Jude“, so lautete die Antwort des gebürtigen Nordbayern Heinz Alfred Kissinger auf die Frage eines Journalisten, welche Erinnerungen er an die fränkischen Derbys – SpVgg Greuther Fürth gegen den 1. FC Nürnberg – habe. „Juden waren in dieser Zeit bei öffentlichen Veranstaltungen unerwünscht. Das stand an vielen Wänden. Aber ich habe mich nicht abhalten lassen, ich wollte einfach Fußball sehen.“
Neben seinem noch immer hörbaren deutschen Akzent ist nur noch eines unamerikanisch an Henry Kissinger: seine Liebe zum Fußball, insbesondere jene zum SpVgg Greuther Fürth. Das Gerücht hält sich hartnäckig, dass sich Kissinger selbst bei den schwierigsten geopolitischen Ereignissen und Verhandlungen über den Spielverlauf bei den „Kleeblättla“ (der Spitzname des Vereins, der sich auf das dreiblättrige Kleeblatt im Stadtwappen und im Vereinslogo bezieht) von seinem Mitarbeiterstab auf dem Laufenden halten ließ. Ein letztes Stück Kindheit vielleicht, die ob der Nazi-Herrschaft abrupt endete:
Negatives Menschenbild als Maxime
1933 wird jüdischen Kindern in Deutschland untersagt, öffentliche Schule zu besuchen. Der damals zehnjährige Heinz und sein ein Jahr jüngeren Bruder Walter werden des Unterrichts verwiesen. Auch Vater Louis, ein Gymnasiallehrer am Fürther Mädchenlyzeum, wird über Nacht arbeitslos und wenig später vom Bayerischen Staatsministerium in „dauerhaften Ruhestand“ versetzt. Die Kissingers müssen erfahren, wie es sich anfühlt, wenn Freunde, Verwandte, Nachbarn zunehmend auf Distanz zu einem gehen. Nach wenigen Monaten sind die vier in ihrer Heimatstadt Fürth – von den Nazis abfällig als „bayrisches Jerusalem“ geschmäht – , isoliert. Ein Grund, warum vor allem die Mutter Paula, Tochter des wohlhabenden Viehhändlers Stern, ihren Mann dazu drängt, beim Polizeiamt Pässe zu beantragen und um Ausreise in die Vereinigten Staaten anzusuchen. Eine Woche später genehmigt die Gestapo die Auswanderung.
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