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Alte Fehler — neue Fehden

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Die Machtverhältnisse auf Zypern, die seit der Unabhä.^/gkeit ziemlich stabil gewesen waren, verschoben sich innerhalb der letzten drei Jahre infolge der Labilität des von inneren Krisen erschütterten Griechenland mehr und mehr zugunsten der türkischen Seite, die dank dem straffen Militärregiment General Gürsels den viel tieferen Umbruch von 1960/61 ohne außenpolitische Hypotheken gemeistert hatte. Die gegenwärtige Situation ist durch völlige Handlungsunfähigkeit Griechenlands, das sich nicht einmal zur Einberufung des Kronrates aufraffen kann, Machtkämpfe innerhalb der beiden zypriotischen Volksgruppen und geschickte diplomatische Manöver Ankaras gekennzeichnet, deren Brillanz jedoch nicht darüber hinwegtäuschen kann, daß die Regierung der Adlet-Partei mit Caglayangils diplomatischen Fingerfertigkeiten nur vor dem inneren Ruin einher-flieht.

Fehler wiederholen?

Präsident Makarios sieht sich in derselben unangenehmen Lage wie schon 1964, als die Türken Poraske-vopoulos' erste Interimsregierung zum Anlaß politischer und militärischer Pressionen nahmen. Makarios' Kurzschlußreaktion, die zum Kleinkrieg zwischen der griechischen Majorität und der türkischen Minderheit führte und schließlich die Bombenangriffe der Luftwaffe Ankaras provozierte, konnte damals mit dem Eingreifen der UN notdürftig repariert werden. Heute aber ist der Brzbischof nahe daran, seine Fehler von 1964 zu wiederholen, indem er hartnäckig auf der Verteilung der tschechischen Waffen besteht, gegen deren Ankauf die Türken sogar bei Kossygin vorstellig geworden waren. Die Frage, ob und an wen die Infanterie- und Panzerwaffen aus der CSSR ausgegeben werden sollen, hat aber nicht nur die

Türkei, sondern auch die griechische Regierung und die innenpolitischen Gegner des Präsidenten auf den Plan gerufen.

Die Beziehungen zwischen Athen und Nikosia waren seit der Errichtung des zyprischen Verlegenheitsstaates nicht die besten. Makarios fühlte sich besonders durch den direkten Dialog zwischen den Außenministern Taumbas und Cag-layangil übergegangen. Kaum zufällig deckte er sich unmittelbar vor der entscheidenden Phase des Dialogs bei der Pariser NATO-Konferenz mit den Waffen des Anstoßes ein, die dann auch folgerichtig den Dialog zum Platzen brachten. Hatte damals der griechische Generalstabschef Makarios wenigstens dazu überreden können, die politisch wie militärisch brisante Fracht unter Aufsicht griechischer Offiziere in Verschluß zu halten, so war es in diesen Tagen der Leiter der Athener Abwehr, General Papagheorgopoulos, der Makarios gemeinsam mit Botschafter Krani-diotis ins Gewissen redete. Ihre Vorstellungen scheinen Erfolg gehabt zu haben, denn in der zyprischen Hauptstadt halten sich hartnäckig Gerüchte, daß der Präsident seinem umstrittenen Innenminister Gheor-katzis, der seit dem Auszug der türkischen Minister das Verteidigungs-ministerium mitverwaltet, dieses Ressort entziehen will. Damit käme er nicht nur den Wünschen Athens, das von Makarios enger Bindung an den Linksblock, als dessen Exponent der zyprische Innenminister gilt, unangenehme Auswirkungen auf die innergriechische Entwicklung befürchtet, sondern auch dem zunehmenden Widerstand im eigenen Lager entgegen. In den letzten Wochen sind überall auf Zypern faschistische „Blauhemden“ aufgetaucht, die dem Erzbischof vorwerfen, er hintertreibe bewußt die Enosis mit Griechenland und liefere die Insel dem Kommunismus aus.

Kommunisten im Hintergrund

Ganz unbegründet ist dieser Vorwurf nicht. Weniger auf außenpolitischem Gebiet, denn obwohl es Makarios war, der mit seiner Moskaureise den Sowjets erst die Tür zur Intervention in der Zypernfrage geöffnet hatte, hat sich der Kreml längst für die Partei Ankaras entschieden, wo ihm ein solcher Köder notwendig erscheint, während er Griechenland und Zypern auf innenpolitischem Wege in seine Hand zu bekommen hofft. Makarios nährt diese Hoffnungen in unverständlicher Weise, da er den Kommunisten, die im gegenüberliegenden Syrien bereits fest in der Regierung sitzen, nicht nur freie Hand, sondern auch Unterstützung leiht. Die kommunistische Partei Zyperns ist das entscheidende Bindeglied zwischen der kommunistischen Tarnorganisation Eda Griechenlands und der illegalen KPG, die Ihren Sitz in Bukarest hat und neuerdings unter den griechischen Gastarbeitern in der Bundesrepublik rege Aktivität entfaltet. Noch läßt sich nicht absehen, inwieweit sich die türkenfreundliche Haltung Moskaus zugunsten der chinesischen Richtung unter den griechischen Kommunisten auswirken wird, die in letzter Zeit auch publizistisch hervortritt.

Extremisten im Vormarsch

Im Lager der Zyperntürken sieht es nicht besser aus. Dem todkranken Vizepräsidenten Kücüfc machen die Attacken seines radikalen Gegenspielers Bekdas ebenso zu schaffen wie der griechische Würgegriff um die türkischen Ghettos: Seit sich der offizielle Kurs Ankaras zugunsten der extremistischen Gruppe festgelegt hat, sind Gefechte innerhalb der türkischen Enklaven an der Tagesordnung.

Das Abrücken der Regierung Demirel von dem gemäßigten Kücük und die kriegerischen Töne, die Außenminister Caglayangil unlängst vor dem Abgeordnetenhaus anschlug, verraten die Abhängigkeit ihrer politischen Zukunft von raschen Erfolgen in der Zypemfrage. Wie schwach die Machtposition der Adalet-Partei gegenüber der von der Generalität gestützten republikanischen Opposition ist, zeigen die Fühler, die sie zu den kleinen Oppositionsparteien, der „Yeni Parti“ und sogar zur kommunistischen

Arbeiterpartei ausstreckt. Wie die dem republikanischen Parteichef Inönü nähestehende „Cumhuriyet“ berichtet, konnte die Arbeiterpartei, deren große Tage mit der Heimkehr hunderttausender Gastarbeiter aus dem verdämmernden Wirtschaftswunderland bald anbrechen werden, bei einem Meeting der drei Parteien eine Resolution gegen die amerikanischen Basen in der Türkei durchsetzen, die „nicht den nationalen, sondern fremden Interessen dienen, nachdem seitens der Sowjetunion weder eine Bedrohung der Meerengen noch der Ostprovinzen Ardahan und Kars besteht“.

Von Monologismus kann man bei der gesamten griechischen Zypernpolitik sprechen, die sich einseitig auf den türkischen Gegenspieler versteift und einen dritten entscheidenden Faktor, die arabischen Küstenstaaten, völlig außer acht ließ. Anstatt im Angesicht der vorjährigen Blitzerfolge Caglayangils bei Nasser Widersachern im arabischen Raum mit einer Intensivierung der griechisch-zyprisch-ägyptischen Freundschaft zu reagieren, tat man nicht nur gar nichts, sondern lehnte, als König Konstantin im September privat das Sinaikloster besuchte, Nassers Einladung zu einem offiziellen Besuch brüsk ab. Heute schreit man in Athen und Nikosia Zeter und Mordio, weil es nach dem Treffen des türkischen Außenministers mit Präsident Nasser mit der Kairoer Schützenhilfe für die Enosäs auf immer vorbei sein dürfte.

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