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Das Kirchentor war verschlossen

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Athen, im April

Zu einem ungewöhnlichen Zwischenfall kam es kürzlich in der Sitzung des heiligen Synods, des obersten Gremiums der Orthodoxen Kirche Griechenlands. Einige Bischöfe forderten die sofortige Besetzung der vakanten Bischofssitze. Der Vorsitzende, Erzbischof Theoklitos von Athen, widersetzte sich aus formalrechtlichen Gründen dieser Forderung. Als er sich einer wachsenden Opposition gegenübersah, schloß er die Sitzung und verließ mit fünf weiteren Bischöfen und dem Regierungsvertreter den Saal. Die übrigen sieben Bischöfe sahen die vorzeitige Schließung der Sitzung als ungültig an, tagten - weiter, erbrachten Beschlüsse und ernannten sogar Bischöfe. Als sie dann aber in die Syhodälkirche gingen, um neuen Bischöfe anzumelden, fanden sie die Kirchentür versperrt; Erzbischof Theoklitos hatte den Schlüssel abgezogen und war unauffindbar.

Der offene Bruch innerhalb des Synods erregte weitgehend die Oeffentlichkeit und veranlagte schließlich ein entschiedenes Eingreifen der Regierung. Als deren Schlichtungsversuche scheiterten, brachte sie unverzüglich in der Kämmer einen, allerdings schon seit einiger Zeit vorbereiteten Gesetzentwurf zur Neuorganisierung der Kirche ein, der insbesondere die Wahl und die Befugnisse der Bischöfe sowie die Zahl der Diözesen regelt. Nun sah sich aber die Regierung plötzlich wieder einer Einheitsfront des Synods gegenüber, der forderte, die Regierung dürfe diese Fragen nicht über den Kopf der Kirche hinweg regeln. Die Regierung sah sich veranlaßt, diesen Wünschen Rechnung zu tragen und Einzelheiten der Vorlage zu ändern. Aber in der großen Linie blieb sie unverändert, und sie wird in den nächsten Tagen vom Parlament sicherlich verabschiedet werden. Das neue Kirchengesetz räumt der Regierung eine ziemlich weitgehende Vormundschaft über die Verwaltung der Kirche ein.

Diese enge Verquickung von Kirche und Staat ist für die Ostkirche charakteristisch und reicht auf die ältesten oströmischen Zeiten zurück. Im geistlichen Bereich bestimmt natürlich die Kirche, aber deren zeitliche Organisationsform unterstand noch allezeit der Macht des Staates. Bei der jetzigen Auseinandersetzung unter den Bischöfen geht es um verständliche materielle und machtpolitische Interessen. Bischof ist nicht gleich Bischof. Der eine ist ein armer Titularbischof ohne jede tatsächliche Bedeutung, der andere, wie etwa der Bischof von Joanina, verwaltet Stiftungsvermögen der Kirche im Werte von Millionen — sie stammen aus den Spenden reicher Griechen aller Zeiten, auch aus dem Ausland. Unter diesen Umständen ist eine genaue gesetzliche Regelung der Voraussetzungen für das Bischofsamt, der Bestimmungen über ihre Wahl und über den Umfang ihrer Unabsetzbarkeit von entscheidender Bedeutung.

Bei dem gegenwärtigen Konflikt spielen aber auch Dinge mit herein, die mit der eigenartigen Organisationsform der Kirche Griechenlands Zusammenhängen, und schließlich sogar jüngste weltkirchenpolitische Vorgänge. Die Kirche Griechenlands ist zwar seit 1850 autokephal, das heißt sie untersteht nur noch geistlich, aber nicht mehr hierarchisch dem Patriarchen von Konstantinopel. 1928 kamen auch die Gebiete hinzu, die mittlerweile zu Griechenland gekommen waren, wie Thessalien und ganz Nordgriechenland sowie Kreta. Der erst 1948 mit Griechenland vereinigte Dodekanes hingegen untersteht noch heute dem Patriarchat und gehört nicht zur Kirche Griechenlands. Gleichwohl sind aber, historisch bedingt, die Beziehungen der Kirche Griechenlands zu Konstantinopel enger als die der änderen auto- kephalen orthodoxen Kirchen. So hat Griechenland auch keinen Patriarchen, wie die orthodoxen Kirchen der slawischen Völker und der Rumänen. Griechenland hat 67 Diözesen (alles Erzbistümer, ohne Suffraganbistümer), 34 in den alten Provinzen von 1850, 33 in den neuen. Aus deren Reihen werden die 13 Mitglieder des Synods gewählt, von denen einer der Erzbischof von Athen sein muß, der gleichzeitig den Vorsitz führt: er ist ein Primus inter pares, keineswegs ein Kirchenoberhaupt. Es fehlt also eine weisunggebende hierarchische Spitze, was, wie jetzt, zu Störungen führen kann. Denn in den jetzigen Kirchenkonflikt spielt nichts Geringeresals der Konzilsplan des neuen Papstes und seine Absicht zur Wiedervereinigung der lateinischen und der griechischen Kirche hinein. Der Patriarch von Konstantinopel scheint diesen Plänen gegenüber sehr aufgeschlossen zu sein, und eine ähnliche Tendenz ist auch innerhalb der griechischen Regierung feststellbar. Sie stößt aber, aus alter historischer Abneigung gegen die Lateiner, auf den erbitterten Widerstand einer ganzen Reihe griechischer Metropoliten. Es ist hier eine Entwicklung im Gange, über die noch eigens zu berichten sein wird.

Ob es der sehr entschieden zugreifenden Regierung Karamanlis gelingt, den Bruch innerhalb der Kirche zu beseitigen, wird die für den 25. Mai anberaumte Fortsetzung der Tagung des Synods erweisen.

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