Auch Frieden beginnt im Kopf

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Der Rundweg in der Burgenländischen Landesausstellung auf Burg Schlaining führt buchstäblich fort von Krieg und Gewalt hin zum Frieden.

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Der Rundweg in der Burgenländischen Landesausstellung auf Burg Schlaining führt buchstäblich fort von Krieg und Gewalt hin zum Frieden.

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Im Vergleich zum Krieg wird in Medien und Forschung dem Thema Frieden wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Krieg ist aufregend, Friede langweilig: "bad news are good news". Hinzu kommt, dass kriegerische Auseinandersetzungen in der Form von Militärinterventionen wieder salonfähig geworden sind. Das "letzte Mittel" wird von vielen Kommentatoren akzeptiert und gerechtfertigt. Doch Gewaltanwendung bleibt Gewaltanwendung, wie man es dreht und wendet. Krieg ist nicht naturgegeben, sondern politisch geplant und häufig sozial, kulturell, ökonomisch, ökologisch bedingt und damit vermeidbar. Gerade die sogenannten "humanitären Interventionen" am Ende des 20. Jahrhunderts werfen die Frage auf, wann und mit welchen Mitteln ein Eingreifen von außen legitim und friedenspolitisch sinnvoll ist.

"Schiefe Schlachtordnung" nannte Ernst Otto Czempiel, Politologe und früherer Direktor der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung", bei einer Veranstaltung der Sommerakademie auf Burg Schlaining die vorherrschende Diskrepanz: Sehr schnell sind einzelne Staaten und die Staatengemeinschaft bereit, Militär zu entsenden und enorme Kosten für Kampf- beziehungsweise Sicherungsmaßnahmen auszugeben. Hingegen ist die Bereitschaft, im Vorhinein zur Konfliktvermeidung für die sozioökonomische Entwicklung weitaus geringere Mittel bereitzustellen, sehr gering. Meist liegt es nicht daran, dass Konfliktherde nicht rechtzeitig erkannt werden, sondern es mangelt am Willen, schnell mit zivilen Maßnahmen einzugreifen. Czempiel: "Nicht die Analyse fehlt, die Umorientierung weg von militärischen hin zu zivilen Konfliktlösungsmodellen findet einfach nicht statt."

Alltagsgewalt fördert Politik des "big stick" Ein Grund dafür ist, dass die Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft grundsätzlich sehr hoch ist. Schon die Alltagssprache ist militant: politische Sprengkraft sehen, Argumente ins Feld führen, Pläne in Angriff nehmen, jemand ins Visier nehmen, ausmanövrieren, niedermachen ... Die Alltagsgewalt manifestiert sich im Konkurrenzverhalten und Machtmissbrauch, in der Gewalterfahrung am Arbeitsplatz und in der Familie, sowie dem Rowdytum im Straßenverkehr. Alltagsgewalt bringt Zustimmung zu einer Weltpolitik des "big stick", des Dreinhauens, des Ordnungmachens, verbrämt mit Bildern eines sauberen Krieges vor Sonnenuntergängen und ohne Kollateralschäden, dem die Bürger aus der TV-Sesselperspektive voll und ganz zustimmen können.

Diese alltägliche, schleichende Zustimmung zu Krieg und Gewalt zu hinterfragen, ist eines der Themen der Burgenländischen Landesausstellung: Krieg oder Frieden - Vom Kult des Krieges zur Kultur des Friedens. "Wir wollen die Besucherinnen und Besucher für den Frieden gewinnen, sie für den Frieden aktivieren", geben die Veranstalter als Ziel an. Denn, "da Kriege in den Köpfen der Menschen entstehen, muss auch der Friede in den Köpfen der Menschen befestigt werden", zitiert Gerald Mader, Präsident des Österreichischen Studienzentrums für Frieden und Konfliktforschung und Initiator des Friedensprojektes auf Burg Schlaining die UNESCO-Präambel. Die Zivilgesellschaft stärken, friedliche Alternativen zu Alltagsgewalt und Kriegsgewalt anbieten, einüben, publik machen, darum geht es in einer Kultur des Friedens, in der Gewaltlösungen, Feindbilder, Propaganda, Verhetzung von der Mehrheit erkannt, durchschaut und schließlich abgelehnt werden.

Burg Schlaining, der Ort der Landesausstellung, steht symbolhaft für den Wandel vom Kult der Gewalt hin zur Kultur des Friedens. Wie eine Burg für den Frieden nutzen, fragten sich die Initiatoren rund um Gerald Mader, als am Höhepunkt des Kalten Krieges die Umsetzung eines Friedensprojektes im kleinen burgenländischen Ort Schlaining nahe dem Eisernen Vorhang anfing. Mittlerweile sind eine Friedensuniversität, eine Friedensbibliothek und eine Ausbildungsstätte für Peace-Building-Aktivitäten samt nötiger Infrastruktur entstanden. Und mit der Landesausstellung wird der letzte Schritt in Richtung eines Europäischen Museums für Frieden, dem krönenden Abschluss des Schlaininger Friedensprozesses, gesetzt.

Friedensgrüße und Kriegsgeschrei heißen die Besucher willkommen, bevor diese im wahrsten Sinne des Wortes über die Menschenrechte ("daran geht kein Weg vorbei") die Ausstellung betreten. Überschritten wird eine Steinplatte, unter der die Charta der Menschenrechte in Form von sieben großen Druckplatten ruhen. Damit wird auch darauf aufmerksam gemacht, dass täglich und an vielen Orten die Menschenrechte - real und nicht nur symbolisch - mit Füßen getreten werden.

Nach den Einstimmungen auf das Ausstellungsthema "Krieg oder Frieden" betritt man die katakombenartigen Areale im Untergeschoss der Burg. Sie bilden mit ihren dunklen Gewölben den passenden Rahmen für die Auseinandersetzung mit Alltagsgewalt und Kriegsgewalt. Frieden wie Gewalt beginnen im Alltag. Mit Gewaltpotentialen umgehen lernen, Gewalt erkennen, abwenden und vermeiden ist Thema in diesem Abschnitt der Ausstellung. Dabei wird klar, dass Gewalt oft in scheinbar harmlosen alltäglichen Handlungen beginnt und in Spiralen zum Dramatischen, von der strukturellen zur personalen Gewalt, vom Täter zum Opfer und zurück verläuft.

Zitadelle des Krieges und Friedenskammer Die Zitadelle des Krieges wird über eine Empore betreten, zu deren beiden Seiten zwei Kindersoldaten-Bilder hängen, die darauf aufmerksam machen sollen, dass Kriege selbst vor Kindern nicht Halt machen. Vorbei an der schier endlosen Auflistung der Kriege der Welt gelangt man zu zwei Zeitzeugen, die ihre persönlichen Sichtweisen und Erlebnisse vor, in und nach dem Zweiten Weltkrieg schildern.

Der Rundgang führt weiter von Wegen aus der Gewalt zu Wegen zum Frieden und erreicht in den Schatzkammern des Friedens den Höhepunkt der Ausstellung. Hier tritt man nun endgültig aus den langen Schatten des Krieges heraus und in die Geschichte des Friedens hinein, die von gestern, von heute und von morgen. Und für die Zeit über den Ausstellungsbesuch hinaus. Denn wie gesagt: "Da Kriege in den Köpfen der Menschen enstehen, muss auch der Friede in den Köpfen der Menschen befestigt werden."

Landesausstellung "Krieg oder Frieden - Vom Kult der Gewalt zur Kultur des Friedens", Burg Schlaining, 7461 Stadtschlaining, Tel 03355/2498, täglich von 9.00 bis 17.30 Uhr, bis 5. November 2000.

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