Niederlande - © Foto: Utrecht, Robin / Action Press / picturedesk.com

Niederlande-Wahl: Warum das liberale Musterland nach rechts driftet

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Die Wahl in den Niederlanden ist geschlagen: Mark Rutte von der bürgerlichen „Volkspartij“ und Sigrid Kaag von den linksliberalen „Democraten 66“ gehen als Sieger hervor. Doch längst zeichnet sich in der Verbindung von Rechtsextremen und Corona-Gegnern ein gefährliche Entwicklung des liberalen Musterlandes ab.

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Die Wahl in den Niederlanden ist geschlagen: Mark Rutte von der bürgerlichen „Volkspartij“ und Sigrid Kaag von den linksliberalen „Democraten 66“ gehen als Sieger hervor. Doch längst zeichnet sich in der Verbindung von Rechtsextremen und Corona-Gegnern ein gefährliche Entwicklung des liberalen Musterlandes ab.

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Mark Rutte und Sigrid Kaag – das waren die Gewinner der niederländischen Parlamentswahlen. Im Fall des seit 2010 amtierenden Premiers war das erwartbar, trotz eines Kindergeld-Skandals, der sein letztes Kabinett zu Jahresbeginn zum Rücktritt brachte. Seine bisherige Entwicklungshilfe-Ministerin dagegen wurde erst durch einen Aufschwung auf der Zielgerade des Wahlkampfs ins Zentrum der Den Haager Politik getragen. Während Rutte den Erfolg seinem Image als Steuermann in schwerer See verdankt, punktet Kaag mit Frauen-Bonus und der Aura „neuer Führung“ (so das Motto ihrer Kampagne) sowie einem Aufbruch zu Nachhaltigkeit und Inklusivität.

Damit ist eine bemerkenswerte Konstellation entstanden: Nach dem schlechten Abschneiden der christ-und sozialdemokratischen einstigen Volksparteien sind Ruttes oft als ‚rechtsliberal‘ bezeichnete Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD) sowie Kaags Democraten 66 (D66), angesiedelt im progressiv-urbanen Milieu, die dominierenden Kräfte eines zusehends fragmentierten parteipolitischen Spektrums. Für hiesi- ge Verhältnisse satte 59 von 150 Sitzen entfallen auf VVD und D66. Nach dem turbulenten Winter mit eskalierenden Corona-Protesten und Jugendkrawallen zeugt die liberale Dominanz von einer Konsolidierung der Gesellschaft.

Warnsignale

An einer solchen Interpretation des Wahlergebnisses ist nichts falsch – es sei denn, man beendet die Analyse an diesem Punkt. Denn zu ergänzen gibt es dreierlei. Erstens die deutliche Abstrafung der drei klassisch linken Parteien, Sozialdemokraten, Sozialisten und GroenLinks, die zusammen nur noch auf 25 Sitze kommen – der kleinste Anteil jemals. Frappierend ist das vor allem anlässlich einer heraufziehenden Wirtschaftskrise und massiver post-pandemischer Verteilungskonflikte. Zweitens ist da der Einzug der europäischen Partei VOLT, eine Premiere in einem nationalen Parlament eines Mitgliedstaats. Sie bestätigt, dass im progressiven Lager linksliberale Konzepte derzeit besser ziehen als harte sozio- ökonomische Umverteilung.

Der dritte Punkt ergibt sich aus dem großen Bild dieses historischen Urnengangs in Pande- mie- Zeiten: Das gesamte Spektrum hat sich deutlich verlagert. „Aufwachen in einem Land, das auf einmal ein bisschen schief steht. Als ob alles sich plötzlich nach rechts neigt“, so drückt es der Schriftsteller Tommy Wieringa in seiner Kolumne im NRC Handelsblad aus. Dem linken Niedergang steht ein rechter Zuwachs gegenüber, der ebenso historisch ist: Ganze 29 Sitze entfallen auf die leicht verlierende rechtspopulistische Partij voor de Vrijheid (PVV) von Geert Wilders, das ins identitär- völkisch tendierende Forum voor Democratie (FvD) sowie JA21. Letztere spaltete sich erst vor wenigen Monaten vom „Forum“ ab und dient sich seither als redliche, konservative Alternative an. Zumal der FvD-Aufmarsch springt ins Auge. Nicht nur, weil der Sprung von bislang zwei auf acht Sitze der größte aller teilnehmenden Parteien ist.

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