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Buddhas Lehre gegen Raffgier

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Für die thailändische Regierung ist der Soziologieprofessor der Thammasat-Universität in Bangkok ein lästiges, stechendes Insekt- ein notorischer Störenfried, der den offiziellen Kurs der Regierung unentwegt kritisiert. Denn wie Singapur, Taiwan, Korea und Hongkong soll Thailand nach dem Willen der Militärs und c?er Regierung den Sprung nach vorne in eine florierende kapitalistische Industriewirtschaft schaffen und der „fünfte üger" Südostasiens werden.

Sulak Sivaraksa ist ein unermüdli eher Kritiker der strukturellen Gewalt, die untrennbar mit solchen Modernisierungsprogrammen verbunden ist. Denn nicht nur in Thai land, auch in anderen sogenannten Entwicklungsländern verliert die einheimische Bevölkerung dadurch ihre traditionellen Lebensgrundlagen - zugunsten der Konsumenten der reichen Nordhalbkugel. Hier lebt nur ein Viertel der Erdbevölkerung und konsumiert mehr als 60 Prozent der Lebensmittel der Erde; 85 Prozent der Wälder der Erde, und 70 Prozent Energie der Welt. Gleichzeitig aber lebt über eine Milliarde der Menschen im Süden oder in der sogenannten Dritten Welt in absoluter Armut.

Für den praktizierenden Buddhisten Sulak Sivaraksajst das ein massiver Verstoß gegen das zweite Gebot des Buddhismus: nicht zu stehlen. Gier ist neben 1 laß und Verblendung eines der drei Gifte, die laut buddhistischer Lehre das Leben der Menschen ruinieren.

Doch der Konsumismus, der Motor des gegenwärtigen Wirtschaftssystems, macht die Menschen zu Werkzeugen der Gier und entmenschlicht sie dadurch. Und die Politik der Habgier fördert letztlich auch Mord - in Form von bewaffneten Konflikten. Ethnische Konflikte zum Beispiel, meint Sulak Sivaraksa, beruhen auf ungerechten sozialen Zuständen, die aus der Unterdrückung der Länder des Südens durch die Länder des Nordens resultieren.

Die massive Kritik der Modernisierungspolitik auf der Basis buddhistischer Werte hat Sulak Sivaraksa im buddhistischen Königreich Thailand Verhaftungen, Prozesse und Jahre im Exil eingetragen. Unterstützt von am-nesty international und anderen internationalen Gremien, ist er aber immer wieder freigesprochen worden. Und seit er im Vorjahr den alternativen Friedensnobelpreis erhalten hat, findet er zunehmend auch öffentliche Anerkennung.

Doch seine radikal politische Interpretation der buddhistischen Lehre -eine Befreiungsbuddhologie - wird schon seit längerem von einem Teil des thailändischen Klerus unterstützt. Zusammen mit dem vietnamesischen Mönch Thich Nhat Hanh hat er 1989 ein internationales Netzwerk engagierter Buddhisten gegründet.

Das neueste Projekt von Sulak Sivaraksa richtet sich gegen den sich rapide ausbreitenden Konsumismus: die Pluralität traditioneller Werte und 1 Lebensformen Asiens soll dokumentiert und weitergegeben werden, aber nicht in universitärer Form, sondern so, daß I ,er-nen Freude macht. Da es in den asiatischen Schwellenländern in Mode gekommen ist, nicht nur die technische Modernisierung, sondern auch die eigene Tradition zu pflegen, interessieren sich nun auch die staatlichen Stellen für das Projekt.

Sulak Sivaraksa sieht das mit Gelassenheit und Skepsis. Es geht nicht um noch mehr Technologie, oder um die Erschließung immer neuer und größerer Märkte, meint er. „Die Herausforderung heute ist: Weisheit und Mitgefühl zu entwickeln."

Die Autorin ist

Religionsphilosophin und Mitarbeiterin der Abteilung Religion/Hörfunk des ORF.

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