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40.000 verlieren demnächst ihren Job

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Zum ersten Mal seit 15 Monaten, seit die Sozialisten (ExKommunisten) im bulgarischen Parlament die absolute Mehrheit haben, werden den Bulgaren die Entscheidungen nicht vom Parlament, sondern vom Markt diktiert.

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Zum ersten Mal seit 15 Monaten, seit die Sozialisten (ExKommunisten) im bulgarischen Parlament die absolute Mehrheit haben, werden den Bulgaren die Entscheidungen nicht vom Parlament, sondern vom Markt diktiert.

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Eine Finanzkrise hat Bulgarien an den Band des wirtschaftlichen Zusammenbruchs geführt. Die extreme Abwertung der bulgarischen Währung und der nachfolgende Preisschock haben im Mai eine schwere Begierungskrise ausgelöst. Viele Leute, sogar linksgerichtete Abgeordnete, verlangen den Rücktritt der Regierung von Ministerpräsident Jean Videnov. Eine unerwartete, aber nur vorübergehende Stütze erfuhr der Premier durch die parlamentarische Opposition, die Union der Demokratischen Kräfte, den Volksbund und die Bewegung für Bechte und Freiheiten. Sie meint, daß eine solche Regierung das beste Argument gegen den sozialistischen Kandidaten bei der im Herbst vorgesehenen Präsidentschaftswahl sei.

Der US-Dollar-Kurs - im Jänner noch 70 Lewa - betrug am 10. Mai bereits 122 Lewa. Um den dramatischen Kursverfall zu stoppen, legte die Bulgarische Nationalbank Bekordzinsen von 108 Prozent fest. Die derzeitigen Währungsreserven .(670 Millionen Dollar) reichen nicht aus, um die bulgarischen Auslandsschulden (1,2 Milliarden Dollar) bis zum Ende des Jahres zu bedienen.

In dieser schwierigen Situation fand am 12. Mai eine Plenarsitzung der Sozialistischen Partei und ihrer Koalitionspartner statt. Beraten wurde ein Konzept einer Strukturreform der Wirtschaft. Sie soll mit der Schließung von 67 mit Verlust arbeitenden Staatsbetrieben und mit der Sanierung des bulgarischen Bankensystems eingeleitet werden. Die Sozialisten beauftragten im Plenum die Regierung Videnov, bis Juli mit diesen Strukturreformen zu beginnen.

Die Schließung der mit Verlust arbeitenden Staatsbetriebe galt bisher als unpopulär und war deswegen lange aufgeschoben worden. Die betroffenen Unternehmen sind für 29 Prozent der Verluste im Staat verantwortlich. Diese Verluste machen mehr als 200 Milliarden Lew (umgerechnet 15 Milliarden Schilling) jährlich aus. Durch die Schließungdieser Betriebe werden 29.000 Arbeiter ihren Job verlieren. Zusammen mit den Entlassenen aus anderen Betrieben, die saniert werden sollen, werden nun insgesamt 40.000 Menschen arbeitslos. Sie sollen finanzielle Entschädigungen in Gesamthöhe von 3,63 Milliarden Lewa erhalten.

Außerdem haben die Sozialisten auch die Sanierung des bulgarischen Bankensystems beschlossen. Zahlungsunfähige staatliche und private Banken sollen geschlossen werden. Vor dem Hintergrund möglicher Banken-Bankrotte will die Begierung Videnov die Ersparnisse der Anleger voll garantieren.

Die Beschlüsse vom 12. Mai sind die ersten radikalen Entscheidungen zur Strukturreform in der Industrie und im Bankenwesen Bulgariens sechs Jahre nach Beginn der Marktreformen. Seit 1990 haben fünf Regierungen drastische Sanierungsmaßnahmen der Wirtschaft wegen der tiefgreifenden sozialen Folgen vermieden.

„Es ist besser, jetzt 40.000 Arbeiter zu entlassen, als 100.000, wenn wir die Entscheidung weiter verzögern”, sagte Videnov, der auch Parteivorsitzender der Sozialisten ist, vor dem Parteiplenum.

Die genannten Maßnahmen sind vom Internationalen Währungsfonds (IWF) geforderte Voraussetzungen, damit Bulgarien einen weiteren, vierten, Stand-by-Kredit bekommt.

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