6771277-1969_03_03.jpg
Digital In Arbeit

Budgetdefizit und Schilling

Werbung
Werbung
Werbung

Wir haben in der Debatte betont, daß das hohe Budgetdefizit des kommenden Jahres keinen die österreichische Wirtschaft dm allgemeinen und den Staatshaushalt im besonderen gefährdenden Charakter hat, weil die kommende wirtschaftliche Entwicklung den Abbau dieses Defizits in den nächsten Jahren gestalten werde.

Freilich müssen wir unseren Wählern auch heute schon sagen, daß Budgetdefizite, wie hoch immer sie seien, irgendwann einmal wieder hereingebracht werden müssen, wenn die Staatsverschuldung nicht eine unverantwortliche Höhe erreichen soll. Aber gerade auf diesem Sektor sind wir in der angenehmen Lage, darauf zu verweisen, daß unsere Republik zu den Staaten mit geringster Verschuldung zählt und sich die österreichische Staatsschuld auch am Ende des kommenden Jahres auf einer Höhe halten wird, die, wenn wir auch weiterhin sparsamst wirtschaften, keine Gefahr für die Volkswirtschaft oder für unseren Schilling darstellen wird. Die Ereignisse, die sich in diesen Tagen auf dem Sektor der internationalen Währungspolitik abgespielt haben, haben ja den überaus erfreulichen Beweis erbracht, daß unser Schilling zu den härtesten Währungen der Welt zählt. Wir wollen aber' auch diesen erfreulichen Tatbestand zu keiner Selbsttäuschung benützen, denn es ist nicht nur die verantwortungsbewußte Budgetpolitik Österreichs, die den Schilling wiederum wie ehedem zum Alpendollar gemacht hat. Wir verdanken die Stabilität unserer Währung auch dem Umstand, daß der Schilling die Währung eines kleinen Landes ist, die von den internationalen Erscheinungen auf dem Sektor der Währungspolitik wegen ihrer bescheidenen Weltkapazität fast unberührt bleibt, wenn man nur im eigenen Hause Ordnung hält.

Nach dieser allgemeinen Feststellung erlauben Sie, Herr Präsident, auch einige Bemerkungen zu verschiedenen Budgetkapiteln. So zum Beispiel zum Fremdenverkehr. Wir dürfen uns nicht von der Tatsache täuschen lassen, daß wir ohnedies einen florierenden Fremdenverkehr haben, weil unser herrliches Land mit so vielen und einmaligen Fremdenverkehrsattraktionen landschaftlicher und kultureller Natur ausgestattet ist. Es gibt kaum einen Wirtschaftszweig, der für internationale Krisen so anfällig ist wie der Fremdenverkehr, und außerdem müssen wir eine immer stärker werdende Konkurrenz auf diesem Gebiet registrieren. Die kleinste Unruhe in irgendeinem Winkel unserer Erde kann schon geeignet sein, die Reisefreudigkeit und -möglichkeit weitgehend zu vermindern. Wir haben dies immer wieder erfahren müssen; zum Beispiel die Pfundkrise, die Einschränkungen der amerikanischen Regierung, der Sechstagekrieg in Israel und zuletzt die Ereignisse in der Tschechoslowakei, die den sofortigen Ausfall zahlreicher Gäste bewirkt haben. Dazu kommt die ständige Erhöhung der Betriebskosten im Gaststättenwesen, die ihre Rentabilität oftmals in Frage stellt. Lassen Sie mich auch, Herr Präsident, an dieser Stelle den tausenden Gastwirten unseres Landes unseren besonderen Dank aussprechen. Wer heute einen Fremdenverkehrsbetrieb zu führen hat, weiß, daß nur härteste Arbeit, selbstverständlich ohne freies Wochenende, ohne 45-Stunden-Woche, überhaupt die Möglichkeit gibt, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Wir müssen uns also schon in naher Zukunft darüber Gedanken machen, wie wir unseren österreichischen Fremdenverkehr möglichst krisenfest machen können. Denn ein Ausweichen auf die Preise ist gerade auf diesem Gebiet nicht mehr möglich. Wenn ich hier von der Rentabilität der Unternehmungen gesprochen habe, so ist dies allerdings ein Problem, das für alle anderen Unternehmungen in gleicher Weise gut. Wir müssen wissen, daß viele Betriebe heute hart am Rande einer Rentabilität bilanzieren. Lassen wir uns da von steigenden Umsatzziftem nicht täuschen! Steigende Umsätze dürfen uns nicht imponieren, wenn sie auf Kosten der Rentabilität gehen! Damit bin ich, Herr Präsident, aber bei einem anderen Kapitel unserer österreichischen Volkswirtschaft: dem Außenhandel. Wir wissen, daß mehr als ein Viertel des österreichischen Volkseinkommens aus dem Außenhandel kommt, wenn wir den Uberschuß unserer Produktion nicht zu einem hohen Prozentsatz ins Ausland verkauften, würde es um die österreichische Volkswirtschaft schlecht bestellt sein. Außenhandelsförderung ist daher eine immerwährende Verpflichtung, der auch das Budget unterliegt. Gerade auf diesem Gebiet aber wissen wir auch, daß die Weltmarktkonkurrenz immer härter wird. Uberall in der Welt entstehen neue Industrien, die nicht nur den eigenen Markt versorgen, sondern mit ihren Produkten auch auf den Weltmarkt drängen. Nun wollen und dürfen wir uns gegen eine echte Konkurrenz nicht sträuben. Es würde uns auch gar nichts nützen. In der echten Konkurrenz liegt ein ständiger, wohltuender Zwang zur Rationalisierung der eigenen Produktion. Wenn ich hier von echter Konkurrenz spreche und sie nicht nur als unvermeidbar, sondern als nützlich bezeichne, so möchte ich ebensosehr dafür eintreten, daß wir uns nach wie vor gegen unechte Konkurrenz schützen. Was ich damit meine, liegt auf der Hand: Dumping-Importe sind keine echte Konkurrenz, ein Schutz gegen sie ist daher kein Verstoß gegen eine echte, liberale Handelspolitik, zu der wir uns rückhaltlos bekennen. Die ständig steigende, echte Konkurrenz auf den Weltmärkten hat nicht zuletzt ihre Ursache in der Bildung großer Wirtschaftsräume. Es ist klar, daß große Wirtschaftsräume den Wirtschaftstreibenden für alle Branchen und Zweige eine bessere Basis sind als kleine. Der große Wirtschaftsraum der Vereinigten Staaten, die EWG und das COMECON entwickeln heute eine wirtschaftliche Kapazität, der gegenüber kleine Volkswirtschaften weit ins Hintertreffen geraten müssen. Das ist besonders dort der Fall, wo, so wie in Österreich, die industrielle Spezialisierung mehr oder minder noch in den Kinderschuhen steckt. Aus dieser Tatsache ergeben sich logisch aber zwei Konsequenzen für Österreich: Einmal der unabweisbare Zwang, den Prozeß der industriellen Spezialisierung vorwärtszutreiben, dann aber für die österreichische Volkswirtschaft die uns gemäße Teilnahme an den europäischen Gemeinschaften zu erreichen. Herr Präsident, ich habe es daher aufrichtig bedauert, daß wir uns bei der Debatte zu den Kapiteln Handel und Äußeres mehr mit den Fragen der unterschiedlichen Haltung der Parteien zum Integrationsproblem als mit diesem selbst befaßt haben. Gewiß ist die Integrationspolitik der Bundesregierung seit vielen Jahren festgelegt und hat sich nicht geändert. Das hat in Wirklichkeit auch die Opposition hier im Hause bestätigt, indem von einer Seite der Regierung der Vorwurf gemacht wurde, zuviel, von der anderen Seite, zuwenig auf diesem Gebiet getan zu haben. In Wirklichkeit ist es doch so, daß die österreichische Integrationspolitik, die auf einen wirtschaftlichen Vertrag besonderer Art mit dem Gemeinsamen Markt abzielt, ohnedies mit Rücksicht auf den Status der immerwährenden Neutralität nur ein Minimum erreichen will und kann: nämlich die Herstellung eines gemeinsamen Zollbereiches und die Harmonisierung der Agrarmarktordnung. Aber diese Regelung würde die wirtschaftlichen Notwendigkeiten Österreichs auf dem Gebiet der Außenwirtschaft erfüllen. Daß wir dieses Ziel noch nicht erreicht haben, weil die gesamte europäische Integrationspolitik momentan zum Stillstand gekommen ist, darf kein Anlaß sein, von diesem Ziel auch nur ein Jota abzuweichen!

Unser Ziel ist die Teilnahme am Gemeinsamen Markt. Die französischen Intentionen zielen aber gegenwärtig eindeutig darauf, wohl zollpolitische Erleichterungen kleinsten Ausmaßes zuzugestehen, die aber — das wurde von französischer Seite mit aller Deutlichkeit betont — kein Schritt zum endgültigen Ziel, nämlich der Erweiterung des Gemeinsamen Marktes, sein sollen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung