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Auseinanderstrebende Interessen

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Die Interessen der Vereinigten Staaten von Nordamerika und der Vereinigten Staaten Lateinamerikas sind verschieden. Der Norden hat politisch-militärische, der Süden wirtschaftliche Probleme. Washington will erreichen, daß sich der Kontinent zusammenschließt, um automatisch gemeinsam jeden östlichen Brückenkopf in Amerika, wie er in Kuba weiter besteht, auszumerzen. Brasilien wollte die „Interamerikanische Friedesstruppe“ jetzt über die Hintertreppe in das Statut der OAS bugsieren, indem es vorschlug, ein „Militärisches Beratungskomitee der OAS“ zu errichten. Obwohl die Militärregierungen in Argentinien und Paraguay diese Kollektivintervention befürworten, ist der Widerstand der Demokratien — mit Chile und Mexiko an der Spitze — so stark, daß Brasilien seinen Antrag zurücknimmt. Die Neufassung der Charta enthüllt so vielschichtige und komplizierte Gegensätze, daß die amerikanischen Außenminister sie in fünf Tagen, die sie diesem Problem widmen wollen, kaum klären, sondern einer weiteren Tagung überweisen dürften.

Da die Neufassung der Charta zum Teil davon abhängt, wie weit sich die USA in Südamerika engagieren wollen, wäre diese Vertagung sogar logisch. Denn die Außenminister treten weiter zu ihrer „XI. Beratenden Konferenz“ zusammen. Sie soll beschließen, ob die amerikanischen Präsidenten — möglicherweise am 12. April in Punta del Este — tagen sollen.

Als Ziel der Präsidententagung wird die Neubelebung der „Allianz für den Fortschritt“ und die Bildung eines „lateinamerikanischen gemeinsamen Marktes“ proklamiert.

In der „Charta von Punta del Este“ war nicht vorgesehen, daß die USA die ganzen Entwicklungspläne finanzieren. Sie sollten im Jahr zwei Milliarden Dollar aufwenden, die lateinamerikanischen Staaten aber 20. Die Wirtschaftslage in den meisten Ländern ist so schlecht, daß sie fieberhaft Banknoten ohne Deckung drucken, um verspätet die Beamtengehälter zu zahlen, öffentliche Gelder stehen also für die Entwicklung nur in geringem Umfang zur Verfügung.

Der zweite Grund ist die fehlende Bereitschaft, die Opfer zu bringen, die „der Sprung über ein Jahrhundert“ erfordert. Aus Washington wird jetzt wieder darauf hingewiesen, daß von allen Strukturveränderungen, die mit der „Allianz“ erreicht werden sollten, die wichtigste auf dem Agrarsektor erfolgen muß. Nach einer UN-Statistik beuten in Lateinamerika 1,5 Prozent der Agrarier 50 Prozent des anbaufähigen Landes aus. Der Übergang von der extensiven zu der intensiven Land- und Viehwirtschaft ist nicht nur für die Rentabilität der lateinamerikanischen Wirtschaften, sondern auch für die Ernährung der explosiv wachsenden Bevölkerung unerläßlich. Er ist nur möglich, wenn der Großgrundbesitz auf Einheiten von höchsten 2500 Hektar reduziert wird.

Die neun Sachverständigen, denen die „OAS“ die Planung für die etwaige Tagung der amerikanischen Präsidenten anvertraute, haben die Bildung eines „gemeinsamen lateinamerikanischen Marktes“ vorgeschlagen. Washington legt jetzt den Plan vor, als ob er neu wäre. In Wirklichkeit deckt er sich völlig mit den Vorschlägen, die von der „UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika“ (CEPAL) und der „Interamerikanischen Entwicklungsbank“ (BID) seit Jahren gemacht werden. Er dürfte keine größeren Chancen dadurch haben, daß er jetzt aus einer anderen Schublade hervorgeholt wird.

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