Bulgarien: Zwischen Anti-Putin-Politik und pro-russischer Propaganda
Während die einen russische Devotionalien sammeln, demonstrieren andere für eine Anti-Kreml-Politik. Was Russland angeht, ist Bulgarien gespalten. Ein Ortstermin.
Während die einen russische Devotionalien sammeln, demonstrieren andere für eine Anti-Kreml-Politik. Was Russland angeht, ist Bulgarien gespalten. Ein Ortstermin.
Russische Fahnen flattern im Wind, Popmusik-Rhythmen mischen sich mit Volksmusik, Straßenkünstler(innen) konkurrieren ausgelassen um die Münzen der Flaneure. Der Schauplatz: die Stadt Kalofer, an den südlichen Hängen des Balkangebirges. Vor allem ein Phänomen hier ist symptomatisch für die meisten Orte im Land: Unzählige Händler bieten an ihren Ständen alle möglichen russischen Souvenirs und Devotionalien feil – von Kappen und Teetassen bis hin zu Kleidung mit dem Z-Symbol und Bildern von bis an die Zähne bewaffneten Soldaten – und machen damit ein gutes Geschäft. Ungeachtet vom Leid der Menschen in der Ukraine.
Die Gruppe der „Putin-Fans“ zählt zwar nicht mehr als zehn Prozent der Bevölkerung, doch sie sind laut und schrill. Politisch etwa die euroskeptische Partei „Wazraschdane“. Auch ist es ein offenes Geheimnis, dass mächtige Firmenchefs oder andere Stakeholder dieses Gedankengut teilen. Auf einem Treffen der Russophile 2016 trat etwa der Chef der bulgarischen Luftwaffe, Rumen Radev, zum ersten Mal öffentlich auf. Ein Jahr später wurde Radev angeblich nach Absprache mit Leonid Reschetnikov, einem Ex-General der russischen Auslandsspionage und Vertrauten Putins, von den nicht reformierten Sozialisten zum Kandidaten bei der Präsidentenwahl 2017 nominiert und gewann die Wahlen. „Die Krim ist ganz klar russisch, Waffenlieferungen verlängern nur den Krieg“, mit seiner Meinung hält Radev nicht hinter dem Berg. Immer wieder sprechen Polit-Insider vor dem trojanischen Pferd in der EU – und meinen damit ihn.
Propaganda und Spionagenetzwerke
Bulgarien ist schon länger ein Teil der westeuropäischen Bündnisse – seit 2004 ist das Land in der NATO und seit 2007 in der EU. Doch ganz besonders in diesem früheren Satelliten der Sowjetunion sind die Verbindungen zum Kreml über Geschäftsbeziehungen, Spionagenetzwerke und Internet-Cluster traditionell eng.
„Der Einfluss Russlands ist zu stark. Das war schon vor dem Ukrainekrieg so. Doch mit dem Krieg hat sich die pro-russische Propaganda in den Medien multipliziert. Das ist monströs“, so der ehemalige Verteidigungsminister Todor Tagarev, heute Kommunikationsforscher an der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften im Gespräch mit der FURCHE. Ganze Ökosysteme in sozialen Netzwerken wie Facebook seien von Trollen befallen. Auch gibt es Putin-freundliche Kommentatoren in den öffentlich-rechtlichen Medien, die unter dem Deckmantel eines vermeintlichen Medienpluralismus die Weltlage erklären.
Die Propaganda fällt durchaus auf fruchtbaren Boden. Vermutlich bedingt durch die kulturelle Verbundenheit der Länder, die gemeinsame christlich-orthodoxe Religion, die slawische Sprachenfamilie. Zudem räumten historische Schlüsselereignisse wie etwa der Russisch-Türkische Krieg 1878, der den Bulgaren zur Errichtung eines unabhängigen Staates nach 500 Jahren osmanischer Fremdherrschaft verhalf, Moskau eine besondere Rolle in der Entwicklung des Landes ein. „Von Kindesbeinen an hört man das bei uns: Die Russen sind unsere Befreier, wir sollten ihnen ewig dankbar sein“, erzählt Todor Tagarev. „Dass die Sowjetunion 1944 Bulgarien den Krieg erklärte und zur Besatzungsmacht wurde, ist vielen unbekannt.“ Diese große Erzählung dient dem Kreml und seinen Wirtschaftslobbies – insbesondere im Energiebereich. Bulgarien war bis vor kurzem jenes Land in der EU, das nicht nur am stärksten von Gaslieferungen, sondern auch von russischem Öl und Brennstäben für das AKW Kosloduj abhängig ist. Gewaltige Energieprojekte wie etwa der Bau die russische Gaspipeline „TurkStream“, die russisches Gas unter dem Schwarzen Meer hindurch in die Türkei und weiter, durch Bulgarien nach Serbien und Ungarn führt, war als geopolitisches Instrument gedacht. Das Ziel: Die Ukraine sollte umgangen werden. Expremier Bojko Borissov, der Putin als Zeichen der Sympathie einen Welpen schenkte, wusste wohl von dem strategischen Plan und ließ trotzdem die Beteiligung des Transitlands Bulgariens zu, angeblich zugunsten nahestehender Großunternehmer.
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