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Chancen fur die Zukunft

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Die steirische Wirtschaft ist durch ihre Exportabhängigkeit mit der Weltwirtschaft verbunden. Die Situation auf den Weltmärkten wirkt sich daher im guten oder schlechten zwangsläufig auf den. Beschäftigtenstaaid und die Ertragslage unserer Betriebe aus. Der gegenwärtige strukturelle Wandlungsprozeß to der Weltwirtschaft hat auch unser Land erfaßt. Es besteht deswegen kein Grund, in eine Krisenstimmung zu verfallen. Was die Zeit von den Verantwortlichen in der Wirtschaft verlangt, ist, die Symptome und Ursachen richtig zu beurteilen und daraus die Konsequenzen zu ziehen. Eine nüchterne Abwägung scheint daher geboten. Über Strukturpolitik wird heute viel gesprochen. Wir halben es schon mit einem Modewort zu tun. Es besteht daher die Gefahr des Zerredens und der Wiederholung. Ein demokratisches System kann jedoch einer breitgefächerten Diskussion nicht entraten, da nur dann die öffentliche Meinung bereit sein wird, mitzugehen und Politik und Wirtschaft bei den notwendigen Maßnahmen zu unterstützen. Zweifellos liegen bereits theoretische und praktische wirtschaftliche Erfahrungen vor. Auch der internationale Meinungsaustausch in Fragen der Strukturpolitik war ergiebig. Ausgehend von der Situation unserer Wirtschaft und den möglichen Entwicklungstendenzen zeichnen sich daher auch die Chancen für die Zukunft ab.

Mit der Steiermark, einem traditionsreichen Industrieland, bietet sich der Modellfall an. Trotz immerhin beachtlicher wirtschaftlicher Potenz sind die Aussichten bei gleichbleibender Struktur keineswegs rosig. Was nottut ist, zuerst den Geist und dann, Arbeit und Kapital zu mobilisieren. Ein kurzer Hinweis auf die Industrialisierung unseres Landes vermag die Beurteilung zu erleichtern:

Der Raum zwischen der unteren Mürz und der mittleren Mur, also von Mürzzuschlag bis Judenburg, zählt zu den meistindustrialisierten Zonen Österreichs. Die Rohstoffnähe, Eisenerz und Kohle, begünstigte eine industrielle Expansion, so daß dieser Raum schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als schwerindustriallisiertes Zentrum Europas galt. Der lange Transportweg von den Verarbeitungsstätten zu den Märkten glich den Vorsprung der Rohstoffnähe bald aus und erschwerte schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Vergleich zum Rheinland und England die weitere industrielle Entwicklung. Trotzdem blieb die Struktur unserer Wirtschaft mit geringfügigen Veränderungen bestehen. Die Eisen- und Stahlerzeugung und die Kohlengruben sind nach wie vor tragende Pfeiler unserer Wirtschaft. Der Erzberg ist die Basis. Ausgehend von diesem Urprodukt, hat sich eine Eisen- und Stahlindustrie entwickelt, die, allerdings zuwenig ausgeprägt, auch in der Fertigwarenerzeugung ihre Fortsetzung findet. Hier zeigt sich eine markante Strukturschwäche. Die wachstumsfreudigen Industriezweige sind kaum vertreten. Dabei wären die Voraussetzungen für eine entwickelte Maschinenindustrie sowie für die Elektronik gegeben. Es fehlen weithin die Wirtschaftszweige, die die vorhandenen Rohstoffe und

Vormaterialien zu hochwertigen spezialisierten und der Konkurrenz weniger unterworfenen Endprodukten verarbeiten. Der Kohlenbergbau ist zu zwei Drittel in der Steiermark beheimatet. Die Zentren des Kohlenbergbaues liegen in der Weststeiermark und im Räume Fohnsdorf. Hier trifft uns schon die ganze Härte einer strukturellen Krise, die längere Zeit hindurch1 ignoriert wurde und nun doch schon seit 10 Jahren virulent ist. Die Strukturpolitik kann auch an der Tatsache nicht vorübergehen, daß mehr als die Hälfte unseres Landes mit Wald bedeckt ist. Das hat eine Papier- und Zelluloseindustrie zur Folge, die ausschließlich auf heimischer Rohstoffbasis ruht. Die empfindlichen Schwankungen auf den Weltmärkten machten unserer Papier- und Zelluloseindustrie sowie der Holzverarbeitung schon zu schaffen. Durch Betriebsumstellungen, Kapitalaufstockungen, Investitionen usw. ist es inzwischen gelungen, die Ungunst der Marktverhältnisse ein wenig auszugleichen. Besonders ist auch die Holzwirtschaft durch die Exportabhängigkeit zu traditionellen Märkten belastet.

Aus dieser kurzen Darstellung zeichnen sich die Schwächen ab, die zum Teil noch nicht sichtbar sind, zum anderen aber bereits unmittelbare Konsequenzen verlangen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Struktur der steirischen Wirtschaft im gesamten gesehen mit ihrem Schwergewicht auf dem Grundstoffsektor in den kommenden Jahren das wirtschaftliche Wachstum eher hemmen als fördern wird.

Aus steirischer Sicht ergeben sich daher folgende Probleme:

1. In der Steiermark erbrachten Anfang der sechziger Jahre nur

17 Prozent des Bruttoproduktionswertes Industrien mit hoher Waohstumschance,

68 Prozent des Bruttoproduktionswertes Industrien mit mittleren Wachstumschancen und

15 Prozent des Bruttoproduktionswertes Industrien mit geringeren Wachstumschancen.

2. Die Plroduktionsstoukturen unserer eisenerzeugenden und -verarbeitenden Industrie sind zum Teil veraltet. Die Zahl der Arbeitsplätze mit hohem Produktionswert sollte vermehrt werden. Die Wirtschaftspolitik vermag durchaus an der Finanzierung wachstumsfördernder Investitionen mitzuwirken.

3. Was geschieht mit jenen Arbeitskräften, die aus der Landwirtschaft abwandern bzw. die nicht ausreichend beschäftigt sind und nach einem Nebenerwerb suchen?

4. In welchem Ausmaß können die steirischen Gruben aufrechterhalten bzw. welche müssen auf Sicht gesehen eingeschränkt und Arbeitskräfte umgeschichtet werden?

5. Wie kann den regionalen Unterschieden in der Einkommensverteilung, z. B. zwischen dem obersteüiischen Industrierevier und der Zone entlang unserer Südgrenze, begegnet werden?

Die Frage, die wir uns zu stellen haben, lautet daher: Wird es gelingen, jene Aktivitäten zu entwickeln, um in dem vor uns liegenden wirtschaftlichen Wandlungprozeß bestehen zu können?

Worauf es ankommt ist, daß wir für alle Gebiete, Branchen und Unternehmungen faire Bedingungen zum Übergang auf neue Verhältnisse schaffen. Die Wirtschaftspolitik wird dabei in ihren Überlegungen und Entscheidungen unternehmerisches Denken mehr als bisher zu berücksichtigen haben.

Die neue Phase der Marktwirtschaft wird sich zwar nicht einem wesensfremden Dirigismus vertschireiben können. Immerhin werden die Rahmenbedingungen markanter und gezielter zu setzen sein. Ausgangspunkt ist das Leitbild einer harmonischen Wirtschaftsentwicklung, die imstande ist, sich veränderten Strukturen anzupassen. Es erscheint vordringlich, sich mit den Fragen der Umstellung der Betriebe, insbesondere des Uberganges zu höheren Stufen der Fertigung, zu befassen. Dem hat voranzugehen die Förderung der Rationalisierung der Produktionsbetriebe, die Bereinigung der Produktionsprogramme, die Spezialisierung und die Erleichterung der Kooperation mit leistungsfähigen Unternehmungen, wobei auch die Kooperation von Industrie und Gewerbe nicht außer acht zu lassen wäre. Unser Augenmerk sollte sich bei Betriebsgründungen in erster Linie auf Produktionen richten, die für unsere bestehenden Industrien entweder als Vorlieferant oder Abnehmer eine Rolle spielen können. Es wird darauf ankommen, neue industrielle Schwerpunkte unterschiedlicher und differenzierter Größenordnung zu bilden, um eine regionale Dynamik in Gang zu setzen, die sich auf alle Wirtschaftszweige belebend auswirkt.

Die Steiermärkische Landesregierung beschäftigt sich seit Jahren mit diesen Problemen. Mit Anerkennung kann vermerkt werden, daß die neue Bundesregierung sich zu einem Wirtschaftskonzept bekennt, welches auf die strukturellen und regionalen Schwierigkeiten eingeht. Als erster mutiger Schritt wurden 100 Millionen Schilling aus dem ERPFonds auf den Tisch gelegt. Das Land Steiermark hat ebenfalls 100 Millionen Schilling bereitgestellt. Auch die steirischen Gemeinden leisten ihren Teil durch die Zurverfügungstellung aufgeschlossener Grundstücke, Fabrikshallen usw.

Und damit wollen wir es jedoch nicht bewenden lassen. Gegenwärtig wird an einer wirtschaftlichen Bestandsaufnahme gearbeitet. Eine Branchenanalyse und Marktbeobachtung steht ebenfalls am Arbeitsprogramm. Es sollen jene Daten ermittelt werden, die der Unternehmer braucht, um überlegte Entscheidungen treffen zu können. Wer einen bestehenden Betrieb erweitert oder sich umstellt oder ein neues Unternehmen gründet, benötigt Unterlagen. Wesentlich ist jedoch, daß die Entscheidungen selbst beim Unternehmer bleiben, er muß nur über die Gegebenheiten informiert werden, mit denen er sich auseinandersetzen muß. Uns kommt eines zugute:

Die Steiermark ist ein Land, in dem nicht erst die Voraussetzungen für industrielle und gewerbliche Tätigkeiten geschaffen werden müssen. Die Menschen sind bereit, ihre eigenen Möglichkeiten und Erfahrungen zu nützen. Wir glauben, in einer Leistungskonkurrenz durchaus bestehen zu können. Die politischen, wirtschaftspolitischen und menschlichen Voraussetzungen für eine neue Phase des Fortschritts in unserer Heimat sind gegeben. Ob wir sie meistern können, wird die Zukunft zeigen.

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