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Auf Rumänien kaum Verlaß

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Bulgarien liegt zwar weit entfernt, aber auch Sofia mußte seine Elitetruppen dem WP-Oberkom- mando unterstellen und im Notfall äbtreten. Die Volksarmee gliedert sich in elf Divisionen — davon drei Panzerdivisionen — mit einem Totalpersonalstand von 125.000 Mann. Bei der Kriegsmarine befinden sich 7000 Mann. Es gibt nur drei bulgarische Unterseeboote, drei Zerstörer und zahlreiche kleinere Einheiten. Die Luftwaffe verfügt über 400 einsatzfähige Maschinen, und dihre Mannschaftsstärke dürfte 24.000 ausmachen. Grenzwachenstärke: 35.000 Mann. Das kleine Balkanland gibt jährlich ungefähr 122 Millionen Dollar für militärische Zwecke aus.

Obwohl Moskau mit Rumäniens Volksarmee für den Ernstfall kaum ka .kulieren dürfte, sollte auch deren Bild aius der militärischen Montage nicht fehlen. Elf Divisionen — darunter nur eine einzige Panzerdivi sion — besitzt Bukarest, in deren Formationen bisher mindestens

175.0 Soldaten unter Waffen stehen. Bei der Marine, der Moskau wegen der offen nie zugegebenen Umzuvertäsisagkeit nur einige veraltete Zerstörer, Minensucher und kleine Schiffe bewilligt hatte, tragen zur Zeit 8000 Personen die Montur mit dem roten Stern. Die Duftwaffe hat 300 Flugzeuge, und das Personal dieser Waffengattung besteht aus

18.0 Personen. Der Jahreskosten- voranschlag der rumänischen Volksarmee repräsentiert 265 Millionen Dollar. Rumänien hat überdies seine speziellen militärischen Sorgen. Seit dem Ungamaufstand 1956 stehen wieder mindestens zwei starke Sowjetdivüsionen dm Land: Im Raum Arad-Timisoara und in Saitumare- Großwardein.

Spiel mit dem Feuer In der ersten Hälfte des August 1968 hatte Prag keinen Grund,

optimistisch in die trübe Zukunft zu blicken. Abgesehen von dem spektakulären, demonstrativen Druck entlang der sehr langen und ungünstigen Grenzen, war es Prag noch in lebhafter Erinnerung, daß das vorletzte, große, gemeinsame Herbstmanöver der Paktarmee gezeigt hatte, daß beträchtliche Streitkräfte auf dem Luftwege aus der Ukraine im Nu in die CSSR verlegt werden können. Im Westen hatte man wiederholten russischen Mitteilungen zufolge den „kleineren Nachrichteneinheiten“, die in die CSSR verlegt wurden, keine gebührende Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl diese wohldurchdachte strategische Aktion als klare Vorbereitung für eine eventuelle größere Luftlandeoperation angesehen werden mußte. Solche rechtzeitig etablierte kleine Formationen mit modernsten Kommunikationsmitteln sind ja die wichtig sten Führungsstäbe für größere Operationen in der Luft.

Obwohl die Sowjetarmee die tschechoslowakische Volksarmee zu jeder Zeit in die Knie zwingen konnte, hatten auch die Sowjetgene- räle große Sorgen, die nicht aus politischen Aspekten und Überlegungen herrührten. Die russischen Armeeführer waren unter anderem wegen des Schicksals der sowjetischen Armeedepots in der CSSR besorgt, die ‘bis zum Bersten mit bestem Kriegsmaterial, mit Waffen, Ausrüstung, Munition, Treibstoff, usw., in zwei Jahrzehnten systematisch angelegt und aufge- fülit worden waren. Wenn diese verloren gehen sollten, würden enorme Verluste entstehen, ganz abgesehen von den strategischen Folgen.

Dem Team Gretschko-Jaku- bowsky lag deshalb alles daran, die CSSR militärisch, unter Bewahrung des Scheins der Legalität und der Friedfertigkeit, zu paralysieren und sich von den Tscbedioslowaken noch bitten zu lassen, in das Land WP- Truppen — vorwiegend Sowjeteinheiten —. zu schicken. Die Prager Führer haben die Absichten durchschaut und verhindert. Bei der Vorbereitung und Durchführung dieser Pläne hatte Moskaus höchster militärischer Beauftragter in Prag (nach außen hin als „Verbindungsoffizier des War- schauer-Pakt-Oberkommandos“ getarnt), Generaloberst A. Kuscht- schew, versagt, deshalb hat der Kreml dihn gegen Ende Juli dieses Jahres abgelöst und an seiner Stelle Generalleutnant Jakschimow nach Prag entsandt. Die Entscheidung wurde von Gretscbko persönlich getroffen, der die zehnjährige Arbeit des abgelösten Generalobersten als „erfolglos" beurteilt hatte.

Interessamterweiise schien die sowjetische Generalität lange Zeit kein einheitliches Unterwerfungskonzept gehabt zu haben. In den vergangenen Monaten bereiste sie zwar häufig die CSSR und mischte sich fleißig in die inneren Angelegenheiten ein, gebärdete sich jedoch oft recht widerspruchsvoll.

Während Marschall Kirill S. Moska- lenko zum Beispiel in Ostrava beschwor, daß Moskau sich „in tschechoslowakische interne Angelegenheiten nicht ainmischen“ wolle, schlug MarschaH Iwan S. Konjew in der Zitadelle der Schwerindustrie in Kladno vor den Stahlarbeitern kriegerische Töne an und unternahm öffentlich den Versuch, einen Keil zwischen die Arbeiterschaft und die aufatmende „Intedtigenisia“ zu treiben.

Aufmarsch statt Abzug

Dann begann das große Spiel mit dem „Abzug der Manövertruppen“, Mehrere kriegsstarke Divisionen fuhren Karussel in der CSSR. Lange Konvois verließen das Land, andere kreisten wie auf einem riesigen Ringelspiel in der CSSR herum. So wurde das Land niemals ganz geräumt. Bei Nachod, Cinovec, Vysne, Nemecke herrschte reger Militär- verlcehr. Obwohl die sogenannten „gemeinsamen Stabsmanöver“ am 30. Juni dieses Jahres zu Ende gingen, wollte es Marschall Jakubowsky gar nicht gelingen, nach mehrmaligem Versprechen und nach Verschiebung der Endtermine die Truppen aus der Tschechoslowakei während sieben Wochen zurückzuziehen. Die Tschechoslowakei die von der sowjetischen Armeeorganisation eine viel bessere Meinung hatten, wurden immer nervöser und mißtrauischer.

Die Tschechen erkannten bald, daß eine militärische Infiltrierunig des Dandes praktisch vollzogen wurde. Eine heftige Diskussion entflammte sich wegen der „offenen Grenze“, worunter man beim Warschauer Oberkommando etwas ganz anderes verstand als im Prager Verteidigung,smmdsterium. Denn die Tsche- choslowaken sind, seit Jahrhunderten auf fremde militärische Besetzung allergisch.

Die zuständigen Kommandeure der tschechoslowakischen Volksarmee versicherten stereotyp und wiederholt, daß die westlichen Grenzen ausreichend durch eigene Kräfte bewacht werden.

Indessen hatte das Parteipräsl- diuim die Liquidierung der berüchtigten achten Abteilung des Zentralkomitees beziehungsweise die Rückversetzung ihres Chefs, des progressiven Generalleutnants Vaclav Prchlik, auf Sowjetwunsch zur Volksarmee beschlossen. Es war noch nicht lange her, als die besagte, befürchtete Abteilung unter der Leitung des Novotny-Mannes Miroslav Mamula im ganzen Lande unbeschränkte Macht und Terror lauisigeübt hatte. Die besagte ZK-Abteilunig war eigentlich ein SuperminSaterium, das für die Parteipolit’ik in der Armee die Verantwortung trug. Ihr Einfluß , war auch bei den Sicherheitsarganen, sowie bei der Justiz und im Büro des Generalstaatsanwaltes unbeschränkt. Schon das Aktionsprogramm der KP, das im vergangenen April angenommen wurde, sah indirekt die Auflösung dieser allmächtigen Abteilung vor. Ein neues Zentralorgan war für die Übernahme der Befugnisse der Abteilung acht vorgesehen, das den Namen „Staatsverteidigungsrat" bekam. Selbst General Prchlik erblickte in dieser Reform eine moderne Wendung und war seinerzeit erfreut darüber, daß diese höchste Körperschaft in Zukunft die neue, korrekte Parteipoliltiik in der militärischen Sphäre vertreten würde. Die progressive Maßnahme wurde übrigens viel früher beschlossen als die Sowjets die Absetzung des Generals gefordert haben. Bekanntlich hat Prchlik die Reform das Warschauer Militärpaktes öffentlich verlangt, was man ihm in Moskau nicht verzeihen konnte. Dubcek konnte Prch- lich nicht im Stich lassen, weil der General in den kritischesten Tagen ihn am energischesten unterstützt hatte.

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