1,3 Billionen: Polen stellt Reparationsforderungen
Polens Regierung fordert von Deutschland 1,3 Billionen Euro an Reparationszahlungen. Warum es unwahrscheinlich ist, dass in dieser Sache Geld fließen wird.
Polens Regierung fordert von Deutschland 1,3 Billionen Euro an Reparationszahlungen. Warum es unwahrscheinlich ist, dass in dieser Sache Geld fließen wird.
Polens Regierung will von Deutschland nicht weniger als 1,3 Billionen Euro an Reparationszahlungen kassieren. Diese Summe der vom NS-Regime im Zweiten Weltkrieg in Polen verursachten Schäden hat Anfang September eine Parlamentskommission in Warschau detailliert in einem Gutachten vorgerechnet.
Der riesige Betrag – eintausenddreihundert Milliarden Euro – ergibt sich aus der Tötung von über fünf Millionen Polen zwischen 1939 und 1945 und aus der jahrelangen Zwangsarbeit von nach Deutschland deportierten polnischen Staatsbürgern. Davon hätten Konzerne wie VW, BMW, Krupp, Bayer bis zu Bekleidungsfirmen profitiert, so das Gutachten. Allein den Schaden an Gebäuden, Sakralbauten, Industrieanlagen und Landwirtschaft schätzen die Autoren des Berichts auf 170 Milliarden Euro.
Der Vorsitzende der nationalkonservativen Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ PiS, Jaroslaw Kaczynski, bezeichnete die Forderung nach Entschädigungszahlungen als berechtigt. Deutschland müsse die Reparationen zudem nicht auf einmal zahlen, sondern über Jahrzehnte, sagte er. Obendrein stelle die Summe für die deutsche Wirtschaft keine übermäßige Belastung dar. Dutzende Länder auf der ganzen Welt hätten Entschädigungen von Deutschland erhalten. „Es gibt keinen Grund, warum Polen von dieser Regel ausgenommen werden sollte“, so Kaczynski.
Ist es ein völkerrechtswidriges Ansinnen?
In Berlin wurden Reparationszahlungen an Polen umgehend abgelehnt. Die deutsche Regierung beruft sich auf den Zweiplus-Vier-Vertrag von 1990 über die außenpolitischen Folgen der deutschen Einheit. Zudem habe die Volksrepublik Polen 1953 auf Reparationen verzichtet und dies mehrmals bestätigt. Nach dem Völkerrecht wären daher solche neuen Geldforderungen klar abzulehnen, so die deutsche Position. Überdies habe Deutschland früher Zahlungen an Polen, vor allem polnische Zwangsarbeiter, geleistet.
Neben dem Auswärtigen Amt erteilte auch Regierungssprecher Steffen Hebestreit dem Vorstoß eine Absage: „Es gibt für die Bundesregierung keinen Anlass, an der völkerrechtlichen Wirksamkeit des Reparationsverzichts von 1953 zu zweifeln.“ Freilich hatte die Sowjetunion damals massiven Druck auf Polen ausgeübt. Bereits 2004 hatte Kaczynski Reparationen von Deutschland gefordert. Daraufhin wurde ein gemeinsames Gutachten erstellt. Es kam zum Ergebnis, dass weder die früheren deutschen Einwohner der an Polen abgetretenen Ostgebiete Anspruch auf Rückgabe oder Entschädigung für verlorene Immobilien hätten, noch Polen Anspruch auf Reparationen habe.
Doch 2017 stellte ein vom polnischen Parlament erstelltes Gutachten die Rechtmäßigkeit von Reparationen fest.
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