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Alles neu macht der Mai

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Führungsprobleme werden in den nächsten Monaten das politische Leben des Burgenlandes überschatten, die Parteiapparate beschäftigen und die Energien der Spitzenpolitiker beanspruchen. Die SPÖ ist in der glücklichen Lage, das Revirement im Eisenstädter Landhaus hinter sich zu haben. Allerdings steht die Ablöse im Parteivorsitz, den Landeshauptmann Bögl vorläufig innehat, noch bevor. Dabei wird die Frage aktuell, wer den Parteivorsitz übernehmen soll, Kery oder Doktor Sinowatz, der derzeit Landesparteisekretär ist. Eine andere Persönlichkeit kommt wahrscheinlich nicht in Frage. Auch in der ÖVP muß noch mit bewegten Zeiten gerechnet werden. Im Herbst ist die Wahl des Landesparteiobmannes fällig. Außerdem muß sich die Partei in allernächster Zeit auf einen Spitzenkandidaten für die nächsten Landtagswahlen einigen.

Machtkämpfe?

Ausleseprozesse und Ablösevorgänge gehören mit den damit verbundenen Machtkämpfen zu einem gesunden demokratischen Leben. Es wäre mehr als Unverständnis, wollte man zu einem Verächter der politischen Parteien werden, weil es im Zusammenhang mit der Neubesetzung von Führungspositionen zu Machtkämpfen kommt. Wer Machtkämpfe von politischen Parteien femhalten wollte, würde damit die innerparteiliche Demokratie, die in Österreich an Unterentwicklung leidet, auf ein Minimum reduzieren. Das burgenländische Parteileben krankt im Augenblick daran, daß sich der Generationenwechsel aus verschiedenen Gründen verzögert. Eine Rolle spielt dabei die Tatsache, daß in den Parteien die Altersschicht zwischen 40 und 55, die für Spitzenfunktionen in Frage käme, nur schwach vertreten ist. Wo die Schicht der Dreißig- bis Vierzigjährigen Führungspositionen errungen hat, sind diese für die nächsten Jahrzehnte bereits besetzt.

Ferner ist für die burgenländischen Parteien noch immer die sogenannte Geschlossenheit, besser gesagt Monokratie oder Uniformität, das Ideal. Dieses wird meistens von Politikern verkündet, die eine Machtposition erkämpft haben und diese zu einer Institution ad personam bis ins Rentenalter ausbauen möchte. Es gibt in den burgenländischen Parteien kaum profilierte Gruppen, die entschlossen und genügend handlungsfähig sind, um einen Kandidaten gegen die Manager des Parteiapparates auf den Schild zu heben, für ihn Stimmung zu machen und Ihn neben dem offiziellen Kandidaten der obersten Parteiführung auf die Kandidatenliste zu bringen. Die unter den kleinen Funktionären weit verbreitete Angst vor jenen, die den Parteiapparat dirigieren, muß erst überwunden werden. Solange dies nicht der Fall ist, wird das politische Leben des Landes unter ungesunden Konstellationen zu leiden haben. Minister, Landesräte und Ab geordnete werden in Österreich äußerst selten abgelöst. Selbst dann, wenn sie in der Öffentlichkeit scharf kritisiert werden, bleiben sie oft in ihrem Amt.

Ein politisches Mailüftchen

Kurz vor Beginn des Wonnemonats hat die burgenländische SPÖ ihr Regierungsteam überraschenderweise „frühlingshaft“ verjüngt. Wie es scheint, will sie damit vor der burgenländischen Öffentlichkeit demonstrieren, daß sie trotz der Niederlage bei den Nationalratswahlen entschlossen und auch in der Lage ist, die Mehrheit im Lande zu erhalten, zu festigen und vor Angriffen der ÖVP zu verteidigen. In der Taktik und der publikumswirksamen Propaganda war hierzulande die SPÖ der ÖVP immer schon überlegen. Mit der Wachablöse im Landhaus wollte die SPÖ ihre Ausgangsbasis für die nächste Landtagswahl, die im Frühjahr 1968 stattfindet, innerparteilich, wahlpsychologisch und landespolitisch möglichst günstig gestalten.

Das neue Regierungsteam konnte bereits am 1. Mai bei den Bezirkskundgebungen den durch die Nationalratswahl enttäuschten Funktionären und Mitgliedern vorgestellt werden. Man wollte ihnen plastisch vor Augen führen, daß die Partei führungsmäßig nicht am Ende ihrer Weisheit angelangt ist. Die Umstellung, so hofft man in SPÖ-Partei- kreisen, wird den Unglückstag des politischen Frühmärz dieses Jahres vergessen lassen und die Funktionäre wieder zukunftsgläubig machen. Je länger nämlich Landeshauptmann Bögl mit seiner Ablöse zugewartet hätte, um so schwerer wäre es für seinen Nachfolger und seine Mitarbeiter gewesen, in der zweiten Halbzeit der Legislaturperiode Ersprießliches und politisch Effektvolles zu leisten.

Neue und alte Männer

Die Ablöse erfolgte ohne Palastrevolution. Landesrat Kery wird Nachfolger von Landeshauptmann Bögl werden. Damit hat Kery dem 1. Kronprinzen, Landesparteisekretär Dr. Sinowatz, eindeutig den Rang abgelaufen. Diese Tatsache hat in der burgenländischen Landeshauptstadt große Überraschung ausgelöst. Die Stunde Kerys schlug erst nach der Wahlniederlage vom 6. März. Dr. Sinowatz wird auf den Landtagspräsidenten verzichten und als Landesrat in die Regierung einziehen. Landesrat Billes, der schon sehr lange der Landesregierung angehört, und bereits 65 Jahre alt ist, wird ebenfalls abgelöst. An seine Stelle tritt Dr. Vogl, der bisher in der Eisenstädter Gemeindestube und in der Bewag eine bedeutende Rolle spielte. Er gilt als Exponent des linken Flügels in der SPÖ. Dr. Vogl ist Tiroler. Die ÖVP hat wegen seiner Ernennung zum Landesrat die SPÖ bereits heftig attackiert und bemerkt, daß es selten vorkomme, daß Politiker, die aus einem anderen Bundesland kommen und mit den

Verhältnissen wenig vertraut sind, zu Landesräten berufen werden. Die SPÖ sieht in Dr. Vogl einen Wirtschaftsfachmann, den sie im Landhaus braucht.

Landtagsabgeordneter Krikler, der von Beruf Lehrer ist, wird das Amt des Landtagspräsidenten übernehmen. Weil der Süden des Landes in der Regierung nicht vertreten ist, soll Krikler die Anliegen „des Südens“ als erster Repräsentant des Landtages in Eisenstadt wahrnehmen. Der alte „große Mann“ der Partei, Landeshauptmann Bögl, hat bei der ganzen Umstellung politische Vernunft gezeigt und ohne Macht- und Prestigeansprüche das Ruder den Jungen übergeben, zu denen er sich eigentlich nie in Gegensatz befand. Unter seiner Regierungszeit und Parteiführung wurde das Tor zur jungen Generation weit aufgestoßen, besonders zu den Intelek- tuellen.

Landeshauptmann Bögl trug dazu bei, daß die SPÖ als zweite Regierungspartei sachlich und konstruktiv im Landhaus mit der ÖVP mitarbeitete und dadurch im Land immer mehr Vertrauen gewann. Dies war unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg nicht immer der Fall. Er hat im Burgenland durch seine Persönlichkeit und seine politische Haltung eine neue Ära in den Beziehungen zwischen der Kirche und der SPÖ eingeleitet. Hier liegt vielleicht neben seiner unerschrockenen Haltung der russischen Besatzungsmacht gegenüber sein größtes Verdienst, das die politische Geschichte des Landes vermerken wird. Seine Toleranz und seine respektvolle Haltung gegenüber Andersdenkenden halfen auch mit, daß sich in der SPÖ des Landes ein innerparteilicher Pluralismus entfalten konnte: das auch in religiösen und weltanschaulichen Fragen. Seine Nachfolger haben ein verantwortungsvolles Erbe zu übernehmen.

Jung und, jünger“

Durch die rasche Umstellung ist nun der Partei ohne Zweifel eine Chance gegeben. Bekanntlich hat die ÖVP des Landes bisher für ihr Regierungsteam das Prädikat „jung“ beansprucht. Das hat sich nun durch die Neubesetzung geändert. Die SPÖ erscheint vor der Öffentlichkeit nicht mehr als die Partei der „alten Männer“, die dem Regierungsteam das Gepräge geben. Das auffallend junge Regierungsteam der SPÖ soll nun der ÖVP wahlpsychologisch den Rang ablaufen. Landespolitisch ist das Revirement gewiß nicht von Nachteil. Die neue Regierungsmannschaft der SPÖ weiß zu gut, daß sie das Rennen nur gewinnt, wenn sie bis zu der nächsten Landtagswahl mit Leistungen aufzuweisen hat. Sie muß daher versuchen, das Beste für das Land zu leisten, um die Wähler nach der Niederlage vom 6. März davon zu überzeugen, daß kein Grund vorhanden ist, die burgenländischen Sozialisten mit der Wiener Parteizentrale, die scheiterte, in einen Topf zu werfen.

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