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Ärgerlich

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Mit den bei Festivals vergebenen Preisen, Anerkennungen usw. zufrieden sind int allgemeinen nur die Empfänger (es ist indes noch gar nicht so lange her, da war das keineswegs jeder Prämiierte — da konnte man beispielsweise einen Produzenten klagen hören: „Um Gottes willen, ich bin .preisgekrönt worden; jetzt ist mein Film .gestorben'!“). Mißbilligt wurden die Juryentscheide gemeinhin von den leer ausgegangenen und sich daher benachteiligt fühlenden Konkurrenten. So wie meist auch von der Kritik — dann zumal, wenn die Preisrichter sich offensichtlich irrten. Was erstaunlich oft vorkommt.

Die Geschichte der Filmfestspiele zum Beispiel ist weithin auch eine solche derartiger Irrtümer. Es gab in Cannes, Venedig, Berlin usw. fast kein Festival ohne Fehlentscheide-, der schlimmste ereignete sich 1954, als bei der Biennale Castellanis „Romeo und Julia“ den „Goldenen Löwen“ erhielt.

Wo immer Konkurrenzen stattfinden, gibt es Preise. Und daher Gremien, die sie vergeben. Und durch diese eben Fehlentscheide, Irrtümer, Mißlichkeiten. Schließlich sind ihre Mitglieder ja auch nur Menschen, die sich zudem Mehrheitsbeschlüssen unterwerfen müssen. Sie dürfen an unser Verständnis appellieren. Aber genügt das, wo doch vielfach (man denke etwa nur an die Propaganda mit den Auszeichnungen) Wesentliches auf dem Spiel steht? Eine Abhilfe wäre da wohl vonnöten. Wie sollte sie beschaffen sein?

Das radikalste Verfahren wäre unzweifelhaft die Abschaffung der Preise und damit der Juroren. Freilich bedeutete das für viele Veranstaltungen den Verlust eines attraktiven Moments und für manchen aktiven Teilnehmer, der Gewinnchancen hätte, den Verzicht auf verdiente Anerkennung, die für ihn unter Umständen auch geschäftlich interessant wäre. Die völlige Beseitigung der Prämiierung wäre also nicht empfehlenswert. Indes müßte eine Änderung der Praxis gefordert werden. Sie sollte folgendes berücksichtigen:

Die Jurys sind personell, das heißt der Mitgliederzahl nach einzuschränken: fünf Preisrichter (einschließlich des Vorsitzenden oder ..Präsidenten“) genügen. Im kleineren Kreis kann man besser diskutieren, unterschiedliche Auffassungen zur Übereinstimmung bringen. Außerdem ist es billiger.

Die Juroren sollten nicht Film- oder Fernsehschaffende, also Produzenten, Autoren, Regisseure usw. sein. Diese sind meist, wenn auch unbewußt „befangen“ (was ihnen immer wieder von den konkurrierenden Kollegen vorgeworfen wird). Durch diese Regelung entfiele auch die unergiebige Darbietung von Werken, an denen Preisrichter beteiligt sind, „außerhalb des Wettbewerbs“.

Die Juroren sollten ausschließlich qualifizierte Kritiker sein. Da sie erheblich mehr Filme oder Aufzeichnungen sehen als beispielsweise französische Bühnenschriftsteller oder sowjetische Kameramänner, verfügen sie auch über mehr Erfahrungen und Kenntnisse. Überdies: Wenn die Kritiker (sei es im Rahmen der FIPRESC1 oder in ihren Rezensionen) nach nahezu jeder Prämiierung die Dinge wieder richtigstellen Müssen, sollte man ihnen das wertende Geschäft doch gleich überlassen. Allerdings wären auch hier Irrtümer nicht ausgeschlossen, doch darf berechtigt erwartet werden, daß sie sich in Grenzen halten.

Es sollten tunlichst immer dieselben Juroren sein, um in den Entscheidungen eine gewisse Kontinuität zu wahren.

Die Zahl der Auszeichnungen sollte reduziert werden. Dadurch stiege ihr Wert. Und der des Prämiierten dazu. Außerdem wäre auch das billiger.

Die Jurys sollten den Mut haben, ausgesetzte Preise — mangels prämiierungswürdiger Masse — auch dann nicht zu vergeben, wenn irgendeine Institution, zum Beispiel der Internationale Produzentenverband, das zwingend vorschreibt. Freilich müßte die Zurückhaltung zum Wohle des Objekts oder der Branche dann eingehend begründet werden.

Sicherlich würde dadurch, daß man diese Vorschläge ganz oder teilweise berücksichtigt, das Thema „ärgerliche Auszeichnungen“ nicht aus der Welt geschafft. Aber vielleicht würde dann weniger darüber diskutiert werden. Und das wäre auch schon ein Erfolg.

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