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Berufsoptimisten und Untergangspropheten

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Endzeit - die meisten Menschen verbinden damit Vorstellungen von gewaltigen Katastrophen, unsäglichem Leid, Vernichtung ganzer Länder, Angst ... Tatsächlich wird der Begriff aber in zwei Bedeutungen verwendet. Er bezeichnet zunächst jene Geschichtsperiode, die von der Geburt Christi bis zu seinem Kommen in Herrlichkeit reicht, die Zeit der Gnade, die vor 2000 Jahren begann.- Von ihr spricht Petrus in seiner Pfingst-predigt unter Hinweis auf den Propheten Joel: „Und es soll geschehen in den letzten lagen, spricht Gott, ich will ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch.”

Im engeren Sinn bezeichnet Endzeit allerdings die Periode, die dem Ende der Geschichte, der Wiederkunft Christi, unmittelbar vorausgeht. Von dieser Wiederkunft ist im Neuen Testament mehr als dreihundertmal die Rede. Es handelt sich also um eine zentrale Wahrheit der christlichen Verkündigung.

Es ist aber eine Wahrheit, mit der sich unsere Zeit schwertut, ist sie doch vom Evolutionsdenken geprägt. Es gehe aufwärts, ist eines der Dogmen der Moderne, das sich auch von düstersten Prognosen nicht wirklich erschüttern läßt. Typisch für diese waren die Alarmrufe des „Club of Ro-me” zu Beginn der siebziger Jahre: Aufgrund von Computersimulationen hatte diese seither berühmt gewordene Gruppe von Experten errechnet, daß ohne einschneidende Trendkorrekturen mit weltweiten Katastrophen in der ersten Hälfte des nächsten Jahrhunderts zu rechnen sei. Zu hoher Bohstoffverbrauch, Überbevölkerung und Umweltverschmutzung würden das Weltwirtschaftssystem mit verheerenden Folgen zusammenbrechen lassen.

Im Gefolge dieser Arbeit „Grenzen

Jahrtausendwende:

Hochkonjunktur für Prognosen drohender Katastrophen und Visionen vom Weltuntergang. Ein Appell zur Gelassenheit. des Wachstums” kam eine Fülle von Untersuchungen zu ähnlichen Ergebnissen. Titeln wie „Kurs auf den Eisberg”, „Das menschliche Dilemma”, „Ein Planet wird geplündert”, „Stirbt der blaue Planet?”, „Der tödliche Fortschritt”... waren Bestseller.

Diese Zukunftsangst wurde in den achtziger Jahren, insbesondere nach dem Ende des Kommunismus wieder zurückgedrängt. Sie koexistiert nun mit einem vom Wirtschaftsliberalismus gepushten Optimismus, der die Globalisierung als Weg zu bisher nicht gekanntem Wohlstand propagiert. Gestützt wird diese Hoffnung von sensationellen Neuerungen in der Medizin, der Gen- und Datenverarbeitungstechnik, der Entwicklung neuer Materialien ... Aus dieser Sicht scheint alles machbar.

Das läßt aber die Mahner nicht verstummen: Sie verweisen auf katastrophale Folgen von Klimaerwärmung und Ozonloch, steigender Kriminalität und Ungastlichkeit der Städte, von explodierender Arbeitslosigkeit, eskalierendem Nord-Süd-Konflikt und organisiertem Verbrechen ...

Ähnlich gespalten ist die Haltung jener, die unsere Situation aus religiöser Sicht beurteilen. Die einen sind dazu übergegangen, die Texte der Bibel über das Ende rein mythisch zu in -terpretieren. Typisch dafür eine Predigt im Wiener Dom. Da hieß es sinngemäß, die „schaurigen Texte vom Ende der Welt” dürfe man keinesfalls wörtlich nehmen. Es seien nur Bilder, die nichts über die Zukunft, sondern über den Ernst des Lebens jedes Menschen aussagten. Wie oft habe-man schon den Weltuntergang vorhergesagt - und nichts sei geschehen (Seite 18 und 20). Alles Humbug.

Demgegenüber steigt die Zahl jener, die das wachsende Unbehagen über die Entwicklung der Welt für die Propagierung ihrer Heilsangebote nutzen. Die zunehmende Anhängerschaft der Esoterik, die Anziehung satanischer Bituale haben etwas mit der

Erfahrung mangelnder Perspektiven für morgen zu tun. Die „Prognosen” des Astrologen Nostradamus (16. Jahrhundert), der für 1999 einen verheerenden Krieg voraussieht, erfreuen sich größter Beliebtheit (eine halbe Million verkaufte Exemplare alfein in Erankreich). Viele Sekten erklären, der Untergang stehe demnächst bevor (Seite 20) und haben enormen Zulauf. Die Runde machen auch verschiedene Visionen, etwa jene des Bayern Alois Irlmaier, der vor 50 Jahren einen dritten Weltkrieg vor der Jahrtausendwende vorhersah (ausgehend von Rußland, Einsatz von Atomwaffen, enorme Panzerheere ...). Von einer dreitägigen Finsternis im Gefolge schrecklicher Ereignisse sprach nicht nur er, sondern eine Reihe anderer Seher (Julie JahennyTheresa Higginson, Jeanne Ramonet...)

Ernste Warnungen ergingen auch bei Marienerscheinungen: Im französischen I ,a Salette warnte die Gottesmutter vor 150 Jahren besonders eindringlich vor drohenden Katastrophen, in Fatima 1917 vor allem vor dem Zweiten Weltkrieg (beide kirch lieh anerkannt). Von einem dritten, dem Papst zugeleiteten, aber nicht veröffentlichten Teil der Fatima Bot schaft kursieren mehrere dramatische Textvarianten (das reizt die vie-len„Untergangsspezialisten”). Faktum ist jedenfalls, daß viele (kirchlich allerdings nicht anerkannte) Marienerscheinungen an vielen Orten der Welt ähnliche Warnungen enthalten.

Man wird diesen aber nicht gerecht, wenn man nur deren Warnungen herumreicht, ohne die eindringlichen Appelle zur Umkehr und Glaubenserneuerung, die jeweils der Schwerpunkt dieser Erscheinungen sind, in den Vordergrund zu stellen.

Genau dieses Anliegen haben ja auch die biblischen Aussagen (Seite 18). Man darf aus ihnen keinen Gruselroman machen. Sie sind für Zeiten äußerster Bedrohung geschrieben und sollen gerade dann Hoffnung machen, sollen vor Katastrophen bewahren, nicht aber krankhaftem Todestrieb Nahrung bieten.

Was aber bewahrt vor Katastrophen? Die Hinwendung zu Gott. „Endzeiten” - und von diesen hat es ja schon viele gegeben - sind stets Folgen der Abwendung von Gott: im Paradies, vor der Sintflut, vor der Zerstörung von Sodom, der babylonischen Gefangenschaft der Juden, der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70, am Ende der Zeiten.

In den apokalyptischen Schriften der Bibel wird die Geschichte der Menschheit als gigantischer Kampf zwischen Gott und Satan gedeutet. Aus der Entscheidung in diesem Ringen kann sich der Mensch, kann sich die Menschheit nicht herausstehlen. Untergang droht überall dort, wo diese Entscheidung gegen Gott ausfällt, am Ende der Zeiten auf globaler Ebene.

Aber all diese Zeichen sind, wie gesagt, nicht zur Erstellung eines Untergangskalenders bestimmt. Wer immer Daten angibt, stellt sich außerhalb der Heiligen Schrift, denn niemand kennt den Tag und die Stunde. Daher geht die Kirche auch - trotz aller bedenklichen Zeichen, die es heute zweifellos gibt - gelassen auf die Jahrtausendwende zu. Papst Johannes Paul II. lädt die Christen ein, im Jahr 2000 ein Jubeljahr zu feiern und auf dem Weg dorthin, die Tore weit für Jesus Christus zu öffnen. Das ist das beste Gegenmittel gegen Unter-gangshysterie.

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