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Also doch: eine „ neue “ Koalition

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Mehr Spielraum für die Partner in der Koalition weckt die Hoffnung, daß einzelne Positionen im Regierungsprogramm noch zu ändern sind.

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Mehr Spielraum für die Partner in der Koalition weckt die Hoffnung, daß einzelne Positionen im Regierungsprogramm noch zu ändern sind.

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Was über die bisherigen Auseinandersetzungen in den obersten Parteigremien bekannt und schon bei der Pressekonferenz angedeutet wurde, was die Diskussion "zwischen den Klubobmännern (beziehungsweise -obfrauen) am „Runden Tisch“ schon deutlich zu erkennen gegeben hat, wurde mit der Plenardiskussion über die Regierungserklärung offenbar: Österreich hat doch eine „Koalition-neu“!

Begonnen haben die Gewerkschaftsfunktionäre beider Fraktionen, zwischen der Zustimmung zur Bildung dieser Regierung und der Zustimmung zu einzelnen Vorhaben zu unterscheiden. Unter fortgesetztem Druck hat dann der Bundeskanzler im „Sparpaket“ mehrere Gruppen von Absichten unterschieden, die tatsächlich beachtlich sind: solche, die die Bundesregierung allein verwirklichen kann, und solche, die sie nur mit Hilfe jener durchsetzen kann, die rechtlich zur Umset zung in der Lage sind. Das sind die anderen Gebietskörperschaften, die Abgeordneten zum National- und Bundesrat und die auch als Sozialpartner fungierenden öffentlichen und privaten Interessenvertretungen. Unter diesen werden immer mehr auch die Familien verbände aller Richtungen genannt — in Niederösterreich sogar die erste öffentlichen Rechts!

Die Unterscheidung einzelner zur Mitentscheidung Berufener zwischen ihrer Zustimmung zur Regierungsbildung und dem gleichzeitigen „Nicht-tragen-können“ einzelner Regierungsvorhaben hat nicht immer und bis ins letzte in Abstimmungsergebnissen ihren Niederschlag gefunden. Dazu hätte man über zwei Papiere getrennt abstimmen müssen. Das hat die Regie offenbar nicht riskieren wollen.

Seither wurde allen Opponenten gegen einzelne Programmpunkte versichert, daß sie im Laufe der verfassungsmäßigen Vorgänge zu ihrer Verwirklichung Gelegenheit haben werden, dabei mitzuwirken.

Die Klubobmänner der beiden Regierungsparteien haben am „Runden Tisch“ gegenüber ihren Kollegen der Opposition deutlich gemacht, daß sie einzelne Teile des Arbeitsübereinkommens lediglich als Konzessionen verstehen, die zum Zustandekommen der Regierung notwendig waren.

Der neue Obmann des ÖVP-Klubs hat ausdrücklich die Beseitigung der Kinderstaffel als ein Beispiel dafür genannt und bereits ein verstärktes Selbsjbewußtsein seines Klubs „auch der Regierung gegenüber“ signalisiert. Er hat die Statur, von der man dies auch erwarten kann. Und zum Klub zählen auch sachkundige Funktionäre der Familien verbände.

SIGNALE FÜR VERÄNDERUNG

In dieser sensibleren Unterscheidung gegenüber früheren Abkommen, nicht nur in der Bindungsbereitschaft, sondern auch der rechtlichen Bindungsfähigkeit spiegeln sich grundsätzliche gesellschaftliche Veränderungen wider, die zwar schon seit längerer Zeit vor sich gehen, bei solchen Anlässen aber doch abrupt sichtbar werden.

Was die ÖVP im Laufe ihrer Bün-deentwicklung schon hinter sich hat, erfährt ihr Koalitionspartner nun in der Trennung von Partei und Gewerkschaften nach spektakulären Dissonanzen in der britischen Labour Party nun auch in Österreich.

Waren die traditionellen Koalitionsvereinbarungen — ja geradezu die „Paktfähigkeit“ ihrer Partner - seinerzeit darauf gerichtet, alle Funktionäre ihrer Partei zu verpflichten, so wurde nunmehr das deutlich ausgesprochen, was eigentlich immer schon gegolten hat: daß es sich lediglich um eine Bindung innerhalb der Bundesregierung handelt bei deutlicher Arbeitsteilung gegenüber den anderen Gebietskörperschaften, der Gesetzgebung und den Sozialpartnern.

Kommt dies nicht auch im Vergleich mit den beiden letzten Koalitionsabkommen 1987 und 1990 zum Ausdruck? Sie sind detaillierter, präziser und lassen den Wunsch nach Übereinstimmung auf allen Ebenen viel deutlicher erkennen.

Diese Hinwendung zu einer betont verfassungstreuen Vorgangswei- se, auf die ja die Mitglieder der Bundesregierung wie auch die Mandata re im Parlament angelobt sind, gibt auch der Chefin des Familienministeriums die Möglichkeiten — bei vollkommen loyaler Unterstützung des Sparkurses - ihre volle Ministerverantwortlichkeit wahrzunehmen: Ohne ihre Zustimmung geht keine Konkretisierung in Regierungsvorlagen den Weg ins Hohe Haus.

In zentralen Fragen des Familienlastenausgleichs geht es nicht um das Florianiprinzip, sondern um die Verhinderung im Prinzip falscher Weichenstellungen. Schließlich soll es schon passiert sein, daß eine Regierung nicht alle ihre Vorhaben verwirklichen konnte. Aus dem Koalitionspakt 1987 hat dies für die ge1 meinsame Absicht zugetroffen, Ehe und Familie in der Verfassung zu verankern!

Anstelle von Tommaso di Lampedusa, alles müsse sich ändern, damit alles beim alten bleiben kann, hätte der Bundeskanzler viel treffsicherer Erich Fried zitieren -sollen: „Wer will, daß die Welt so bleibt, wie sie ist, der will nicht, daß sie bleibt!“ Das heißt nämlich, daß weder alles so bleiben, noch, daß alles verändert werden muß.

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