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Behebung der Leitungsstörungen

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Walter schwimmer, Wiener ÖAAB-Chef, gibt selbstkritisch Auskunft darüber, wie die Volkspartei als Kraft der Mitte wieder glaubwürdig werden will.

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Walter schwimmer, Wiener ÖAAB-Chef, gibt selbstkritisch Auskunft darüber, wie die Volkspartei als Kraft der Mitte wieder glaubwürdig werden will.

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DIEFURCHE; Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Maßnahmen, die die ÖVP setzen muß, um wieder glaubwürdig zu werden? Ich habe einmal geschrieben, Wolf gangSchussel sollfünf Sätze sagen, wofür diese ÖVP steht Meiner Meinung nach ist er im Phrasenhaften steckengeblieben Walter Schwimmer: Wolfgang Schüssel hat einen wesentlichen, zentralen Satz gesagt: Für ihn ist wichtig, wofür er steht. Das ist fast unabhängig davon entstanden, daß der OAAB-Wien am Bundesparteitag einen Antrag mit einem Zehn-Punkte-Katalog, wofür wir stehen, eingebracht hat. Die Menschen wollen von einer politischen Partei Führung und Orientierung. Schüssel hat das richtig erkannt. Es ist jetzt der richtige Moment zu sagen, wir sind die Kraft der Mitte, die nichts am Hut hat mit links- oder rechtsextremen Tendenzen. Der normale Bürger mit seinen Ängsten, Sorgen, Anliegen und Wünschen soll in uns einen politischen Ansprechpartner haben.

DIEFURCHE: Ist es nicht so, daß gewisse Dinge, die die Mitte früher mitgetragen hat, grüne oder liberale Ideen, jetzt von links und rechts aufgesogen wurden - und jetzt, nachdem das weg ist, bezeichnet die Mitte das einfach als Extreme?

SCHWIMMER: Es ist eine brisante Situation. Das Geführliche liegt darin, wenn wichtige Anliegen der Menschen, egal ob es um Umwelt oder Sicherheit geht, von Extremen vereinnahmt werden, die sagen, Sicherheit gibt's nur, wenn man den blauen Bataillonen folgt, saubere und geschützte Umwelt ohne Atomgefahr gibt's nur, wenn man den Grünen - von den parlamentarischen bis zu den TAT-blatt-Grünen - folgt. Das birgt eine Gefahr, denn das polarisiert

DlEFrRCHK: Aber die gutbürgerlichen Grünen, die gutbürgerlichen Freiheitlichen oder Liberalen, die ja nicht extrem denken, sondern nur Orientierung und Führung auf einer bestimmten Linie suchen, verliert man die nicht durch solche Aussagen? Wenn ich beispielsweise in Wien an die Josef Städter Grünen denke, die haben nichts mit dem TATblatt am Hut, deswegen haben sich die Parlamentsgrünen über die Aussagen von Klubobmann Andreas Khol so aufgeregt (siehe auch Furche-Interview in Nr. 19, Sehe 4). SCHWIMMER: Wenn sich die Josefstädter Grünen aufregen, verstehe ich das. Die im Parlamentsollen sich einmal an der eigenen Nase nehmen. Wenn ich mich beim Herrn Thaler (einem der Attentäter von Ebergas-sing, Anm. d. Bed.) bei seinem dritten Wehrdienstverweigerungsprozeß -und zwar Totalverweigerungsprozeß - demonstrativ-solidarisch in die erste Beihe setze, dann habe ich nicht Solidarität mit jemandem bekundet, der für Gewaltfreiheit eintritt, sondern mit jemandem, der durch sein tragisches Ende das Gegenteil bewiesen hat. Und auch Liberalität ist für mich immer und in allererster Linie Achtung und Bespekt vor anderen Meinungen. Das verträgt sich mit Extremen auf gar keinen Fall. Extreme leben von Polarisierungen, in erster Linie vom Anti-Effekt, der sehr wirksam sein kann, der augenblicklich Innenminister Caspar Einem sehr zugute kommt. Das zeigt, wie wichtig eine Mitte ist, die aber nicht profillos sein darf, sondern klare Konturen haben muß, damit eben die Orientierung und die Führung auf einem Kurs der Mitte stattfinden kann. Die Position der Mitte hat sehr viel mit Werten zu tun, die man nicht durch Polarisierungen aufs Spiel setzen darf. Wobei natürlich der Kampf um die Mitte sehr stark ist. Ich glaube aber, daß in der geistigen, nicht in der politischen Auseinandersetzung, da muß ich leider Abstriche machen, das christlich-demokratische, christlichsoziale Element in Wahrheit den Kampf um die Mitte gwonnen hat. Das zeigt sich auch darin, daß die Sozialdemokraten heute weit eher für ähnliche Werte eintreten als für marxistische.

DIEFURCHE: Manchmal hat man jetzt den Eindruck, daß in der Mitte darüber Freude herrscht, daß auf der Linken etwas passiert ist Bisher haben sich Medien nur auf die Rechte eingeschossen Und jetzt hat man endlich den Grund, den Linken eins auszuwischen Otto Molden hat mir unlängst gesagt, der Innenminister sei unhaltbar, detto Vranitzky, weil er nicht kontrolliert habe, und auch Schüssel, weil er zu wenig gegen Caspar Einem ankämpfe. SCHWIMMER: Es wäre das Schlimmste, wenn die Herrn Extremisten von Ebergassing gleich eine ganze Begie-rung in die Luft gesprengt hätten mit ihrem verunglückten Terrorakt. Freuen kann sich darüber nur einer, der auf einer extremen Seite steht. Nur: um glaubwürdig zu sein auch im Kampf gegen die rechtsextreme Szene, darf es keine Verniedlichung oder Verharmlosung von linkem Terror geben. Ich finde es dilettantisch bis gemeingefährlich, zu sagen, der eine Terror richtet sich gegen Personen, der andere nur gegen Sachen.

DIEFURCHE: Bei den Südtirol-Bümsern hatte man seinerzeit seitens der ÖVP viel Sympathie - man wies darauf hin, daß es zu keinen Personenschäden ge-

der innenminister

hat die Unterstützung der OVP, wenn er aus der Diskussion gelernt hat und daran arbeitet, zur Exekutive Vertrauen herzustellen.

kommen sei

SCHWIMMER: Mag sein. Aber immerhin war es eine ÖVP-Begierung, die, bei aller Sympathie für Südtirol, damals für die Sicherung der Grenze gesorgt hat, damit dem Terror der Nach -schub entzogen wird. Fine Verniedlichung oder Verharmlosung kann man also der ÖVP nicht vorwerfen -bei manchem Verständnis für die Motive, daß das als Akt des nationalen Widerstands angesehen wurde, bei dem man sicher die Unterscheidung treffen kann gegenüber anderen nationalen Widerstandsbewegungen, die Menschen nicht geschont haben. Aber bei innenpolitischem Terror, der-ausschließlich extremen Zielen dient, halte ich so eine Unterscheidung für eine wirklich gemeingefährliche Verharmlosung, fast als eine Aufforderung, weiterzumachen. Wird die rechtsextreme Szene harmloser und weniger bekämpfungswürdig, wenn sie keine Briefbomben mehr verschickt, sondern Strommasten in die Luft jagt?

DIEFURCHE: Hat der Innenminister die ÖVP-Unterstützung, wird er seine Aufgabe erfüllen können? SCHWIMMER: Ich hoffe es, daß er sie erfüllen kann. Der Innenminister ist von der SPÖ nominiert, er steht ihr laut Arbeitsübereinkommen zu. Seine Spenden ans TATblatt, auch wenn er es nicht gelesen hat, gefallen mir nicht...

DIEFURCHE: Ein ungutes Gefühl haben Sie nicht, der Juniorpartner in der Koalition kämpf nicht gegen Einem? SCHWIMMER: Wenn er die Diskussion als eine entsprechnde Warnung empfunden hat, daß er sich auch um Vertrauen in der Exekutive bemühen muß, daß er der Exekutive das Gefühl zurückgibt, daß ihre Arbeit geschätzt ist, daß Leute, die ihren Kopf hinhalten, die im Streifenwagen sitzen und nicht wollen, daß dieser abgefackelt wird, wozu das TATblatt aufgerufen hat - wenn er das jetzt zum Anlaß nimmt, hier ein gutes Verhältnis herzustellen und die Exekutive zu stärken, dann hat er für diese Arbeit die Unterstützung der ÖVP.

DIEFURCHE: Jörg Haider sieht die Säulen der Republik wanken Sagt er da nicht etwas über sich aus? SCHWIMMER: Zu den Säulen der Bepublik zähle ich ihn nicht...

DIEFURCHE: Droht unserem Staat aber eine wirkliche Gefahr? SCHWIMMER: Ich glaube, daß ein Staat nicht auf Säulen, sondern auf einem Fundament ruht, und das sind die Menschen, die in diesem Staat leben und arbeiten. Und die sind in Ordnung. Und wir müssen nur danach trachten - und da gebe ich offen zu, daß die Bezepte dafür fehlen - die Kommunikation zwischen der Politik und diesem Fundament wiederherzustellen. Die Leitungen sind vielleicht gestört, nicht die Säulen. Mier Leitungsstörungen lassen sich beheben.

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