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Der 14. Oktober in Salzburg

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Den Parlamentswahlen gehen diesmal eine ganze Reihe kommunaler Wahlentscheidungen voraus, denen zunächst allseits ein „Testcharakter“ beigemessen wird. Je nach Wahlausgang wird aber die eine oder andere Partei die Wahlergebnisse als „Test“ für den Nationalrat wohl nicht mehr gelten lassen wollen. Die Stadt Krems hat am 30. September bereits gewählt, und der Verlust eines sozialistischen Mandates an die Kommunisten hat aufhorchen lassen. Er gewinnt im Zusammenhang mit verschiedenen Betriebsratswahlergebnissen, in denen die Sozialisten ebenfalls Stimmen an die KPÖ verloren, tatsächlich an Bedeutung. Am kommenden Sonntag, den 7. Oktober, folgt die Gemeinderatswahl in Klagenfurt, am 14. Oktober in Salzburg, am 21. Oktober in Innsbruck und am 28. Oktober in den niederösterreichischen Gemeinden Tulln und Wördern.

Die bedeutendste dieser Vorentscheidungen fällt wohl in Salzburg, nicht nur wegen der größten Wählerzahl unter den genannten Gemeinden, sondern wegen der für ganz Österreich einmaligen politischen Verhältnisse, die in der Festspielstadt herrschen. Salzburg ist nämlich die einzige Landeshauptstadt Österreichs, in der die Freiheitliche Partei einen echten politischen Faktor darstellt. Sie vermochte bei der letzten Gemeinderatswahl im Jahre 1957 — ebenso wie schon 1953 — 10 Mandate zu erobern, denen 13 Mandate der ÖVP, 16 der SPÖ und ein armseliger Kommunist gegenüberstehen.

Die „bürgerliche“ FPÖ arbeitete in der Salzburger Stadtverwaltung die gesamte Funktionsperiode hindurch eng-stens mit den Sozialisten zusammen und vermochte daraus eine Reihe parteipolitischer Vorteile zu ziehen. Immerhin ist es bezeichnend, daß die hinsichtlich der Koalition auf Bundesebene überaus wehleidige SPÖ nicht das geringste daran fand, sich im kommunalen Sa'zburger Bereich ungeniert mit der FPÖ zu „koalieren“. Die Folge dieses recht , eigenartigen Systems, das auch fallweise im Salzburger Landtag und in der Landesregierung zum Zuge kam, war ein harter Abwehrkampf der ÖVP-Frak-tion, die sich erbittert ihrer Haut wehren mußte, trotzdem aber auf eine Reihe beachtlicher Erfolge verweisen kann.

Inzwischen ist der Wahlkampf in Salzburg in vollem Gange. SPÖ und FPÖ bestreiten ihre Werbung mit den „Plakatköpfen“ ihrer Spitzenkandidaten — B ä c k und Weilhartner—, auf deren persönliches und alleiniges Verdienst sie so ziemlich alles zurückführen, was in der Vergangenheit in der Stadt geschaffen und geleistet wurde. Die Volkspartei argumentiert ehrlicher: Sie verweist darauf, daß vor allem deshalb in Salzburg soviel Positives erreicht werden konnte, weil der Gemeinde Steuern und Abgaben zugeflossen sind, die sich in den letzten zehn Jahren um nicht weniger als 250 Prozent erhöht haben. Daß aber Steuerleistungen überhaupt in einem solchen Ausmaß erbracht werden konnten, ist wohl in erster Linie auf die erfreuliche Aufwärtsentwicklung der gesamten österreichischen Wirtschaft zurückzuführen, die nun einmal — daran ist nicht zu rütteln — weitgehend einer klugen und erfolgreichen Finanz- und Wirtschaftspolitik der ÖVP auf Bundesebene zu danken ist.

Im übrigen hat die ÖVP ihre Wahlwerbung nicht auf eine einzelne Persönlichkeit aufgebaut, sondern stellt ein Team erstrangiger Fachleute vor, die sich meist schon in ihrem Beruf oder auf anderen Sektoren des öffentlichen Lebens einen guten Namen schaffen konnten. Listenführer der ÖVP ist wieder Vizebürgermeister Hans Donnenberg, gefolgt von dem initiativen Rechtsanwalt Dr. Walter V a v r o v s k y, der schon in den letzten fünf Jahren die Funktion eines Stadtrates bekleidete. In weiterer Folge scheinen auf der ÖVP-Liste an aussichtsreicher Stelle fünf neue Kandidaten, durchweg junge Menschen mit Durchschlagskraft, auf.

Zu der guten „Mannschaft“ der ÖVP gesellt sich ein wohldurchdachtes Programm, das die großen Anliegen der Bevölkerung zusammenfaßt und das zu überzeugen vermag. Angesichts der noch immer außerordentlich empfindlichen Wohnungsnot in Salzburg stellt es den Wohnungsbau neuerlich in den Vordergrund, tritt für die Schaffung einer verkehrsfreien Altstadt („Fußgängerstadt“) ein und verlangt den Bau weiterer Einrichtungen für die Jugend und die in Ehren ergrauten Mitbürger. Nicht ohne Stolz weist die ÖVP auch auf die dank ihrer unermüdlichen Bemühungen am 1. Oktober 1962 rechtlich ins Leben getretene Salzburger Universität hin, deren Aufbau nunmehr so rasch erfolgen soll, daß binnen Jahresfrist der Studienbetrieb aufgenommen werden kann. Zweifellos wird die Salzburger Hohe. Schule:, an, der . rflan, $ghpn für 1965 mit 1000, Studierenden rechnet, eine ebenso große geistige wie wirtschaftliche-Bedeutung erlängent- Daher tritt die ÖVP für eine nachhaltige Förderung des Universitätsaufbaues ein, woran Sozialisten wie Freiheitliche allerdings und unverständlicherweise wenig Freude haben.

Bemerkenswerte Wandlungen hat in Salzburg der Wahlkampf erfahren, von dem alle Gruppen erklären, daß sie ihn lieber „Wahlwerbung“ nennen möchten, obwohl er deshalb nicht weniger heftig geführt wird. Die Großveranstaltungen sind weniger geworden, wärend kleine und kleinste

Sprengelversammlungen mit Liebe gepflegt werden. Farblichtbildervorträge, Filmvorführungen, bunte Abende, illustrierte Wahlzeitungen zeugen von dem Bemühen der Parteien, dem Wähler gegenüber auch im Stil der Wahlwerbung moderner und attraktiver zu erscheinen.

Dank der guten Liste, ihres Programms und einer hervorragenden organisatorischen Vorbereitung rechnet sich die ÖVP für den 14. Oktober in Salzburg gute Chancen aus. Sie erwartet zumindest die Rückgewinnung des 1957 unglücklich verlorengegangenen 14. Mandates, zu dem ihr damals lächerliche 104 Stimmen fehlten. Dieses Wahlziel müßte bei objektiver Einschätzung der Möglichkeiten auch tatsächlich zu erreichen sein, auch wenn sich die anderen Parteien ebenso Hoffnungen auf einen Mandatsgewinn machen: Das 14. Mandat ist für die ÖVP deshalb von besonderer Wichtigkeit, weil damit die Zweidrittelmehrheit gebrochen würde, die sich aus den Mandaten von SPÖ und FPÖ errechnen läßt. Der unbekannte Nichtwähler

Größte Aufmerksamkeit wird von allen drei demokratischen Parteien den nicht weniger als 17.700 Nicht-wählern des Jahres 1957 geschenkt. Salzburg hatte damals mit 77,56 Prozent eine miserable Wahlbeteiligung (1953: 86,9 Prozent), die — wie meistens in solchen^ Fällen — die ÖVP schmerzhaft zu spüren bekam. Die Zahl der Nichtwähler erscheint aber erst dann im richtigen Licht, wenn man ihr die Stimmenzahlen der Parteien gegenüberstellt: FPÖ 13.493, ÖVP 18.703, SPÖ 21.510. Die Nichtwähler reichten demnach fast an die Stimmenanzahl der ÖVP heran oder übertrafen jene der FPÖ um mehr als 4000. Die Nichtwähler des Jahres 1957 könnten bei einer Wahlteilnahme am 14. Oktober dem neuen Salzburger Gemeinderat ein wesentlich verändertes Aussehen geben.

Das gleiche gilt für die tausenden Angehörigen jener Jahrgänge, die heuer erstmals zur Urne gehen und auf die sich ebenfalls ein Hauptinteresse der Propagandisten und Wahl-manaeer der Parteien erstreckt. In diesem Bereich hat die ÖVP durch die jungen, zugkräftigen Männer auf ihrer Liste, durch ihr Eintreten für die Interessen der Jugend und' des Sports in der abgelaufenen Gemeinderatsperiode und dirrch das '>Aufgreifen'1 Verschiedener berechtigter Anlieft der7 IieVatiwach-senden Generation einen deutlichen Vorsprung.

Der Volkspartei kommt in der Stadt Salzburg aber noch ein weiterer Umstand zugute: die erfolgreiche ÖVP-Politik auf Bundes- und Landesebene — repräsentiert durch den von Salzburg nach Wien berufenen Finanzminister Dr. Klaus und den allgemeine Wertschätzung genießenden Landeshauptmann Dr. Lechner —, die auf die Stadt, ihre Entwicklung und ihr Gedeihen überaus positive Auswirkungen zeitigte.

Nach Krems und Klagenfurt wird sich das Interesse aller am öffentlichen Leben teilhabenden Österreicher auf die Stadt an der Salzach konzentrieren. Die Parteien sind sich dieser Tatsache bewußt und haben sich darauf eingestellt. Die ÖVP glaubt, durch erbrachte Leistung, Kandidaten von Format und durch ein klares Programm am 14. Oktober vor den Wählern bestehen und erfolgreich sein zu können.

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