Auf einem Jahrmarkt namens Weltkonferenz

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Die ehemalige Leiterin der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit über den großen Gipfel in Rio und die damit verbundenen großen Enttäuschungen und kleinen Fortschritte.

Rio + 0 war meine erste Großkonferenz. Ich erinnere mich noch sehr genau an die Freude - bei aller Erschöpfung - als wir, der harte Kern der Verhandler, nach dem Marathon des letzten Vorbereitungstreffens in New York am Samstag in der Früh, als die Sonne über Manhattan aufging, das UNO-Gebäude verließen: Die Agenda 21, das monumentale Aktionsprogramm, war ausverhandelt. Wir hatten die Weichen gestellt für ein gemeinsames Herangehen an die globalen Probleme, geleitet vom Konzept der nachhaltigen Entwicklung, eingedenk des Prinzips der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung. Ökonomie und Ökologie waren keine unüberwindlichen Gegensätze mehr, wirtschaftliche Entwicklung konnte so gesteuert werden, dass die Naturgüter künftigen Generationen zur Verfügung stehen würden.

Und Rio war ein bunter, fröhlicher Jahrmarkt mit Major Groups-Treffen und NGO-Runden und einer Aufbruchstimmung, die ich so nie mehr erlebte. Auf Rio folgten Großkonferenzen zu Menschenrechten 1993 in Wien, zu Bevölkerung 1994 in Kairo, zu sozialer Entwickung in Kopenhagen und zu Frauenfragen in Peking 1995 sowie zu menschlichen Siedlungen in Istanbul 1997. Damit waren Empfehlungen zu praktisch allen großen Sozial- und Wirtschaftsfragen konsensual erarbeitet worden.

Die mangelnde Umsetzung

Nun sollten die Empfehlungen umgesetzt werden - und viele wurden bis heute nicht umgesetzt. Review-Konferenzen zogen Bilanz, bekräftigten alte Empfehlungen und erzielten hie und da kleine inhaltliche Fortschritte, aber nur mehr mit unverhältnismäßigem Aufwand. Das Thema der Energie im Kontext der nachhaltigen Entwicklung ist ein gutes Beispiel, um den mühsamen Fortschritt darzustellen, der sich zudem immer mehr weg vom Verhandlungstext und hin zu Initiativen von kleineren Gruppen von Akteuren verlagerte. Fünf Jahre nach Rio, 1997, erkämpfte die EU auf österreichische Initiative, dass Energie zumindest auf die Tagesordnung gesetzt wurde. In Rio konnte Energie ja nicht zuletzt wegen des Widerspruchs der USA nicht behandelt werden.

In Johannesburg 2002 rang sich die Staatengemeinschaft zur Erkenntnis durch, dass unsere Energiesysteme nicht nachhaltig sind und dass Zugang zu Energie nötig ist zur Armutsbekämpfung. Mit ihrem Versuch, ein globales Ziel für die Anhebung erneuerbarer Energie zu setzen, scheiterte die EU jedoch. Das führte zu der spontanen "Erfindung“ der EU Energie-Initiative, die eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen EU und interessierten Entwicklungsländern brachte. Die Frustration über den mangelnden inhaltlichen Fortschritt bei den Vorbereitungstreffen für Johannesburg und der Wunsch, auf einen Erfolg bei der Konferenz verweisen zu können, führte zur Gründung von vielen sogenannten öffentlich-privaten Partnerschaften: Im Energiebereich entstand etwa REEEP, Renewable Energy and Energy Efficiency Partnership, in der sich Firmen, Länder und internationale Organisationen zur Abwicklung von konkreten Projekten in Entwicklungsländern zusammenschlossen. REEEP nahm seinen Sitz in Wien und arbeitet bis heute.

Das Verhandlungsdokument von Rio +20 ist bereits in der Tagespresse bewertet worden. Sicher kann es dem Anspruch seines eigenen Titels - The Future We Want - nicht gerecht werden. Natürlich hätte auch ich mir mehr weiterreichende Beschlüsse gewünscht. Dennoch erscheinen mir einige Ergebnisse von Rio+20 bemerkenswert:

Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung wurde bestätigt und nicht von dem der Green Economy abgelöst; vielmehr wurde die Green Economy im Kontext von nachhaltiger Entwicklung situiert, was zumindest bedeutet, dass die soziale Dimension, die mir bei manchen Vertretern der Green Economy unterbelichtet erschien, wieder stärker betont wird.

UN-Entwicklungsziele

Die nächsten Entwicklungsziele der Vereinten Nationen werden für alle Länder gelten und Nachhaltigkeitsziele sein, womit wir doch etwas näher an die Anerkennung herankommen, dass wir alle im gleichen Boot sitzen und "One Planet Living“ unsere einzige Alternative ist.

Ein Zehn-Jahres-Programm für nachhaltige Produktion und Konsum wurde beschlossen. Die drei Ziele der Initiative des UN-GS "Nachhaltige Energie für alle“ - bis 2030 Zugang zu Energie für alle, Beschleunigung der Energieeffizienzsteigerung und Anheben des Anteils der erneuerbaren Energie auf 30 Prozent - wurden zumindestens grundsätzlich zur Kenntnis genommen. Wirklich wichtig waren aber mehr als hundert konkreten Unterstützungen, die für "Nachhaltige Energie für alle“ kamen. Mehr als 50 Länder haben bereits neue Energiestrategien in Angriff genommen, private Investoren haben mehr als 50 Mrd. Dollar zugesagt. EU, OPEC Fund for International Development (OFID), Entwicklungsbanken haben Hunderte Millionen Dollar zugesagt.

Rio +20 war außerdem die erste erfolgreiche papierlose Konferenz. Vielleicht werden wir uns zu Rio +30 ja nur mehr elektronisch abstimmen.

* Die Autorin ist Botschafterin Österreichs in der Volksrepublik China

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