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Das Erbe Hans Seidels

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Die offizielle Ausdeutung, die Wahl sei ein persönlicher Sieg von Bundesverteidigungsminister Strauß gewesen, hält allerdings einer Nachprüfung nicht stand. In den vergangenen vier Jahren hat der 1961 verstorbene Ministerpräsident Hans Seidel, der eine der größten staatsmännischen Begabungen innerhalb der CSU war, das Land aus vielen Wirren geführt. Sein Nachfolger, Hans Erhard, der auch einer seiner Vorgänger war, hat diese Entwicklung stetig vorangetrieben. Der Wahlsieg vom 25. November ist daher in erster Linie das Ergebnis dieser Aufbauarbeit. Sie war so imponierend, daß man im Sommer dieses Jahres von einem künftigen Zweiparteienlandtag sprach.

Wie richtig diese Ansicht war, zeigte sich an den Krisen innerhalb der drei kleinen Parteien, FDP, BHE und Bayern-Partei. Es schien unmöglich, der CSU den Besitz der absoluten Mehrheit streitig machen zu können. Die kleinen Parteien, die 1958 noch 23 Prozent der Stimmen erhalten hatten, würden, so argumentierte man, mindestens 10 Prozent davon vorwiegend an die CSU abgeben. Das wirklich Überraschende an dem Wahlergebnis vom 25. November war daher, daß die CSU nur 1,9 Prozent dieser Stimmen an sich ziehen konnte, während die SPD. wenn man die von ihr abgehenden 0,9 Prozent der diesmal zum erstenmal in Bayern auftretenden Deutschen Friedensunion abzieht, 5,4 Prozent gewann. Das bedeutet, daß die CSU nur einen Bruchteil der Stimmen neu gewinnen konnte, die an sich, wie insbesondere das Wahlergebnis der Bundestagswahl von 1961 zeigt, bereit waren, diese Partei zu wählen.

Dies wird um so deutlicher, je näher man sich das Wahlergebnis ansieht. Auch in dieser Wahl hat die CSU auf dem Land beträchtliche Stimmengewinne erzielen können mit ihrem Propagandaslogan, vom Osten geiteuerte „Preußen“ wollten dem für die Sicherheit Westdeutschlands besorgten Bayern Strauß an den Kragen. Diese Zunahme wurde aber in Gebieten, die der SPD bisher ferngestanden hatten, und in den Städten durch auffallend große Stimmengewinne der SPD aufgewogen, die stellenweise bis zu neun Prozent ihren Stand von 1958 verbessern konnte. Hier hat sich offensichtlich Strauß als Belastung für die CSU erwiesen.

Daß die Vorstandschaft der CSU ihren Wahlsieg als einen solchen des Bundesverteidigungsministers ausgab, war taktisch bedingt und durchaus verständlich. Sie mußte ihrem Landesvorsitzenden Schützenhilfe leisten. Trotzdem ist es aber unrichtig, die CSU, wie es in jüngster Zeit geschehen ist, als Strauß-Partei zu bezeichnen. Als Strauß vor einem Jahr versuchte, die CSU als eigene Partei in Bonn auftreten zu lassen, versagte ihm die Fraktion die Unterstützung seiner ehrgeizigen Pläne. Im Mai, bei dem Streit um die Ratifizierung des Fernsehvertrages, zeigte sich der christlich-konservative Flügel um DDr. Aloys Hundhammer in seiner ganzen Stärke. Kenner der bayrischen Verhältnisse wissen auch heute, daß der vielberufene Petra-Kreis nicht hinter Strauß steht. Er umfaßt etwa ein Drittel der Fraktion. Aus diesem Grund wird auch gar kein Versuch unternommen, Strauß den Posten eines bayrischen Ministerpräsidenten anzubieten, wie es logisch wäre, wenn das Ergebnis vom 25. November wirklich ein Sieg der Person Franz Joseph Strauß wäre. Die Partei ist sicher gut beraten, die Leitung in München in die Hände des ehemaligen Innenministers Goppel zu legen und die Basis dieser Partei, die imponierende Aufbauarbeit, nicht durch Experimente mit dem unausgeglichenen und zu Ausbrüchen neigenden Strauß zu gefährden.

Eine andere Frage ist, ob Strauß nicht versuchen wird, die CSU in Bonn aus der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU zu lösen und als selbständige Kraft einzusetzen. In der Erklärung zum Verzicht von Strauß auf einen Ministerposten klang eine solche Möglichkeit an, die sicher dem Ehrgeiz von Strauß angemessener wäre. AI* Fraktionsvorsitzender einer in der Regierung vertretenen CSLI dürfte Straußens Einfluß, unter der Voraussetzung, daß es ihm gelingt, die CSU-Fraktion diesmal ganz in seine Hand zu bekommen, kaum geringer sein ali der Mendes. Ob eine Regierung allerdings zwei unsichere Koalitionspartner verkraften kann, erscheint fraglich. Unter diesem Gesichtspunkt gewinnen die Chancen für eine große Koalition mit der SPD an Wahrscheinlichkeit. Denn nur dadurch kann den möglichen Extratouren des auf Rache sinnenden CSU-Vorsitzenden von Seiten der CDU wirksam vorgebeugt werden.

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