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Also sprach Krishna Mennon

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Man brauchte nur dem Streit zwischen dem damals noch allmächtigen Krishna Mennon und dem ehrwürdigen Zafrulla Khan vor dem Sicherheitsrat zuhören, um zu erkennen, auf welcher Seite das Recht ist. Ja, man braucht nur Krishna Mennon zuhören, um zu erkennen, daß das Recht auf seifen Pakistans liegt: „Erstens“, meinte er, „haben wir nichts versprochen; zweitens haben sich die Verhältnisse, unter denen das Versprechen gegeben wurde, geändert; drittens ist Kaschmir jetzt auf Grund indischer Gesetze ein Teil Indiens, also eine interne Angelegenheit, in die niemand, auch nicht die UNO, dreinreden darf“. Die Anrufung des Sicherheitsrates war wirkungslos. Pakistan gewann nicht einen Fuß Boden, nicht eine einzige Konzession.

Daher stehen einander seit 15 Jahren an der Kaschmirfront fünf pakistanische und elf indische Divisionen bis an die Zähne gerüstet gegenüber. Das bedeutet eine wirtschaftliche Last von 30 Milliarden Schilling für Indien, das in allen Ländern Unterstützungen heischt, und von sieben Milliarden für Pakistan, die es lieber für seine Flüsse und seine Flüchtlinge verwenden möchte.

Der Feind meines Feindes...

So wurde Pakistan zur Annäherung an Rotchina gedrängt. Nach der Debatte vor dem Sicherheitsrat, nach dem Einbruch Chinas in Nordindien, bei dem Indien seine Kamschmirfront nicht schwächte, war es klar, daß sich an der Haltung Indiens auch nach dem endlichen Sturz Mennons — aber nicht aus dem Vertrauen Nehrus — nichts ändern werde. Trotzdem versagte sich Pakistan, die schwere Stunde Indiens auszunützen, wie es das Italien Viktor Emanuels 1915 gegen Österreich, das Mussolinis 1940 gegen Frankreich, Polen 1939 gegen die Tschechoslowakei getan hatte. Dabei mag die Voraussicht mitgespielt haben, daß Indien seine Kraft nicht gegen den stärkeren Gegner gerichtet hätte, um seinen ehrlichen Boden zu verteidigen, sondern lieber gegen den schwächeren Gegner, um das unredlich erworbene Gebiet zu behalten.

Rotchina, das nur einen Tastversuch gemacht hatte, um die Schwäche des Gegners und dessen voraussichtliche Stützung von außen herauszufinden, wandte sich seinen inneren Schwierigkeiten zu, die größer sind, als es der Welt gestehen und diese einsehen will. Da aber England und Kanada für ein Linsengericht halfen, diese Schwie-

rigkeiten zu bekämpfen, sah Pakistan, das auch im Norden einen unfreundlichen Nachbarn, Afghanistan, hat, nicht ein, warum es sich nicht wenigstens gegen China sichern sollte, so prekär auch jede Vereinbarung mit einer totalitären Macht sein mag. Für Pakistan ist Indien nicht weniger totalitär als China, und ein unmittelbarerer Feind. Die alte Regel „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ gilt besonders unter Nachbarn.

Landreform und Flüchtlingsproblem

Das sind die äußeren Probleme Pakistans. Im Inneren waren die vordringlichsten Aufgaben: Landreform und Flüchtlingsansiedlung. Die Landreform soll fast abgeschlossen sein. Das Bedenken ist nicht ganz von der Hand zu weisen, daß eine ungenügende, der Inflation ausgesetzte Entschädigung der enteigneten Grundbesitzer einen wichtigen Teil der Bevölkerung verarmt hat, statt ihn im kapitalsarmen Land in benötigte Zweige der Wirtschaft zu lenken, wie es in Taiwan gelang und in Iran im Zuge ist Eine andere schwere Aufgabe bieten die Flüchtlinge aus Indien, von denen immer noch 3000 im Tag die Grenze überschreiten. Die Eingliederung von acht Millionen aus Indien vertriebenen Mohammedanern, eines Sechstels der mohammedanischen Bevölkerung Indiens, ist auch nach eineinahlb Jahrzehnten nicht völlig gelungen. Die Vertreibung einer noch größeren Zahl Hindus ist kein Ersatz, sondern ein wirtschaftlicher Verlust. In der Heilung dieser Wunden ist Pakistan weiter fortgeschritten als Indien. Seine Flüchtlingsdörfer stellen eine beachtliche Anstrengung dar.

Pakistan ist der größte, friedlichste und konstruktivste Staat des ganzen islamischen Raums von Marokko bis Indonesien. Seine Extratour mit Rotchina darf nicht verwirren. Sie ist durch die Einstellung seiner anderen Nachbarn und das schlechte Beispiel anderer Länder zu verstehen. Mit seinen hundert Millionen ist es ein stärkeres Bollwerk gegen den Kommunismus in Asien als das sozialistische Indien, immuner als das braun-rote Indonesien, weniger anfällig als die arabischen Staaten, weniger infiltriert als Afghanistan. Mit Iran und Malaysia, vielleicht auch mit Afghanistan, könnte es einen antikommunistischen Block in Südasien bilden.

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