Lech Wałęsa - © Foto: Getty Images / Mateusz Wlodarczyk / NurPhoto

Alte Mauern fielen, neue wurden errichtet

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Das Land an der Weichsel wird heute von einer Partei regiert, die die Wende von 1989 und die Zeit danach negativ interpretiert, aber auch konkrete Antworten auf die Verwerfungen der Transformation liefert -und deshalb so viel Zuspruch hat.

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Das Land an der Weichsel wird heute von einer Partei regiert, die die Wende von 1989 und die Zeit danach negativ interpretiert, aber auch konkrete Antworten auf die Verwerfungen der Transformation liefert -und deshalb so viel Zuspruch hat.

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Es ist ein Bild, das inzwischen Ikone geworden ist: Im Frühjahr 1989 ist ganz Polen mit Plakaten beklebt, das den US-Schauspieler Gary Cooper im Western "High Noon" im Sheriff-Dress zeigt, wie er entschieden vorangeht -in der Hand ein Zettel mit der Aufschrift "Wahlen", auf der Brust indes ein "Solidarno´s´c"-Schildchen. Das Plakat wirbt für die ersten, "halbfreien" Wahlen, die am 4. Juni stattfinden -und bei denen das Lager der einst großen oppositionellen Bewegung Solidarność (Solidarität), die zugleich Gewerkschaft ist, fast alle ihr von den regierenden Kommunisten zugebilligten Mandate erringt. Zuvor hatte es offizielle Gespräche am "Runden Tisch" in Warschau, und inoffizielle Absprachen im Hauptstadt-nahen Magdalenka gegeben. Zwar verfügt die Solidarność nach ihrem Triumph vom 4. Juni nicht über die Mehrheit in der der ersten Parlamentskammer, weil sich die Kommunisten vorab eine Mehrheit von 65 Prozent garantiert hatten. Doch weil die Zustimmung für das Solidarność-Lager an den Wahlurnen so überwältigend ist und es die komplett frei gewählte Senatskammer fast vollständig gewinnt, ist die Wende nicht mehr aufzuhalten. "Meine Damen und Herren, am 4. Juni 1989 hat der Kommunismus in Polen aufgehört zu existieren", sagt die Schauspielerin Joanna Szczepkowska strahlend in einem inzwischen ebenso ikonenhaften Statement -live im Staatsfernsehen. Einige Monate später entsteht, unter Beteiligung der Kommunisten, die sich die Schlüsselressorts für Inneres und Verteidigung sichern, die erste nichtkommunistisch geführte Regierung des Ostblocks.

Geteilte Meinung

30 Jahre später jedoch ist der 4. Juni, den die heutige Opposition hochhält, kein offizieller Feiertag im Land. Vielmehr spaltet das Datum die Menschen. "Aus der Perspektive der heutigen Politik, der heutigen Emotionen, hört der damalige Startpunkt auf, wichtig zu sein", sagt der renommierte polnische Historiker Andrzej Paczkowski in einem Interview. "Wichtig ist das, was danach geschah." Und was danach geschehen sollte, darauf hat im Rückblick betrachtet das erwähnte Cooper-Plakat symbolisch hingewiesen: auf den Wilden Westen, in Form einer neoliberalen "Schocktherapie" der neuen Regierung. Denn unter Finanzminister Leszek Balcerowicz treten bereits am 1. Januar 1990 und danach eine Reihe von Gesetzen in Kraft, die einen "Kopfsprung in den Kapitalismus" bedeuten, ohne Rücksicht auf menschliche Kollateralschäden.

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