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Bankkrach ist Staatskrise

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Der Bankrott der Beiruter „IntraBank“ zieht — ein halbes Jahr nach der aufsehenerregenden Flucht ihres Gründers, Jussuf Beidast nach Südamerika — noch immer Kreise. Nachrichten über Vernehmungen prominenter Persönlichkeiten oder Verhaftungen Beteiligter dringen regelmäßig an die beunruhigte Öffentlichkeit. Der Abzug ausländischer Kapitalien nach der Schweiz,

Liechtenstein und Luxemburg ist nicht nur unter Bankiers offenes Geheimnis. Bisher unwiderlegte Gerüchte ziehen auch den Präsidenten Charles Helou in die Affäre.

Der Bankkrach ist, in Wirklichkeit, eine Staatskasse. Kenner der Verhältnisse sehen im Ende der Beidas-Bank ein Symptom für den unaufhaltsamen Zusammenbruch der traditionellen politischen,wirtschaftlichen und sozialen Struktur Libanons. Beidas' Bankrott sei nicht Ursache, sondern erstes sichtbares Ergebnis einer immer deutlichere Kontoren gewinnenden inneren Entwicklung. Der ausländische Kapitalabzug sei weniger eine Folge, sondern eine Voraussetzung des „Intra“-Konkurses gewesen.

Es gärt im Beiruter Offlzierscorps. Viele Soldaten sympathisieren offen mit nasseristischen Parolen. Ihre Hauptbeschäftigung ist Warten auf die Revolution. Ähnliches gilt für manche Staatsbeamte. Das politische Establishment ist erschüttert. Präsident Helou ist, durch die „Intra“-Affäre, nicht weniger kompromittiert als vor ihm Präsident Schamun, der 1958 seine Amtsperiode widerrechtlich ausdehnen wollte, einem Umsturz durch amerikanische Truppenlandungen zuvorzukommen suchte und schließlich doch zurücktreten mußte. Helou verweigerte bisher die

Demission und entfernte nur einige belastete Minister und Beamte. Sedner Regierung durchaus nicht unfreundlich gesinnte westliche Beobachter befürchten, der Präsident bestärkte dadurch die innerpoliti-sohen Linkstendenzen.

Für letztere gibt es alarmierende Indizien. In Kairo erörterte kürzlich Kemal Jumblat, Drusenführer und einflußreicher sozialistischer Politiker, ideologische Aspekte der libanesischen Innenpolitik mit Präsident Abdel Nasser. Bei dem Gespräch ging es um Libanons „eigenen Weg zum arabischen Sozialismus“. Ex-bankchef Beidas soll Ägypten bekanntlich Millionenkredite zugeschanzt haben. Ein Teil der libanesischen Presse läßt sich von Ägypten finanzieren und beschimpft heftig die arabischen Gegner Abdel Nassers. Eine Schlüsselposition besitzt der Kairoer Botschafter, General Ghaleb. Manche bezeichnen ihn als Geheimdienstfachmann und behaupten, er sei verantwortlich für die ägyptische Subversion im gesamten ostarabischen Raum. Tatsächlich ist der Diplomat, der sein Land seit 14 Jahren in Beirut vertritt, ein gewiegter Kenner libanesischer Verhältnisse. Die Sunniten ziehen ihn angeblich bei allen wichtigen Entscheidungen zu Rat.

Ghalebs Ratschläge, ägyptische propagandistische Unterstützung, mangelnde Loyalität der Beamtenschaft, revolutionäre Stimmung unter den Militärs und ehrgeizige Machtträume oppositioneller Politiker machten die Linke zum gefährlichen Gegner der Regierung und zwingen diese zu immer häufigerer Durchlöcherung der früher strikt beachteten Neutralitätspolitik. Als der iranische Botschafter vor einiger Zeit ein gegen den ägyptischen Präsidenten gerichtetes Kommunique veröffentlichte, mußte er das Land verlassen, und es kam zum zeitweiligen Bruch mit seiner Regierung. Die anderen diplomatischen Vertretungen in Beirut wurden schriftlich aufgefordert, alles zu unterlassen, was die libanesischen Beziehungen zu dritten Ländern beeinträchtigen könnte. Unlängst griff der republikanisch-jemenitische Geschäftsträger den saudischen Monarchen Feisal ähnlich direkt an, ohne daß dies zu Konsequenzen führte. Das Außen-mänisterium wies einen saudischen Protest zurück. In Er-Riad verhehlte man daraufhin nicht den Ärger über diese einseitige „Neutralitätspolitik“.

Die gleiche Rücksichtnahme auf die mächtige nasseristische Linke und die ägyptischen Interessen bewerkstelligte kurz darauf eine gefährliche Justizmanipulation. Der Prozeß gegen die wahrscheinlich vom ägyptischen Geheimdienst angeheuerten Mörder des anti-nasseristisch und westlich eingestellten prominenten Journalisten Kamel Murruwe erlebte nuir zwei Sitzungen. Politische Beobachter sind beinahe sicher, daß er nicht fortgesetzt wird.

Hinzu kommen periodisch auftretende Bestechungsaffären in der Presse, die beweisen, wie große Mittel ägyptischerseits für die pronasseristische Subversion ausgegeben werden.

Dem Westen freundlich gesinnte Politiker und Journalisten, wie der Chefredakteur des englischsprachigen Beiruter „Daily Star“, Dr. Omar el-Khali, und Wirtschaftskreise sind bestürzt über diese Entwicklung. Sie betonen, die Nachgiebigkeit der Regierung gegenüber den aggressiven Linkskreisen und gegenüber Ägypten habe der libanesischen Wirtschaft wesentlich mehr geschadet, als von amtlicher Seite zugegeben werde. Beirut erlebe gegenwärtig die erste ernste Krise als Umschlagplatz ausländischer Finanz- und Handelsinteressen und Hort des einzigen liberalen nahöstlichen Wirtschaftssystems seit Erlangung der Unabhängigkeit. Präsident Helou sei drauf und dran, Im Libanon eine ähnliche verhängnisvolle Rolle zu spielen wie sein Damaszener Amtskollege KuweitU vor Gründung deT syrisch-ägyptischen VAR (1958). Er beuge sich ständig Innerem und äußerem Druck, um an der Macht zu bleiben, die er aber um so sicherer verliere, je mehr er ihm nachgebe

Das Ist gewiß übertrieben, aber e? spiegelt drastisch die Furcht liberaler Libanesen vor dei Zukunft wider. Rote Wolken ziehen vom südlichen Mittelmeer her über den Libanon.

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