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Das Konzil wird zur Welt

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Wieder haben wir eine Woche ohne Generalversammlungen hinter uns. Sie wissen, daß am letzten Freitag noch die letzten Abstimmungen zur Erklärung über die religiöse Freiheit stattfanden, bevor dieser Text dem Papst zur Begutachtung vorgelegt wurde. Die neuen Verbesserungen haben immerhin erreicht, daß die Zahl der nicht oder nur halbzufriedenen Väter etwa auf die Hälfte herabsank. Trotzdem wurden daraufhin Stimmen laut, die glaubten, der Papst werde nicht zufrieden sein und, um eine größere Einmütigkeit zu erreichen, noch in letzter Minute einige Abschwächungen vornehmen.

In Wahrheit war nichts an diesen Gerüchten. Man hat zu wenig die wirkliche Lage bedacht. Hatte denn nicht der Papst bereits vor der UNO auf diese Erklärung hingewiesen? Außerdem, ich kann es nicht oft genug wiederholen, wird er die Fehler, die er im konziliaren Gespräch einmal gemacht hat, nicht nochmals begehen. Paul VI. am Ende der vierten Session ist nicht mehr völlig der Gleiche wie Paul VI. am Ende der dritten. Ich will den Text, der also nach aller Voraussicht gebilligt werden wird, jetzt nicht einer längeren Analyse unterziehen. Nur auf eines möchte ich hinweisen. Es liegt vor mir eine Umfrage, deren erster Punkt lautet: Besteht nicht der allgemeine Eindruck, daß der endgültige Text der Erklärung der religiösen Freiheit derart vermanscht wurde, daß er seinen Sinn, seine Pointe verloren hat? Damit wäre auch sein Wert für den ökumenischen Dialog größtenteils hinfällig.

Achtung vor der Menschenwürde

Ich würde es sehr bedauern, wenn dieser Eindruck allgemein wäre. Er kann meines Erachtens nur bei Lesern entstehen, die nach der ersten einleitenden Seite die ganze Erklärung mißvergnügt beiseite legen. Dort wird nämlich der Versuch, Altes und Neues zu verbinden, gemacht. Vielen Bischöfen schien nämlich hier ein Widerspruch vorzuliegen. In Wahrheit aber besteht er nicht, denn die religiöse Freiheit folgt nicht aus der Relativität der Wahrheit oder daraus, daß jede Religion ein Stück derselben enthalten und keine sie ganz besitzen würde, sondern unabhängig von dieser Frage aus der Würde der menschlichen Person, die nach der Wahrheit zu suchen verpflichtet ist, woran sie keine irdische Gewalt durch Zwangsmittel hindern kann. Diese Achtung vor der Menschenwürde bringt es mit sich, daß die religiöse Freiheit überall bestehen muß, ganz gleich, ob es sich um eine pluralistische Gesellschaft mit vielen Religionen und Bekenntnissen oder um rein katholische Staaten wie etwa Spanien oder die Philippinen handelt.

Hatte Pius XII. die Religionsfreiheit als ein Erfordernis der Toleranz dargestellt, diag heißt als ein zu duldendes Übel um des Gemeinwohls der ganzen Kirche wegen, damit die Kirche nicht intolerant behandelt werde, wo sie in der Minderheit ist, so geht die jetzige Erklärung darüber weit hinaus. Es geht nicht um jene Toleranz oder Duldung als geringeres Übel, sondern um ein positives Recht, das jeder Mensch von

Natur aus besitzt, selbst dann, wenn er seine Pflicht, nach der Wahrheit zu suchen, nicht erfüllt, sagt die Erklärung. Wer das alles richtig überlegt und in den Zusammenhang der Geschichte stellt, der kann nicht fragen, ob die Erklärung ihren Sinn, ihre Pointe durch die Änderungen verloren habe.

Südamerika — das Problem der Zukunft

Inzwischen empfängt der Papst eine Bischofskonferenz nach der anderen. Die Ansprachen, die er bei diesen Gelegenheiten hält, sind oft lang und enthalten ein ganzes Aktionsprogramm. Ich begreife nicht, warum manche daran Anstoß nehmen, daß die erste Bischofssynode erst, wie man sagt, für 1967 angesagt ist. Zunächst ist es doch viel wichtiger, zu beobachten, wie sich das Konzil in den einzelnen Teilen der Kirche auswirkt. Am Dienstag also sprach der Papst vor den lateinamerikanischen Bischöfen. Es besteht kein Zweifel, daß diesem Halbkontinent in der nächsten Zukunft die allergrößten Veränderungen 'bevorstehen. Lateinamerika ist heute eine Gesellschaft in Bewegung. Sie unterliegt jähen und tiefen Veränderungen, sagt Paul VI. und präzisiert diese sogleich, zunächst der Bevölkerungsanstieg. Am Ende des Jahrhunderts wird Südamerika mehr als 500 Millionen Menschen zählen. Zugleich wird durch die technische Erschließung des Landes die Landbevölkerung in wachsendem Ausmaß in das nationale Leben hineingezogen. Binnenwanderungen sind die Folge, die Städte wachsen rapid, es fehlt an menschenwürdigen Wohnungen, tiefe Risse tun sich auf zwischen den entwickelten Teilen der Bevölkerung und den noch sehr zahlreichen Analphabeten, die an der Kultur keinen Anteil haben, weil sie ganz unfähig sind, auch nur zu wissen, was Fortschritt und menschliche Entwicklung eigentlich besagen. Trotzdem sind sie sich ihrer dürftigen Lage bewußt und ein durchaus berechtigtes, unüberwindliches Verlangen steigt in ihnen auf nach Besserstellung.

Dynamische Seelsorge

Ihnen gegenüber verschließen sich die anderen häufig dem Zug der sich erneuernden Zeit. Sie zeigen sich unzugänglich für Menschlichkeit, und von einer christlichen Sicht der Probleme um sie herum scheint keine Spur. Das alles bildet den Nährboden für den atheistischen Kommunismus, dessen Aktionen die Einheit des Landes noch mehr gefährden. In diesem Augenblick ist im Licht des Konzils ein Zweifaches erforderlich.

Erstens muß eine kirchliche Planung auf kontinentaler Ebene einsetzen. Der ganze Episkopat muß sich auf eine einfache, große Linie einigen. Der Papst spricht von der Notwendigkeit einer dynamischen Seelsorge.

Damit sind wir an dem zweiten Erfordernis. Entsprechend den Forderungen der Kirchenkonstitution des noch unvollendeten Textes über die Kirche in der gegenwärtigen Welt, muß sich die Kirche mutig an die Spitze der sozialen Erneuerung stellen. Der Analphabetismus ist zu beseitigen mit allen nur möglichen Mitteln. Aber mehr noch. Die Kirche muß das Haus sein für alle, sie ist nicht da für einige wenige Privilegierte, sie muß hinein in die menschliche Masse und noch mehr: Die Kirche muß sich bewußt sein, daß das Fundament des Friedens die Gerechtigkeit ist. Die menschenunwürdige Lage so vieler kann uns, ehrwürdige Brüder, nicht untätig lassen.

Das Beispiel von Recife

Wer diese Rede liest, findet in ihr das Echo und die Antwort auf die Vorschläge eines Vortrags des neuen Erzbischofs von Recife in Nordostbrasilien, das eine der größten

Elendsgegenden darstellt. Der Erz-bischof Helder Camara hat diesen Vortrag dem Papst zugestellt. Er macht sich darin für Südamerika den Satz Kardinal Feitins zu eigen: „Entwicklung ist der neue Name für den Frieden.“ Und in seinem Distrikt scheute er sich nicht, mit den Fischern, die durch die Gewässerverschmutzung der Fabriken der völligen Verarmung anheim fallen, Protestmärsche in Form von Prozessionen vor die Fabriksgebäude zu veranstalten. Als Gefährten und Berater holte er sich dazu aus den Vereinigten Staaten den in solchen gewaltlosen Aktionen der Gerechtigkeit erfahrenen evangelischen Pastor Luther King. Man muß nicht meinen, der tapfere südamerikanische Erzbischof sei ein Idealist ohne Boden unter den Füßen. Vielleicht war er vor dem Konzil ein Einzelgänger, ohne große Unterstützung bei seinen bischöflichen Kollegen. Heute sind Erzbischof Helder Camara und seine Freunde die Spitze einer großen Bewegung unter den Bischöfen, der sich tatsächlich kaum einer mehr entzieht.

Das ist nun ein Beispiel der Auswirkungen, des Konzils in einem Kontinent. In anderen Ländern werden es andere sein. Viel hört man dieser Tage von Zusammenkünften deutscher und polnischer Bischöfe. Sachen, die niemand erwartet hatte, geschehen allüberall. Warum also gebannt nach Rom starren und jede kleinste Geste des Papstes zerreden. Das Konzil wird zur Welt, schaut nur um euch!

(Aus einem Konzilskommentar im österreichischen Rundfunk.)

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