
Chinas globales Internet
Peking entwickelt gerade ein alternatives Internet-Protokoll, das den bisherigen US-Standard ersetzen soll. Die digitale Welt könnte künftig in zwei Einflusssphären geteilt sein.
Peking entwickelt gerade ein alternatives Internet-Protokoll, das den bisherigen US-Standard ersetzen soll. Die digitale Welt könnte künftig in zwei Einflusssphären geteilt sein.
Seit Jahrzehnten ist die Informationstechnologie amerikanisch dominiert. Navigationssysteme basieren auf der Satellitentechnik GPS, einem Dienst, der von der US-Luftwaffe betrieben wird. Über die Vergabe von Domains entscheidet die ICANN, eine US-Behörde, die zuweilen als „Weltregierung des Internets“ bezeichnet wird. Die Gateways und Knotenpunkte, auf der die Internet-Architektur basiert, sind quasi US-Terrain. Und die Datenströme werden von amerikanischen Tech-Konzernen kontrolliert. Doch diese Vorherrschaft könnte bald enden. Denn China plant eine Alternative zu diesem amerikanischen World Wide Web.
Wie die Financial Times berichtete, werkelt das Reich der Mitte an einem eigenen Internetprotokoll. Das New Internet Protocol, kurz New IP, soll den bisherigen, seit einem halben Jahrhundert geltenden Standard TCP/IP ersetzen. Im vergangenen September stellte eine chinesische Delegation, darunter Vertreter von Huawei, das Konzept der International Telecommunications Union, einer Unterorganisation der Vereinten Nationen, vor. Chinas radikaler Plan sieht vor, das World Wide Web komplett neu zu bauen. Statt dezentraler Knoten soll das Netz zentral verwaltet und streng hierarchisch reguliert werden. Also das komplette Gegenteil dessen, wie das Web derzeit strukturiert ist.
Kein herrschaftsfreier Raum
Konkrete Informationen darüber, wie das Protokoll aufgebaut sein soll, gibt es nicht. Nach Berichten von Konferenzteilnehmern seien lediglich Powerpoint-Folien präsentiert worden. Die chinesische Delegation versuchte die gegenwärtige Internet-Infrastruktur als marode zu denunzieren, als Relikt einer überkommenen digitalen Weltordnung.
Dass das Internet „kaputt“ sei, ist eine Kritik, die von Digitalexperten wiederholt vorgebracht wird. Mit der Vision eines herrschaftsfreien Raums der Kommunikation, wie sich die Netzpioniere den Cyberspace einst vorgestellt hatten, hat das Internet heute wenig zu tun. Tim Berners-Lee, Erfinder des World Wide Web, hat erst im vergangenen Jahr einen „Vertrag für das Web“ vorgelegt, wie sich das Internet noch retten und eine „digitale Dystopie“ verhindern ließe. Allein, China will mit dem neuen Vorstoß nicht die alten Netzutopien realisieren, sondern das Web als machtpolitischen Hebel nutzen.
Die Setzung von neuen Internet-Standards ist Kernbestand von Pekings digitaler Außenpolitik und Teil des ambitionierten Seidenstraßen-Projekts (Belt and Road Initiative). Experten befürchten, dass in dem neuen Internetprotokoll bestimmte Mechanismen eingebaut sein könnten, die staatlich kontrollierten Providern die Überwachung von Datenströmen erleichtern könnten.
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