Das Überleben des FUJIMORISMO

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Die Peruaner haben bei den Präsidentschaftswahlen vor allem gegen die Linke votiert und damit eine Kluft bei den Rechten eröffnet.

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Die Peruaner haben bei den Präsidentschaftswahlen vor allem gegen die Linke votiert und damit eine Kluft bei den Rechten eröffnet.

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Die Rechtspopulistin Keiko Fujimori, in der ersten Runde weit vor allen Konkurrenten, dürfte den Sieg bei den Präsidentenwahlen in Peru knapp verpasst haben. 15 Jahre nach dem unrühmlichen Abgang Alberto Fujimoris von der Polit-Bühne hatte "La China", wie die 41-Jährige mit japanischen Wurzeln genannt wird, alles in die Waagschale geworfen, ging zu ihrem Vater, der 25 Jahre Haft wegen Menschenrechtsverletzungen absitzt, auf Distanz. Als "starke Frau" präsentierte sie sich.

Ein Vergleich mit Österreich drängt sich auf. Keine 100.000 Stimmen trennten die Rivalen in der Stichwahl. Die Auszählung zog sich über Tage - den Ausschlag gaben die 900.000 Stimmen der Auslands-Peruaner. Nach 95 Prozent ausgezählter Stimmen führte der Neoliberale Kuczynski laut Wahlbehörde ONPE mit hauchdünnem Vorsprung.

Riesige Transparente in den Städten, bemalte Hauswände in jedem Dorf. Slogans der "naranjos", der Keiko-Partei, grüßten überall. Am 10. April, dem Tag der ersten Wahlrunde, erklettern wir die Inka-Ruinen von Machu Picchu. Unten in Aguas Calientes erleben wir einen Tumult. Einheimische stürmen einen Zug, werden von Sicherheitskräften abgedrängt. Etliche dafür "bezahlte" Bürger wollten im falschen Ort wählen, erklärt der Guide. Elio erzählt, dass sein Chef die Geldstrafe zahlt, weil er auf Tour ist und nicht in seiner Gemeinde wählen kann. Denn in Peru herrscht Wahlpflicht. Davon befreit sind die über 70-Jährigen. Die Höhe der Strafen ist nach dem Einkommen gestaffelt, das heißt Bewohner armer ländlicher Gebiete zahlen weniger, wenn sie den Urnengang verpassen.

Politik im Urwald

Am Titicaca-See, in den Schilfdörfern der Uros-Inseln, scheint die Zeit stillzustehen. Frauen in bunten Reifröcken und strickende Männer empfangen uns auf den Islas Flotantes, geben uns Einblick in ihren Alltag. Erst in Puno begegnen uns wieder Wahlplakate. Fern von den Wahlen ist auch das Dschungel-Gebiet um Puerto Maldonado. "Ganz Amazonien ist für Keiko", verkündet unser Bootsführer auf Anfrage. Er konzentriert sich sonst vornehmlich auf die nächtliche Tierwelt. Schlicht "uninteressant" sei der Urnengang für viele Peruaner auf dem Lande, meint der Betreiber unserer Dschungel-Lodge. "Die Präsidenten verkaufen unsere Schätze ans Ausland."

Erdölbohrungen fänden mitten im Naturschutzgebiet statt, die hier ansässigen Indios hätten protestiert. "Doch das hat nichts genützt." Die Fujimori-Familie und die Ex-Präsidenten verfügten über exzellente Verbindungen zur Wirtschaft im In- und Ausland. Zu viele Konzessionen zur Ausbeutung der Bodenschätze würden ans Ausland vergeben.

Wütende Stimmen aus dem Volk

Die Stimmung im Volk schwankt zwischen Wut und Resignation. "Diese Wahlen sind eine Farce", lautet der Kommentar einer Frau, die im Zentrum von Cuzco Snacks verkauft. "Die Politiker sind alle Diebe", so der Inhaber eines Souvenirladens auf dem Weg nach Machu Picchu. Unter den einfachen Menschen mache sich Frustration breit, erläutert eine Tourismus-Expertin aus der Gegend. Viele Peruaner stellten sich einfach die Frage: "Wer raubt uns als nächster aus?"

Als "Diebe" apostrophiert Ernesto in der Kleinstadt Ollantaytambo, wo die Inkas einst den spanischen Conquistadores erbitterten Widerstand leisteten, die früheren Staatschefs - Alan Garcia, Alejandro Toledo und Alberto Fujimori. Die ersteren seien "diskreditiert", hätten trotzdem wieder kandidiert und scheiterten kläglich. Letzterer, 1990 bis 2000 an der Macht, lebe seit seiner Verurteilung "in Luxus-Haft". Auch Keiko sei nicht sauber. "Sie wird Peru an die Amerikaner verkaufen."

Differenzierter sehen Menschen aus höheren Bildungsschichten und im urbanen Bereich die Dinge.

Miguel und Aida betreiben in Cuczo eine Handelsfirma. Das Paar wünscht sich einen wirtschaftskundigen Präsidenten. Kuczynski mit seiner Erfahrung im Inland, wo er Ministerämter bekleidete, und im Ausland, wo er an der Weltbank tätig war, sei wohl der richtige Mann. Freilich verweisen auch die beiden auf den großen Einfluss amerikanischer und chinesischer Multis in Peru. Vieles von dem peruanischen Kunsthandwerk, das auf den Märkten verkauft wird, sei in China produziert worden.

Die Peruaner hatten letztlich die Wahl zwischen zwei Wirtschaftsliberalen. Die Schlagzeilen der Boulevardpresse kündeten von "Rechtsrutsch" und "Wahlbetrug". Dass die Linke nicht zum Zug kam, mag auch mit der wirtschaftlichen Lage in anderen Staaten Lateinamerikas und daraus resultierenden Ängsten zu tun haben, zieht ein Banker in Lima Zwischenbilanz. Er erinnert an die soziale Katastrophe in Venezuela.

Fujimori plädierte mit ihrer Fuerza Popular (FP), die auf dem Lande fest verankert ist, für Recht und Ordnung, schrieb sich den Kampf für Sicherheit und gegen Kriminalität auf die Fahnen, trat für die Todesstrafe ein. In einer "Ehrenerklärung" versprach sie, das Amt nicht zugunsten ihres Vaters zu missbrauchen. Sie erschloss sich ein neues Wählerpotenzial abseits der Erbklientel der FP. Doch schwere Korruptionsvorwürfe trübten den Endspurt. Keiko sprach von einer "Schmutzkampagne".

Der 77-jährige polnisch-stämmige Kuczynski, der in Lima und im Bürgertum seine Stammwähler findet, punktete mit Wirtschaftsexpertise. Als früherer Weltbank-Ökonom und Finanzminister sprach sich der Chef der PPK (Peruanos Por el Kambio), für Investitionen und Steuerreformen aus. Keikos Forderung nach Neuverhandlung der Gasverträge lehnte er als populistisch ab.

Linkes Lager für den Ökonomen

Die Protagonistin der neuen Linken mit ökologischer Note, Veronika Mendoza aus Cuzco von der Frente Amplio, war in der ersten Runde knapp hinter Kuczynski gelandet. Eine Stimmempfehlung gab sie nicht ab, doch äußerte sie sich "gesprächsbereit" mit der PPK. Vor der Stichwahl warnte Mendoza vor der "autoritären Versuchung des Fujimorismo" und rief ihre Anhänger auf, Keiko nicht an die Macht zu lassen.

Einen schlechten Abgang hat der noch bis 28. Juni amtierende Präsident Ollanta Humala. Dass mitten im Wahlprozess Sendero-Rebellen im Dschungel einen blutigen Anschlag auf Militärs verübten, wird Humala angelastet. Ein Positivposten in der Bilanz Alberto Fujimoris war der Sieg über die Links-Guerilla "Leuchtender Pfad". Dem gegenüber standen freilich Korruption, Todesschwadronen, und die Entmachtung von Parlament und Justiz.

Eines ist klar: Der Fujimorismo, auch wenn er nicht auf allen Linien siegt, bleibt eine Konstante in der peruanischen Politik. Denn bei den Kongress-Wahlen siegten die "Orangen" klar, wurden vor der PPK stärkste Fraktion. Die weitaus meisten Stimmen erhielt Keikos Bruder Kenji. Das Amt des Parlamentspräsidenten winkt ihm. Also doch ein Präsident aus der Dynastie der Fujimoris.

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