Advent und die Leere der Fülle

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Beim Adventempfang des steirischen Bischofs für die Hochschulen wurde über den „Menschen“ gesprochen – als Erinnerung daran, dass er vielleicht nicht dem anderen Menschen ein Wolf oder bloß ein genetisches Spielmaterial sei: homo homini homo?

Der „Vorweihnachtsmensch“ ist freilich ein besonderer Typus. Er weiß, es ist die laute Zeit im Jahr. Das Elend des unbegrenzten Shoppens liegt vor ihm. Wochen voller Zweifel: grübeln, suchen, jagen, bis zur Erschöpfung. Sich mit akzeptablen Geschenken bestücken, wo die Leute doch schon alles haben. Wie wäre es mit den Handtaschen, die mit wertlosem Glas aus Tirol besetzt sind und deshalb ein paar Tausender kosten? Oder mit einer Espressomaschine, deren Preisniveau sich nach oben öffnet? Oder doch ein Handy, das hundert Funktionen hat, von denen man 95 nie erlernt?

Der Vorweihnachtsmensch ist überfordert. Das Gedränge und Geschubse wird ärger werden, je näher uns die heilige Zeit rückt. Da rotieren beim Einschlafen schon die „Jingle Bells“ im Kopf und das Rentier macht seine Sprünge. Zur Linderung des harten Schicksals muss man sich wenigstens ein paar Punsche hineinziehen, bei diesen kitschigen Holzhütten, die ihre Schwaden durch die Gassen wehen lassen. Shoppen ist staatsbürgerliche Pflicht, in Zeiten der Wirtschaftskrise. Nicht auszudenken, wenn das Vorweihnachtsgeschäft um zwei Prozent einbräche.

Das unnütze Zeug ist Symbol und Erlebnis. Es macht nichts, wenn man es nicht braucht. Es geht um den „Impuls“, um die Vermeidung von Langeweile. Langeweile ist der Mangel an Mangel. Der Vorweihnachtsmensch muss die Leere der Fülle besiegen: aus den Produkten noch etwas herauslocken, hinein in die Übersättigung. Den letzten kulinarischen Reiz setzen für speivolle Menschen. Das ist eine Strapaze, und den Vorweihnachtsbesinnlichkeitsschmarrn kann man sich nicht leisten. (Zwecks politischer Korrektheit: Ich weiß, es gibt auch Arme; hier ist von der Mehrheit die Rede.)

Der Autor ist Professor für Soziologie an der Universität Graz.

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