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Aufmarsch der Gladiatoren

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Der Gongschlag ertönte. Die Volkspartei hat als letzte der Parteien in Niederösterreich die Kandidaten für die kommenden Nationalratswahlen nominiert. Aber wenn auch die Gladiatoren marschieren, sie werden sich nur Scheingefechte liefern. Das Wort haben die Parteimanager, die Werbetexter, die Propagandaautobusse. Slogans, Schlagworte und Parolen sollen das Heer der Ungewissen, das heuer angeblich größer sein soll als es bei den vergangenen Nationalratswahlen war, zu dieser oder jener Entscheidung aufrufen.

Gibt es jenseits von Volksfront und Schillinghysterie nicht auch noch Programme und Personen, manchmal sind es sogar Persönlichkeiten, die dafür verantwortlich zeichnen, daß die propagierten Grundsätze nicht leere Schlagworte bleiben? Es ist nicht nur der „moderne Stil“ des Wahlkampfes, der Programme wie Waschmittel anpreist, der den Volksvertreter in spe vor der Wählerschaft zurücktreten läßt. Leider ist auch unser Listenwahlsystem nicht dazu geeignet, den Kontakt zwischen Wähler und Mandatar besonders eng zu gestalten.

Fällt die Entscheidung wirklich nur zwischen Klaus und Pittermann? Dann wäre es ja müßig die Kandidatenlisten genauer unter die Lupe zu nehmen, dann könnte man sie ja auch mit Strohmännern besetzen. Wir glauben aber, daß — zumindest beim kleinen „Fußvolk“ der Parteien — auch der Volksvertreter, der sich in mühevoller Kleinarbeit seine Sporen verdient hat, eine nicht unwesentliche Ausstrahlungskraft besitzt. Vielleicht wird sie von den großen Wahlstrategen manchmal unterschätzt.

Die Kandidatenauslese

Nach den Statuten der großen Parteien entscheiden die kleinen und mittleren Funktionäre, wer auf die Liste kommt. Die entscheidende Reihung wird allerdings von einer Randvoll oberster Parteiführer bestimmt. Der kleine Mann könnte nur durch Reihen und Streichen am Wahltag zur Auslese beitragen, aber die Angst, daß dadurch der Stimmzettel ungültig würde, hält viele — vor allem bei Nationalratswahlen — davon ab.

Nun ein Blick in die Kandidatenlisten der Parteien in den vier Wahlkreisen — sie sind identisch mit den vier Vierteln — des Landes unter der Enns.

Bei der Volkspartei fiel die letzte Entscheidung erst jüngst in einer Marathonsitzung im Niederösterreichischen Landhaus. Es ging vor allem darum, ob die Altersgrenze strikte eingehalten werden sollte. Von den Delegierten des Gmünder Bezirkes war der 68jährige Präsident der Handelskammer Niederösterreich und Steinmetzmeister, Kommerzialrat Cerny, wieder für die Kandidatur vorgeschlagen worden. Hartmann, Müllner und Scheibenreif sollen jedoch vor einer Durchbrechung der Altersgrenze gewarnt haben, macht man nämlich einmal eine so deutliche Ausnahme, so kann man eine Lawine auslösen. Sie wäre zwar diesmal nicht abgegangen, weil das derzeitige ÖVP-Team in Niederösterreich noch keineswegs überaltert ist.

Bei der Volkspartei wird daher außer Cerny nur noch der langjährige Landesparteisekretär und Bürgermeister von Klosterneuburg, Nationalrat 'Weinmayer, aus dem Hohen Haus ausscheiden. Weinmayer legt übrigens sein Mandat vor allem aus Gesundheitsgründen zurück.

Hartmanns Verzicht

Etwas Überraschung löste die Nachricht im Waidviertel aus, daß die Nachfolge von Cerny nicht der junge Bürgermeister von Zwettl, Franz Eigl, antreten wird, sondern der Direktor der niederösterreichischen Handelskammer, Dr. Arthur Mussil. Man argumentiert damit, daß der Wirtschaftsbündler Eigl ebenso wie Nationalrat Dr. Haider, der Obmann der Bauernkrankenkasse, im mittleren Waldviertel seinen Sitz hat. Dr. Mussil wohnt zwar auch nicht in Gmünd, aber seine Frau stammt aus der Grenzstadt, und daher halte sich der Herr Kammer amtsdirektor häufig im oberen Waldviertel auf.

In vergangenen Jahrzehnten war die ÖVP-Liste in Niederösterreich von Julius Raab und Leopold Figl angeführt worden. Figl hatte bekanntlich auch noch als Landeshauptmann für den Nationalrat kandidiert. Politische Auguren meinten nun, daß Dipl.-Ing. Hartmann, wohl zur Zeit der populärste Niederösterreicher, dem Beispiel seines Vorgängers folgen würde. Hartmann lehnte jedoch im Hinblick auf seine übrigen Funktionen eine Kandidatur ab.

Im Wald- und Weinviertel wird nun VP-Generalsekretär Doktor Withalm als Spitzenkandidat fungieren, im Viertel unter dem Wienerwald Verteidigungsminister Doktor Prader. Ob es günstig ist, daß der Obmann der Landes-Landwirt- schaftskammer, ökonomierat Scheibenreif, im St. Pöltner Wahlkreis an erster Stelle gereiht wurde, wo er bei der nichtbäuerlichen Bevölkerung kaum bekannt sein dürfte, bleibt abzuwarten. Withalm oder Prader — übrigens ein gebürtiger St. Pöltner — hätten hier vermutlich mehr Durchschlagskraft besessen. Bekanntlich fehlen den Sozialisten hier nur 48 Stimmen auf ©in weiteres Grundmandat.

Bemerkenswert ist, daß Frau Nationalrat Lola Solar wieder mit einem sicheren Platz auf der ÖVP- Liste bedacht wurde. Alles ln allem befindet sich unter den 18 Mandataren der Volkspartei, die — falls die Wahl nicht ungünstiger für die VP ausgeht als 1962 — mit einem Sitz im Hohen Haus rechnen können, eine Reihe von gerade beim kleinen Mann beliebten Volksvertretern. Zu diesen gehören ohne Zweifel die Nationalräte Leisser, Gram, Graf und Haider.

sten in Niederösterreidi fungieren Außenminister Dr. Kreisky (Viertel ober dem Wienerwald), Innenminister Czettel (Viertel unter dem Wienerwald), der Amtsdirektor der Nie- derösterreichischen Arbeiterkammer, Erwin Steinmaßl (Waldviertel), und der Landtagsabgeordnete Walter Mondl (Weinviertel).

FP0: Wenig Hoffnungen

Die Freiheitliche Partei präsentiert den Wählern im Lande unter der Enns auf ihrem bisher sichersten Platz, der allerdings diesmal auch in Frage gestellt ist, den Landesparteiobmann Wilhelm Kindl. Für die FPÖ, die es 1962 noch auf ein Restmandat brachte, ist allerdings die Gefahr gegeben, daß sie am 6. März vollends zerrieben wird. Schon auf Grund der bei den jüngsten Landtagswahlen erzielten Stimmen hätte sie ihr Mandat eingebüßt; es ist kaum anzunehmen, daß sich das Image der Freiheitlichen seither in Niederösterreich gebessert hat.

Fünf von vierzehn

Bei den Sozialisten scheiden auf Grund der Altersgrenze in Niederösterreich nicht weniger als fünf der 14 Abgeordneten aus. Darunter sind der Landesparteiobmann und Agrarexperte der SPÖ, Ernst Winkler, und der Wiener Stadtschulratspräsident, Dr. Max Neugebauer — mit ihm nimmt einer der wenigen profilierten Katholiken der Linken vom Parlament Abschied. Auch in Niederöster- rieich darf man nicht unberechtiglt fragen (nimmt man den angesehenen St. Pöltner Abgeordneten Regierungsrat Pfeffer aus): Wie viele der sozialistischen Kandidaten zum Nationalrat haben überhaupt ein Religionsbekenntnis? Früher erklärte man uns, die Sechzigjährigen in der Partei sind nun einmal aus Tradition konfessionslos, wir können sie nicht hinausschmeißen. Mag sein. Aber wie ist das nun bei den jetzt Vierzigjährigen? Warum werden in der Regel immer nur solche Funktionäre in der SPÖ nach oben „getragen“, die keiner christlichen Konfession sich zugehörig fühlen? Es gibt auch andere Funktionäre in den Städten und Gemeinden, aber sie kommen nicht zum Zug.

… und Olah?

Sicherlich wird auch der ehemalige Innenminister Franz Olah der Partei der Unzufriedenen Stimmen wegnehmen, auch wenn man ihm nur geringe Mandatschancen einräumt. Daß Olah auch in den vier Vierteln des Landes unter der Enns die Liste der DFP anführt, ist wohl selbstverständlich. Es läßt wohl auf die Struktur seiner Partei schließen, daß sich die Kandidaten der DFP fast durchweg aus „abgefallenen Sozialisten“ (meist SPÖ-Betriebs- oder Gemeinderäte) rekrutieren.

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