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An den Rand gesgrieben

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DER DRITTE STREICH. Paritätische Kommission und „Raab-Olah-Abkom- men" waren jene zwei „Streiche”, die Julius Raab, seinerzeit noch Regierungschef, im Geiste der Sozialpartnerschaft als Präsident der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft mit dem seinerzeitigen Gewerkschaftsbundpräsidenten ausgehandelt hat. Die Überraschung war jedesmal auf allen Seiten ziemlich groß, und dieser Effekt war vermutlich auch beabsichtigt, denn er gehörte zu jenen psychologischen Waffen, mit denen man der wachsenden Unruhe und Bewegung auf der Lohn-Preis- Front zu Leibe rücken wollte. Von Erfolg oder Mißerfolg kann man angesichts der Entwicklung, die zwar durch diese Beschlüsse etwas verlangsamt, aber nicht ganz aufge- halfen werden konnte, rückblickend nicht sprechen. Wie könnte man also vorausschauend heute schon beurteilen, wie Raabs „dritter Streich', der Beschluß nämlich, die Paritätische Kommission um einen driften, wirtschaftspolitischen Ausschuß zu ergänzen, sich auswirken wird? Mit Recht weisen Kritiker dieser „Raab-Benya- Vereinbarung" darauf hin, daß es sich hier wieder um einen neuen Schritt in die Richtung einer Planwirtschaft handelt, die ja auch mit einer sozialen Marktwirtschaft letztlich unvereinbar ist. Man darf nicht aufjer acht lassen, daß dem neuen wirfschaffs- und sozialpolitischen Beirat unabhängige Fachexperfen nur fallweise und unverbindlich beigezogen werden sollen, daß also hier nicht von jenem Modell die Rede ist, das auch in marktwirtschaftlichen Systemen da und dort bereits verwirklicht wurde. Nein, hier sollen die Interessenvertretungen jene wirtschaftspolitischen Entscheidungen, von welchen das Wohl aller Bürger abhängt, aushandeln. Trotzdem: zur Stunde eines bereits beginnenden „Endkampfes', bei dem es der anstürmenden Partei darum geht, daß es „so oder so anders wird in Österreich, ist ein Verhandlungsergebnis, wenn es zunächst auch nur einen Versuch darstellf, grundsätzlich zu begrüßen.

POLIZEI — POLITIK. Polizei reimt sich nicht gut auf Politik. In den letzten Tagen sind Zitate aus Briefen und ministerielle Erklärungen durch einwandfreie Zeugen in den Zeitungen veröffentlicht worden, angesichts deren Inhalt und Ton man nachher gerne vernommen hätte, daß es sich dabei um grobe, böswillige Fälschungen und Verleumdungen handelt. Da aber solche Dementis nicht zu hören waren, muß man leider die schlimme Tatsache zur Kenntnis nehmen, daß die gegenwärtig laufende innenpolitische Diskussion bereits zerstörende Wirkungen zeitigt. Denn was soll man dazu sagen, wenn ein Minister eine zuständige Vertretung, die nur den einen Fehler aufweisf, daß sie der anderen Forbe angehört, mit den Worten abkanzelt: „Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten und nicht um die meinen', oder wenn derselbe Minister dem Sinn seiner Worte nach mehr oder weniger offen zugibf, daß er die Personalpolitik in seinem Ministerium nicht zuletzt auch nach parteipolitischen Gesichtspunkten zu führen gedenkt. Das geschriebene Recht mag er dabei beachten; aber er müßte doch wissen, daß es in einem nicht zuletzt auch nach sittlichen Normen geordneten Gemeinwesen auch viele ungeschriebene Gesetze gibt, die jedoch dieses Gemeinwesen genauso, wenn nicht mehr noch stützen und am Abgleiten in ein Chaos oder in die Tyrannei hindern als das positive Recht.

DÜRFEN SIE DENN DASI Der neue bevollmächtigte Minister und außerordentliche Gesandte bei dem Straßburger Europarat, bisher parlamentarischer Klubobmann der FPÖ, Doktor Wilfried Gredler, verläßt den Platz, auf dem er sich den Ruf erworben hat, einer der besten und vielleicht der geistreichste Debattenredner des an Rednertalenten nicht gerade wohldofierten Parlaments der Zweiten Republik zu sein. Er war aber naturgemäß auch ein unbequemer Redner, in letzter Zeit unbequem sogar für seme eigenen Parteifreunde. Sie haben ihn jetzt auch los — Österreich hat aber einen neuen Repräsentanten auf internationaler Bühne. Dieser Dr. Gredler äußert manchmal höchst unorthodoxe An sichten, unter anderem auch über die wohl wichtigste Frage der österreichischen Außenpolitik, die Integrationspolitik. („Nichtteilnahme an EWG neutralifätswidrig.") Vertritt er dabei, zumindest was die Formulierung betrifft, ein Extrem, vertreten manche Sprecher der Sozialisten, so etwa der Abgeordnete Częrnetz, der kürzlich wegen seiner den künftigen Weg der österreichischen Integrationspolitik betreffenden Äußerungen selbst durch sozialistische Sprecher in den EWG-Sfaaten kritisiert wurde, das Gegenteil. Die künftige „Zusammenarbeit" zwischen SPÖ und FPÖ verspricht nicht gerade reibungslos zu werden.

DAS KONZIL BEEILT SICH. Die Nachricht, daß das Schema De Ecclesia bereits in der zweiten Sitzung der zweiten Session des Vatikanums II in großen Zügen angenommen wurde, hat in Rom großes Aufsehen erregt. Allerdings muß man in Rechnung stellen, daß es bei dieser Abstimmung nur darum ging, von der Versammlung in Erfahrung zu bringen, ob sie gewillt sei, auf die Diskussion der einzelnen Kapitel dieses Schemas einzutr jen. Man muß also damit rechnen, daß das Konzil eine heftige Debatte über dieses Schema zeitigen wird. In eingeweihten Kreisen fragt man Paul VI. setzt Akzente, die Johannes XXIII. dem Urteil der Konzilsväter überließ. Obwohl der Vorschlag des südvietnamesischen Bischofs Ngo-Din- Thuc kaum Aussicht hat, vom Vatikanum II angenommen zu werden, verdient er, erwähnt zu werden. Er gibt nämlich zu erkennen, wie sehr dieses Konzil entgegen seiner Intention im Kreuzfeier der internationalen Politik steht. Während der Wirren der vergangenen Monate hat man die südvietnamesische Regierung häufig der religiösen und konfessionellen Intoleranz bezichtigt. Kann die Regierung von Saigon sich vor der Weltöffentlichkeit besser dieses Vorwurfs entledigen als dadurch, daß sie auf Veranlassung eines eigenen Bischofs dafür eintrift, daß nicht nur Protestanten und Griechisch-Orthodoxe, sondern auch Buddhisten als Konzilsbeobachter beigezogen werden?

EIN BLICK ÜBER DIE GRENZE. Manchmal schadet es wirklich nicht, einen Blick über die Grenze zu wagen. Schon wegen der dabei sich ergebenden Vergleichsmöglichkeiten. Die Sozialdemokratische Partei in der Bundesrepublik hielt kürzlich in Essen eine wirtschaftspolitische Tagung ab, bei der Politiker und Wirtschaftswissenschaftler einander die Stichworte gaben. Es ging dabei, vor einem großen Auditorium, das durchwegs aus Gewerkschafts- und Parteifunktionären bestand, vornehmlich um die Frage der neuerlich auch in Österreich heiß diskutierten Frage der Wirtschaftsprogrammierung. Der Berliner Wirtschaffssenator Professor Dr. Schiller, der das wirtschaftspolitische Grundsatzreferat hielt, lehnte jede Art von Dirigismus, auch die sogenannte „Planifikafion", rundweg ab. Kein noch so ausgeklügelter zentraler Invesfifionsplan könne, meinte er, den einfachen Expansionsmechanismus der Wirtschaft ersetzen, der darin bestehe, daß der Produzent um seinen Marktanteil kämpft und deshalb Neuerungen ansfrebt. Die Tagung diente der Erarbeitung neuer wirtschaftspolitischer Richtlinien für die SPD…

WEIZEN VOM WESTEN. Die großen Getreidekäufe im „kapitalistischen Ausland", zu denen sich die Sowjetregierung kürzlich entschließen mußte, haben wieder einmal den neuralgischen Punkt der sowjetischen Planwirtschaft, die dabei auch noch eine Wirtschaft der forcierten Rüstungen und strategischer Industriegründungen ist, aufgezeigt, Nach Kanada, Australien und der Bundesrepublik werden jetzt auch die Vereinigten Staaten Getreide und Mehl in großen Mengen nach der Sowjetunion verkaufen. Die Meinungen darüber, ob diese Lieferungen politisch richtig oder falsch sind, gehen natürlich auseinander. Fest steht jedoch, daß die erwünschte Liberalisierung im Sowjetbereich durch wirtschaftliche Not nur verlangsamt und nicht beschleunigt werden Würde. Eine andere Alternative gibt es jedoch nicht.

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