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Die besten Social Media und Datenbank-Spezialisten arbeiteten 2012 für Barack Obama. Das ergab die größte je geschaffene Datenmenge über ein Wahlvolk.

In einem Geschäftslokal in Arlington, Virginia, sitzen zwei Dutzend freiwillige Helfer an Schreibtischen. Anhand von Listen und standardisierten Fragen rufen sie Wahlberechtigte in der Nachbarschaft durch. Die Ziele: Die Wahlbeteiligung erhöhen, Wankelmütige ins Obama-Lager holen und demokratische Sympathisanten bestärken und zu Spenden ermuntern. Außerdem: Beiträge zur größten Datenmasse, die je ein Politiker über sein Wahlvolk angelegt hat.

Mit einer Kombination aus traditionellem Grassroots-Wahlkampf und modernster Technologie hat der 44. Präsident der Vereinigten Staaten die Kunst des Wahlkämpfens auf eine neue Ebene gehoben. Seither zerbrechen sich Partei-Strategen und Polit-Berater die Köpfe: Lassen sich diese Strategien übertragen? Wenn ja, wie?

"Parteien in Österreich und Europa können in Wahlkämpfen immer weniger auf die eigenen gewachsene Strukturen bauen“, analysiert Philipp Maderthaner, ÖVP-Polit-Stratege und Organisator des jährlichen Campaigning Summit. Rückläufige Mitgliederzahlen, eine disperse Gesellschaft und die zunehmende Unübersichtlichkeit der politischen Landschaft machten unkonventionelle Methoden und direktere Wähleransprache nötig. "Wir beobachten die USA mit großem Interesse“, sagt Maderthaner: "Dort gehört es zum Alltag, die Wähler für jede Kampagne aufs Neue zu mobilisieren.“

War es bis zur legendären Präsidentschafts-Kampagne Barack Obamas üblich, mittels TV-Werbung und Inseraten um die Wähler zu rittern, verloren diese Instrumente 2008 an Bedeutung. Obamas Kampagne-Manager entwarfen - begünstigt vom Charisma des Kandidaten und der Frustration über die Ägide Bush - eine Strategie, die Wähler mit Social Media und einem Heer von freiwilligen Helfern in einem noch nie dagewesenen Maß mobilisierte.

Technik und Daten machen den Unterschied

Daran knüpfte Jim "The Fixer“ Messina an, der 2009 die Obama-Kampagne leitete. "Wir wollten, dass die Leute bei uns mitarbeiten“, verlautete der Polit-Stratege in der US-Zeitschrift Politiko. Abermals sollte innovative Technik den Sieg bringen. Hierfür warb Messina in Silicon Valley die besten Social Media- und Datenbankspezialisten an, um die technologische Infrastruktur zu optimieren und auszubauen. War der Schlüssel zum Erfolg 2008 das Entfesseln einer sozialen Bewegung gewesen, sollte diesmal die präzise und individuelle Ansprache des Wählers dazu treten. Das ist nur unter einer Voraussetzung möglich: So viel wie möglich über die Wähler zu erfahren.

"Die Daten machten den Unterschied“, weiß Stefan Bachleitner, Beobachter der US-Politik und - zuletzt - Wahlkampfmanager für Heinz Fischer: "Wir hören viel über Social Media, aber wenig darüber, dass jede verfügbare Information über einen Wähler praktisch in der selben Sekunde in eine zentrale Datenbank eingespeist wurde.“

Die Kampagne kombinierte nicht nur verschiedene öffentliche und kommerzielle Datenbanken mit Marktstudien über Konsumgewohnheiten. Auch wurde jedes Interagieren zwischen Kampagne-Team und Wähler penibel verzeichnet: jedes Gespräch während eines Telefonats oder Hausbesuchs, jede Online-Aktivität eines Users auf der Kampagne-Homepage, jedes E-Mail, jede Registrierung, jede Spende, jede noch so kleine Information, die der User über sich preisgab. Es wuchs ein gewaltiger Schatz in Obamas Daten-Bunker. Übrigens ein Schatz, über dessen weitere Verwendung unter US-Demokraten heftigst gestritten wird.

Wer sich - wie der Autor dieses Textes - bei Obama registrierte, bekam im Verlauf des Wahlkampfs täglich mehrere E-Mails, die sein bisheriges Kommunikationsverhalten und seine Interessen berücksichtigten. Am 18. Oktober, etwas mehr als zwei Wochen vor dem Wahltag, erhielt ich zum Beispiel folgende Nachricht: "Matthias, bis zum heutigen Tag hast du online gespendet: null Dollar, während der gesamten Kampagne 2012 gespendet: null Dollar, unser Vorschlag für dich: Spende heute fünf Dollar. Präsident Obama zählt auf dich.“

Kontakt und Gespräche zählen

Durch die Verschränkung mit Facebook wurde die Kampagne um die Datensammeltricks des Online-Netzwerks erweitert: Wer sich über Facebook bei Obama registrierte, öffnete damit sein Adressbuch für den US-Präsidenten und dessen Helfer. Die Folge waren Mails wie dieses: "Wir können deinen Facebook-Freund XY in Boulder, Colorado nicht erreichen. Kannst du ihn bitte für uns kontaktieren?“

Dass eine gezielte politische Werbung auch in Österreich sinnvoll wäre, ist unter allen Polit-Strategen unumstritten. Yussi Pick, Social Media-Experte und selbst einige Jahre in Washington mit der technischen Seite von Kampagnen betraut, meint, dass "sich die politischen Parteien die Frage stellen müssen, ob sie wahllos Flugzettel verteilen oder lieber fokussierte Gespräche mit weniger, aber dafür interessierten Menschen führen. Obamas Kampagne-Guru Messina betont dabei, "am Ende des Tages geht es um die Botschaft“. Und so antiquiert es klingen mag: sie direkt zu überbringen.

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