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Alles anders als 1948

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Dazu war im Jahre 1948 die außenpolitische Konstellation eine ganz andere. Wohl bestand der Atlantikpakt noch nicht, Italien gehörte noch zu besiegten Staaten. Deutschland stand noch vor der Währungsreform, Österreich in tiefster Besatzungszeit. Mit Jugoslawien bestanden wegen Triest sehr gespannte Beziehungen. Zu Lande waren die Sowjets die allen anderen überlegene Militärmacht am Kontinent, aber sie besaßen keine Kernwaffen. Unter dem Eindruck des Umschwungs in Prag begann der Westen aufzurüsten. Aber vor allem im Mittelmeer waren die Verhältnisse ganz anders. 1948 war Italien noch eine Halbinsel in einem „westlichen Binnenmeer“. Die Türkei und Griechenland standen unter dem Schutz der Truman-Doktrin. Syrien war durch den Konflikt mit Israel genügend beschäftigt, im benachbarten Irak stand noch die „Arab Legion“ unter Glubb Pascha, einem britischen General. Britische Truppen standen noch am Suezkanal, in Ägypten und in Libyen; Malta und Gibraltar waren unbestrittene britische Stützpunkte; Nordafrika war noch ganz in französischer Hand.

Heute ist die ganze Nordküste Afrikas von den arabischen Staaten beherrscht, deren Haltung gegenüber Europa bekannt ist. Obwohl Fanfani immer wieder seine Sympathie für die arabischen Staaten beteuert und im Nahostkonflikt wegen seiner Haltung gerade von der Israel freundlich gesonnenen Presse stark kritisiert wurde, kann man sich leicht ausmalen, zu welchem Lager der italienischen Politik die Herren Boumedienne und Nasser sich hingezogen fühlen.

Letztlich die Stellung der Kirche: Im Jahre 1948 haben Pius XII. und mit ihm alle italienischen Bischöfe die italienischen Katholiken vor dem Kommunismus gewarnt; sicherlich hat die Haltung der Kirche einen erheblichen Teil vor allem der weiblichen Wählerschaft beeinflußt. Die spätere Entwicklung ist bekannt. Bei den Wahlen im Jahre 1963 nach dem durch die Linkspresse entsprechend ausgewerteten Empfang Adschubejs durch Johannes XXIII. verloren die Democristiami eine Million Stimmen, während die Kommunisten dieselbe Stimmenzahl gewannen. Allerdings vermuten einige Beobachter, daß der Heilige Stuhl die Gläubigen vor jenen Parteien warnen wird, die in Italien im Gegensatz zu den Lateranverträgen die Scheidung einführen möchten. Die Democrazia Cristiana möchte ja diese Frage einer Volksabstimmung unterwerfen, in der wahrscheinlich richtigen Annahme, daß die Mehrheit der Wählerschaft die Ehescheidung ablehnen würde.

Besonders aufschlußreich ist eine

Gegenüberstellung der Wahlresul- tate seit dem Jahre 1946, wie sie die unten veröffentlichte Tabelle wiedergibt.

Die Tabelle zeigt alle Schwankungen. Eine eingehende Analyse würde jeden Rahmen sprengen, aber man sieht, daß die Democristiani das Resultat von 1948 nie mehr erreicht haben. Ihre eigentlich gefährlichen Gegner sind die Liberalen, die bei den Wahlen vom Jahrp 1963 ihre Stimmen im Vergleich zu 1958 verdoppeln konnten.

Sorgen der Democristiani

Nun hoffen die Linksparteien, daß die Democristiani noch mehr Stimmen an die Liberalen verlieren werden. Sollten sie einmal nicht mehr die stimmenstärkste Partei sein, so könnte vielleicht ein Sozialist mit der Regierungsbildung betraut werden. Seit Oktober 1966 sind Sozialisten und Sozialdemokraten wieder vereinigt. Gemeinsam hätten sie 1963 6,126.345 Stimmen erreicht. Die Hoffnung auf eine Überrundung der Democristiani ist nicht ganz unbe gründet. Die Unzufriedenheit mit der Politik der Linksöffnung hat die italienischen bürgerlichen Parteien, die Liberalen, die Monarchisten und Neofaschisten veranlaßt, den im Unterbewußtsein des italienischen Volkes latent vorhandenen Antikle- rikalismus wieder anzufachen. Die Linksparteien sind natürlich ebenso antiklerikal, doch versucht sie die katholische Linke durch Kontakte zu den Kommunisten links zu überholen.

Es ist auch zu erwarten, daß ein erheblicher Teil der früheren monarchistischen und neofaschistischen Wähler den Liberalen ihre Stimme geben wird. Allerdings hat der Kongreß der Democristiani eine Koalition mit den Liberalen oder ein Wiederaufleben der alten Zentrumskoalition mit Liberalen und Republikanern ausgeschlossen.

Man darf also den italienischen Wahlen im kommenden Frühjahr mit besonderer Spannung entgegensehen. Sie werden mehr entscheiden als nur die Zusammensetzung der kommenden Regierung Italiens.

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