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Das Zucken in Mugabes Gesicht

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Absolute politische Macht korrumpiert absolut", meinte der stets im schwarzen Mercedes, Kennzeichen ZIM 1, vorfahrende Präsident Robert Gabriel Mugabe -war es verschmitzt? - vor den Bischöfen Afrikas. Für die Abschlußrede vor der Konferenz der Katholischen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden, die im Frühherbst in Simbabwe stattfand, hatte der ehemalige Jesuitenzögling und spätere Marxist sogar eine Auslandsreise abgebrochen. Letztlich aber, bedeutete der Staatschef, sei all diese Macht kurzlebig, während die Stärke der Kirche, weil spirituell, beständiger sei.

Über die Reständigkeit Mugabes an der politischen Macht herrschen im Land geteilte Meinungen. Die Jahre seit dem Befreiungskampf der späten 70er, als Mugabe neben seinem (heutigen) Vize Joshua Nkomo und der Patriotic Front das weiße Siedlerregime von Ian Smith stürzte, sind nicht spurlos am ehemaligen Gueri 1 lakämpfer vorbeigegangen. Ein leichtes Zucken fährt wiederholt über das beherrschte Gesicht des 75-jährigen Präsidenten, der hinter dem Rednerpult fast verschwindet. So mancher Kritiker wünscht Mugabe weg vom Politparkett, auf dem er sich seit 1980 ununterbrochen, zuerst als Premier und später als Präsident, bewegt. (Zu unterschiedlichen Rhythmen, von sozialistischer Planung zu offener Marktwirtschaft, allerdings.)

Die Popularität des einstigen Volkshelden scheint zu schwinden. Das zeigten auch die Wahlen vom vergangenen März, als nur mehr 31,7 Prozent der Stimmberechtigten zur Urne gingen. Mangels Gegenkandidaten wurde Mugabe zwar mit rund 93 Prozent für weitere sechs Jahre gewählt, der Slogan „Lets rally behind comrade Mugabe", der über der Tribüne des hauptstädtischen Rufi-no-Stadions schwebt, verliert jedoch an Anziehungskraft. „Er will alles kontrollieren, sogar die Kirche", sagt etwa der Wirtschaftsexperte Tony Hawkins, der seinen Unmut über den ökonomischen Zick-Zack-Kurs des Präsidenten periodisch in der britischen „Financial Times" kundtut.

„Wir haben keinerlei Reibungspunkte", meint hingegen der simbabwische Präsident der Kommission für Gerechtigkeit und Frieden, Bischof Patrick Mutume, „denn in der Verfassung ist Religions- und Redefreiheit fest verankert". Die katholische Kirche zählt zwar nur rund fünfundzwanzig Prozent der 11,5 Millionen Simbabwer zu ihren Gläubigen, ist aber - nach den afrikanischen Naturreligionen - die größte Glaubensgemeinschaft in dem südafrikanischen Land. Der Refreiungskampf gegen die weiße Vormundschaft, an dem viele Missionare und Kirchenvertreter beteiligt waren, ist der Beziehung zur Regierung Mugabes durchaus förderlich. „Denn die Regierung traut uns", meint etwa der Jesuitensuperi-or Konrad Landsberg. „Wir sind auch sehr glücklich dran mit ihr, obwohl die Presse in Europa sehr negativ ist."

Die heimische Presse ist da schon zahmer. Während des Streiks der Staatsangestellten etwa, der rund 80.000 öffentlich Bedienstete mit ihren Lohnforderungen auf die Straßen trieb, konzentrierten sich die staatlichen Medien auf die Statements der Regierung; diese ist auch im Resitz der Tageszeitungen „The Herald" und „Chronical". „Es gibt mehrere kritische Magazine und Wochenzeitungen", meint Mike Auret, Generalsekretär der simbabwischen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden (CJPZ), „gewissermaßen könnten wir sagen, daß wir Pressefreiheit haben, aber das stimmt nicht, weil die meisten die Tageszeitung kaufen und sich die anderen nicht leisten können".

Die Zeiten scharfer Kritik an der Regierungsmacht seitens der Kommission für Gerechtigkeit und Frieden sind heute vorbei: denn massive Menschenrechtsverletzungen, wie in den Jahren des Bürgerkrieges im Ma-tabeleland, als Mugabe Mitte der achtziger Jahre den Aufstand von Dissidenten des Volksstammes der Ndebele blutig niederschlug, gehören der Vergangenheit an. Mit dem Einheitsabkommen von 1988, als sich die gegnerischen Parteien ZANU und ZAPU zur heutigen „Zimbabwe Afri-can National Unity - Patriotic Front" "(ZANU-PF) zusammenschlössen, ist Friede eingekehrt. Ein Scheinfriede allerdings, behauptet der Politikwissenschafter John Makumbe, denn „heute sind immer noch einige der Dissidenten in Haft". Der Burgfriede habe zur Heranbildung einer politischen Elite geführt, der die Interessen des Volkes egal seien. John Makumbe, Mitbegründer der oppositionellen „Foundation for Democracy", sieht die Einheit gefährdet, sobald Vizepräsident Joshua Nkomo zurücktritt. Und dies steht unmittelbar bevor. Der 77-jährige Nkomo, ehemaliger Mitstreiter Mugabes, späterer Erzfeind und nunmehriger taktischer Bündnispartner, hat seinen baldigen Ruhestand bereits angekündigt. Älter Groll zwischen den beiden Volksgruppen des Landes - den Ndebele, denen Nkomo angehört, und den Shona, die mit fast 80 Prozent die Mehrheit stellen und denen auch Präsident Mugabe angehört - könnte wieder aufflammen, meint der Politikwissenschafter.

Kirchliche und Menschenrechtsorganisationen in Simbabwe streben langsame Veränderungen in Richtung Demokratie an. Ihr Ziel ist eine Abänderung der geltenden Verfassung, die derzeit die Alleinherrschaft des Präsidenten verankert. Mit 14 Modifikationen seit seiner Amtsübernahme hat sich Mugabe abgesichert und die ehemals demokratische Konstitution, die im britischen Lancaster House ausgehandelt wurde, auf sich zugeschnitten. Nun will die Kommission für Gerechtigkeit und Frieden mit anderen zivilen Organisationen Rürgerkunde betreiben. „Die Simbabwer sollen informiert werden über das Wählen und die Demokratie", meint Auret. „Im Lauf dieses Prozesses werden die Leute merken, daß es Probleme mit der Verfassung gibt" Unter Druck steht der Präsident auch durch die wirtschaftliche Situation: nach dem Scheitern eines Strukturanpassungspro-grammes hatten Währungsfonds und Weltbank im Herbst vorübergehend die Zahlungen eingestellt. Die Auflage zur Fortsetzung lautete, das Rudgetdefizit im Staatshaushalt von mehr als zehn Prozent zu mildern. Privatisierung und Kürzung der Staatsausgaben gelten auch in Simbabwe als Ausweg aus der Krise. Die Versprechen Mugabes, den ärmeren Schichten Arbeit und Land zu verschaffen, blieben unerfüllt.

Im kleinen Hotel Oasis in der simbabwischen Hauptstadt Harare geht die Konferenz über soziale Gedanken und Aktionen der Kirche in Afrika, organisiert vom Pontifikalrat „lustitia et Pax", zu Ende. Der Friede, meint Mugabe abschließend, könne nur erreicht werden, wenn die fundamentalen Menschenrechte und die moralischen Grundprinzipien anerkannt würden. „Dadurch wird ein günstiges Umfeld sowohl für die Kirche als auch den Staat geschaffen. Möge die Mission der Kirche in Afrika gedeihen."

Es wird behauptet, wer dem schwarzen Mercedes ZIM 1 nicht aus dem Wege springe, würde einfach überfahren. Aber das ist wahrscheinlich nur eines der vielen Gerüchte, die es in Simbabwe gibt.

Die Autorin war im Rahmen eines Arbeitsstipendiums der steil ischen Landesregierung einen Monat in Simbabwe.

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