China EZA - © Foto: Getty Images / Costfoto / Barcroft Media (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger)

China: Helfer, bei Potentaten sehr beliebt

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Chinas Entwicklungshilfe hält meist, was sie verspricht, wie Infrastrukturprojekte in Afrika beweisen. Sie vertritt aber auch ganz offen die Interessen des Regimes im Ausland. Was bei den Initiativen fehlt, sind die nachhaltige Schaffung von Jobs und Industrialisierungshilfe.

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Chinas Entwicklungshilfe hält meist, was sie verspricht, wie Infrastrukturprojekte in Afrika beweisen. Sie vertritt aber auch ganz offen die Interessen des Regimes im Ausland. Was bei den Initiativen fehlt, sind die nachhaltige Schaffung von Jobs und Industrialisierungshilfe.

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Das ist Effizienz! Als vor drei Jahren die 472 Kilometer lange Bahnstrecke Nairobi–Mombasa mit großem Pomp eröffnet wurde, schrumpfte die Fahrtzeit von der Hauptstadt zum wichtigsten Hafen Kenias von 18 auf fünf Stunden. Chinesische Bauingenieure hatten mit chinesischen Staatskrediten von mehr als 3,6 Milliarden US-Dollar das technische Wunderwerk verwirklicht. Die Eisenbahn ist das erste Stück eines regionalen Schienennetzwerks, das Kenia, Ruanda, Uganda, Burundi und die Republik Südsudan miteinander verbinden soll. Angolas Hauptstadt Luanda kann dank chinesischer Investitionen mit einem neuen Flughafen protzen. Die Demokratische Republik Kongo unterzeichnete 2007 mit China ein Abkommen, das neben dem Bau von über 3000 Kilometer Eisenbahntrassen und 3400 Kilometer Autobahnen die Errichtung von 31 Krankenhäusern, zwei Universitäten und 5000 Sozialwohnungen vorsieht.

Enormes Potenzial

Mit 1,3 Milliarden hat Afrika ebenso viele Menschen wie China. Anders als dessen dank Einkindpolitik schrumpfende Gesellschaft wird sich Afrikas Bevölkerung bis 2050 verdoppeln. Mehr als die Hälfte davon wird in Städten leben, wie ­Demoskopen prognostizieren. Schon 2025 sollen mehr als 100 Städte über eine Million Einwohner beherbergen. Ein enormer Markt, auf dem China sich einen Startvorteil erarbeitet hat.

China ist in Afrika zum großen Player geworden, schon lange bevor 2013 die „Neue Seidenstraße“ als Kontinente umspannendes Jahrhundertprojekt aus der Taufe gehoben wurde. Schon unter Mao Zedong, als China selbst noch mit selbst verschuldeten Hungersnöten kämpfte, trat Peking in einigen gerade in die Unabhängigkeit entlassenen Staaten als Entwicklungshelfer auf. Damals konzentrierte man sich auf Länder mit sozialistischer Ausrichtung wie Tansania. Schon damals baute China Eisenbahnen. Inzwischen ist der afrikanische Kontinent mit einem Volumen von über 200 Milliarden US-Dollar jährlich Chinas größter Handelspartner. Die Republik Südafrika nimmt dabei mit Abstand die bedeutendste Rolle ein. Über 10.000 chinesische Firmen sind in Afrika tätig, die Mehrheit gehört privaten Unternehmern.

Die Neuorientierung erfolgte in den 1980er Jahren, als sich China in Afrika als Alternative zu westlichen Märkten andiente. Das Geschäft lautete vereinfacht: afrikanische Rohstoffe gegen chinesische Billigprodukte. Als dritte Phase der sino-afrikanischen Beziehungen sieht die in den Niederlanden forschende chinesische Wirtschaftswissenschaftlerin Jue Wang die Entwicklung der jüngsten 15 Jahre, in denen Chinas Investitionen rapide anstiegen. Chinesische Investoren würden ermutigt, über die eigenen Landesgrenzen hin­auszugehen. Gleichzeitig gebe es auch Druck von außen auf die chinesische Wirtschaft, international wettbewerbsfähig zu sein. Da die Produktionskosten in China in den letzten Jahren gestiegen sind, werden afrikanische Niedriglohnländer als Produktionsstandorte attraktiv. Mit dem zusätzlichen Anreiz, dass dort die Bestimmungen betreffend Umweltschutz und Arbeitsrechte weniger streng sind.

Obwohl China längst zur wirtschaftlichen Großmacht aufgestiegen ist, definiert sich das Land im Rahmen der Afrika-Partnerschaften bewusst als Entwicklungsland und appelliert an die Solidarität und den Zusammenhalt der Gruppe der Entwicklungsländer. Früher sei da etwas dran gewesen, meinte Jue Wang bei einer Veranstaltung des Wiener Instituts für Internationale Entwicklung und Zusammenarbeit (VIDC) 2019 in Wien: „Bis in die späten 80er Jahre war die wichtigste Verbindung zwischen China und Afrika die Entwicklungshilfe. Wenn damals gebaut wurde, kamen tatsächlich chinesische Arbeiter und gingen dann wieder.“ Sehr zum Ärger übrigens der lokalen Bevölkerung, deren Zustimmung zu Großprojekten regelmäßig mit dem Versprechen von Arbeitsplätzen geködert wird.

Klartext aus Peking

Chinas Präsident Xi Jinping hat bei einem China-Afrika-Forum Klartext gesprochen: „Unzureichende Infrastruktur gilt als größtes Hindernis für Afrikas Entwicklung.“ Die 54 Länder des Kontinents würden miteinander jährlich 130 bis 170 Milliarden US-Dollar investieren müssen. Laut Afrikanischer Entwicklungsbank fehlen aber regelmäßig zwischen 68 und 108 Milliarden. China springt gezielt in die Bresche, um dieses Defizit zu verringern. Dass die Chinesen auf diesem Gebiet top sind, haben sie in den vergangenen Jahrzehnten bewiesen, als sie Hochgeschwindigkeitstrassen von 29.000 Kilometern, 100.000 Autobahnkilometer, hundert neue Flughäfen und 3500 neue Städte aus dem Boden stampften. Die dadurch erzeugten jährlichen Wachstumsraten von mehr als zehn Prozent haben den Rest der Welt in Erstaunen und Furcht vor dem wachsenden Einfluss des asiatischen Riesen versetzt.

Während europäische oder US-amerikanische Geber ihr Engagement an Fortschritte bei der Rechtsstaatlichkeit und die Erfüllung von Umweltauflagen knüpfen, haben Chinas Investoren kein Problem im Umgang mit Despoten. Kein Wunder, dass China gerade bei Politikern mit zweifelhafter demokratischer Legitimation gern gesehen wird, wenn es um die Finanzierung von Straßen, Flughäfen oder Staudämmen geht. Peking hält das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten hoch. Mit einer Ausnahme: Die Partner müssen die Volksrepublik als einzig legitime Vertretung Chinas anerkennen und diplomatische Beziehungen zu Taiwan beenden.

China mag die Infrastruktur des Kontinents entscheidend verbessert haben, zur Industrialisierung und damit zur Verminderung der postkolonialen Abhängigkeit hat es bislang wenig beigetragen. „China nimmt unsere Bodenschätze und verkauft uns fertige Produkte. Genau dasselbe haben einst die Kolonialisten getan“, klagte der ehemalige nigerianische Zentralbank­chef Lamido Sanusi im Jahr 2015 in der Frankfurter Rundschau. Zwar leben inzwischen mehr als eine Million Chinesen in Afrika. Doch betreiben sie oft nur Import-Export-Firmen oder Restaurants, die kaum Arbeitsplätze schaffen würden, wie der ehemalige Spiegel-Korrespondent Bartholomäus Grill in seiner Bilanz über 40 Jahre in Afrika resümiert.

Dass Kredite zur Schuldenfalle werden können, musste Sri Lanka erfahren, das einen Hafen nicht abstottern konnte und ihn den chinesischen Investoren zurückgeben musste.

China bezieht fast ein Drittel seines Erdölbedarfs aus Afrika und 20 Prozent der Baumwolle für seine Textilfabriken. Daneben sichert sich der Wirtschaftsgigant Zugriff auf die reichen Vorkommen von Manganerzen, die man für die Stahlproduktion braucht, Kobalt, Coltan und seltene Erden, ohne die die Elektronikindustrie keine Mobiltelefone und Laptops herstellen könnte. Auch das berüchtigte Land-Grabbing, ­also der Zugriff auf landwirtschaftliche Flächen für die Nahrungsmittelversorgung zu Hause, ist sicher ein Motiv für Chinas zunehmendes Engagement in Afrika.
Nichtregierungsorganisationen üben vor allem am Raubbau an der Natur, den oft verheerenden Arbeitsbedingungen und niedrigen Löhnen, kombiniert mit einer schwachen Sozialpolitik, Kritik. Dass die großzügigen Kredite zur Schuldenfalle werden können, musste Sri Lanka erfahren, das die chinesischen Investitionen in den Hafen von Hambantota nicht abstottern konnte und den wichtigen Export­hafen jetzt für 99 Jahre an den Gläubiger abtreten musste. Ähnliches könnte Kenia mit seiner Eisenbahn dräuen.

Wenn man Dominic Johnson, dem Afrika-Redakteuer der taz, folgt, geht es längst um anderes. „Die ökonomischen Zweifel an chinesischer Billigware gekoppelt mit teurer Verschuldung haben in Afrika längst Einzug gehalten. Viel attraktiver ist China heute als Modell einer Hochtechnologie-Dauerdiktatur, in der ein allmächtiger Staat über gläserne Bürger herrscht und Wohlverhalten technisch erzeugt wird.“ Das Interesse afrikanischer Regierungen an chinesischer Gesichtserkennungstechnologie macht ihm Sorgen. Zwar glaubt er nicht, dass die Afrikaner die chinesische Perfektion der Überwachung erreichen. Doch: „Das zutiefst autoritäre Gebaren staatlicher Akteure ist für viele Menschen in Afrika die Quelle großen Leids. Nun besorgen sich diese Akteure Werkzeuge, um ihr Gebaren zu perfektionieren.“

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