Bush-Jäger warten auf ihre Chance

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Mit der Übergabe der US-Präsidentschaft an Barack Obama am 20. Jänner 2009 verliert George W. Bush seinen Schutz vor Strafverfolgung. Staatsanwalt-Legende Vincent Bugliosi führt die Bush-Jäger an, die ihn vor Gericht bringen wollen – Anklage: Mord!

In seiner achtjährigen Amtszeit hat George W. Bush genau einen US-Bundesstaat nie besucht: Vermont. Bush weiß, warum er sich Land und Leute an der kanadischen Grenze erspart: Im April letzten Jahres forderte der dortige Senat ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten. Der Kongress in Washington reagierte nicht. Daraufhin beschlossen zwei Vermonter Gemeinden, den Präsidenten und seinen Vize Dick Cheney festzunehmen und des Verfassungsbruchs anzuklagen.

Der Aufsässigkeit nicht genug hat auch noch am 4. November die über die Landesgrenzen hinaus für ihre Zivilcourage bekannte Carlotte Dennett für das Amt der Generalstaatsanwältin in Vermont kandidiert. Die 61-jährige Lady ist bei der Wahl durchgefallen – was allerdings mehr an ihrer „Progressiven Partei“ und weniger an ihrem zentralen Wahlversprechen gelegen ist: Mordanklage gegen George W. Bush zu erheben!

Die Idee zu diesem Prozess stammt von Vincent Bugliosi. Der hat ein Buch mit dem Titel „Anklage wegen Mordes gegen George W. Bush“ herausgebracht. Ein Bestseller in den USA, vor allem aber eine Blaupause für US-Staatsanwälte, ein Plan, wie Bush vor Gericht gebracht und des Mordes angeklagt werden kann. Bugliosi ist sich „voll und ganz bewusst, dass die Beschuldigung, die ich vorbringe, extrem ernst ist. Aber wenn es eine Sache gibt, auf die ich stolz bin, dann die, dass ich niemals eine Beschuldigung äußere, ohne sie durch eine beträchtliche Menge von Beweismaterial zu stützen.“

Von Charles Manson zu George Bush

Der pensionierte Staatsanwalt Bugliosi aus Los Angeles ist eine Legende: 105 von 106 Prozesse über Kapitalverbrechen hat er gewonnen, darunter 21-mal bei Anklage Mord. 1971 hat er den Satanisten Charles Manson in einem spektakulären Prozess lebenslang hinter Gitter gebracht – und sich als Star-Staatsanwalt etabliert.

Im Internetportal „YouTube“ findet sich das Video einer Anhörung Bugliosis im US-Senat, in der er sich kurz nach dem Erscheinen seines Buches für die Bush-Anklage rechtfertigen musste. Der Vorsitzende dieser Sitzung verweist mit Anerkennung auf Bugliosis Erfolg im Manson-Prozess. Und eine wichtige Parallele zum Fall George W. Bush gibt es auch: Manson wurde des Mordes an sieben Menschen verurteilt, obwohl er gegen niemanden die Hand erhoben hat. Aber Manson hat andere zu den Morden angestiftet – deswegen ist er schuldig.

Auch George W. Bush hat keinen US-Soldaten im Irak selbst getötet, sagt Bugliosi. Und wenn der Präsident den Irak-Krieg begonnen hätte, um eine Gefahr vom US-Volk abzuwenden, gäbe es auch keinen Fall. Doch Bugliosi unterstellt dem Präsidenten keinen Verteidigungskrieg begonnen, sondern eine nicht vorhandene Gefahr durch Saddam Hussein für einen „verbrecherischen Krieg“ konstruiert zu haben. Deshalb sei Bush für den Tod tausender US-Soldaten verantwortlich: „Wenn ein Staatsanwalt beweisen kann, dass George W. Bush den Krieg unter Vortäuschung falscher Tatsachen vom Zaun gebrochen hat, dann wäre der Tod der Soldaten ungesetzlich und damit Mord.“

In der erwähnten Anhörung vor der Justizkommission des US-Senats legt Bugliosi das Beweismaterial vor, mit dem George W. Bush der Prozess gemacht werden kann: US-Geheimdienstberichte von 2002, die Saddam Husseins Ungefährlichkeit für die USA bescheinigen und angebliche Verbindungen zwischen ihm und den 9/11-Attentätern bestreiten. Im Gegensatz dazu zeigt Bugliosi das Bush-Papier und die Niederschrift seiner Reden her, in denen vom völligen Gegenteil die Rede ist und mit denen der Präsident das US-Volk und den Kongress auf Kriegskurs gebracht hat.

Den Einwand, niemand könne Bush als Kriminellen betrachten, weil er etwas getan hat, wozu in der Kongress ermächtigt hat, wischt Bugliosi mit dem Argument vom Tisch: „Die Zustimmung, die Bush vom Kongress bekam, wird durch die gezielten Fehlinformationen, die er dem Senat und dem Repräsentantenhaus zukommen ließ, um deren Einverständnis zu erhalten, null und nichtig.“

Die republikanischen Abgeordneten in Bugliosis Senatsanhörung, die angetreten sind, das Buch mitsamt dem Autor in der Luft zu zerreißen, schauen nach dessen Verteidigungsrede „schmähstad“ aus. Und so mancher von ihnen wird sich beim Gedanken ertappt haben, dass das Unmögliche vielleicht doch nicht so unmöglich ist.

Letzte Hilfe: Obama-Begnadigung

Bugliosi fragt in seinem Buch, ob seine Anklage gegen Bush „eine zu revolutionäre Vorstellung“ sei? Und verneint, denn „wir alle wissen, dass niemand über dem Gesetz steht, und diese Feststellung gilt auch für den Präsidenten“. Hätte Bill Clinton so gehandelt wie George W. Bush, ist Bugliosi überzeugt, die Republikaner hätten ihm eine Meute an Sonderermittlern an den Hals gehetzt und ihn aus dem Amt gejagt – doch bei Bush gelten scheinbar andere Regeln. Das ist für den Vollblutjuristen unakzeptabel.

Derzeit suchen Bugliosi und seine Unterstützer nach einem „mutigen Staatsanwalt“ – der sich finden lassen sollte. Für den Erfolg seiner Anklage spricht ebenfalls, dass Bugliosi als Law-and-Order-Mann wie ein strammer Republikaner argumentiert, er also auch von dieser Seite nicht nur Ablehnung erfahren wird. Und noch etwas sollte George W. Bush Sorgen machen: Bugliosi trifft den Zeitgeist, wenn er sagt: „Wenn Amerika jemals wieder die große Nation sein will, die es einst war, muss es alsbald die Verantwortlichen für den Irak-Krieg vor Gericht stellen.“ Für Bush bliebe dann nur eine Rettung: Obama müsste ihn, wie einst Präsident Ford seinen Vorgänger Nixon, für alle im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg womöglich begangenen Straftaten begnadigen.

Anklage wegen Mordes gegen George W. Bush

Von Vincent Bugliosi, dtv München 2008, 344 S., brosch., e 16,90

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