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Der eigenwillige Referent

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s mußte also ein landespolitischer Wahlschlager gefunden werden. Dieser bot sich der ÖVP auf Grund der Finanzschwierigkeiten an, in die das Land in den letzten Monaten geraten war. Über die Tatsache solcher Schwierigkeiten besteht kein Zweifel. Der ÖVP-Klub, verärgert darüber, daß der sozialistische Finanzreferent Eigenwilligkeit demonstrierte, und einen langgehegten Wunsch der ÖVP, einen sogenannten Sanierungsplan für die Finanzpolitik vorzulegen, lehnte einige Tage vor Weihnachten geschlossen den Vorschlag für den Landesvoranschlag 1968 ab. Der ÖVP-Klub fühlte sich provoziert und übergangen.

Den unmittelbaren Anlaß zur Ablehnung des Landesvoranschlages sollen Hinweise von Beamten der Buchhaltung gegeben haben, daß das Land den laufenden Zahlungen nicht nachkommen und die anfallenden Rechnungen nicht mehr begleichen könne. Der Grund für die Zahlungsschwierigkeiten dürfte die Tatsache gewesen sein, daß der Finanzreferent gebundene Gelder für andere Zwecke verwendete und sich mit der Aufnahme von Krediten, die der Landtag beschlossen hatte, Zeit ließ. Sie sollten zur Finanzierung des Schul- und Wohnbauprogramms dienen. Leider hat der Finanzreferent durch die völlige Ignorierung des Wunsches des ÖVP-Landtagsklubs eine Atmosphäre geschaffen, die die ÖVP zur Ablehnung des Budgetvoranschlages mitveranlaßt hat. Inzwischen wurde diie ganze Frage der Schuldenpolitik von Landeshauptmann Kery und Landieshauptmann- stellvertreter Polster vor dem Fem- sehscbirm erörtert. Das Gespräch brachte keine Klärung der Frage, ob das Land wirklich zahlungsunfähig ist oder nicht. Die Frage wurde von Polster bejaht und von Kery verneint. Polster zeigte sich beim Gespräch durchaus dem sonst überlegenen Kery gewachsen. Das entschiedene Auftreten Polsters wurde in der burgenländischen Öffentlichkeit dahingehend kommentiert, daß der ÖVP-Spitzenkan- didat an Profil gewonnen hat.

Die SPÖ ist bestrebt, den Wählern immer wieder einzuhämmern, daß die ÖVP die Entwicklungsbudgtes der letzten Jahre mitbeschlossen habe. Man will mit dieser Argumentation die Seriosität der ÖVP bei der Bevölkerung 'n Zweifel ziehen. Man weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die ÖVP bei den Budgetverhandlungen der letzten Jahre darauf bedacht war, für die eigenen Ressorts die größten „Happen“ von den Entwicklungsbudgets zu reklamieren. Jedenfalls hat man es bei der burgenländischen Finanzpolitik, die bisher von beiden Regierungsparteien getragen war, mit Paradoxien zu tun, die der Uneingeweihte kaum zu durchschauen vermag.

Den Sessel zurückerobern

Vor Wahlen darf man von politischen Parteien im allgemeinen keine sachlichen Auskünfte verlangen. Dies dürfte auch momentan im Burgenland der Fall sein. Es geht primär um den Propagandaeffekt. In der Tat ist es der burgenländischen

ÖVP durch den Budgetwirbel gelungen, ihr angeschlagenes Image in der Öffentlichkeit aufzuwerten und das dynamische und unbestrittene Image der SPÖ vor den Wählern in Frage zu stellen. Dieser Stimmungsumschlag im burgenländischen Wahlklima bedeutet für die ÖVP, die nunmehr alles daraufhin ausrichtet, den Stuhl des Landeshauptmannes zurückzuerobern, schon sehr viel. Freilich wäre es Vogel-Strauß-Politik wollte man übersehen, daß die Reaktion der SPÖ auf die Schuldenpolitikparole der ÖVP in der Öffentlichkeit nicht ohne psychologische Nachwirkungen geblieben ist.

„Kery“ oder „Polster" werden die Parolen lauten. Auch die Bundespolitik, so vermutet man, wird ihren Einfluß auf den Ausgang der burgenländischen Landtagswahlen geltend machen. Kreisky wird genötigt sein, dem burgenländischen Reform sozialismus, der ihn unterstützte und der mithalf, die gesamtösterreichische SPÖ von den Folgen der „Ära Pitter- mann" zu befreien, auch seinerseits die volle Unterstützung zu geben. Dazu braucht der Aufwind, der für die SPÖ in Salzburg und Oberösterreich begonnen hat, seine abschließende Bestätigung und Auswirkung im Burgenland.

Erster burgenländischer Minister?

In Kreisen der burgenländischen ÖVP erwartet man, daß bei der Neubildung der Bundesregierung auf Grund mehrerer Erklärungen von Bundeskanzler Klaus Staatssekretär Soronics eine neue Position in der Bundesregierung erhalten wird. Soronics wäre gewiß dafür qualifiziert. Ob sich diese Erwartungen erfüllen werden, dürfte sich schon in den nächsten 14 Tagen zeigen. Zweifelsohne würde die Berufung eines Bur genländers zum Minister rein psychologisch mithelfen, den sozialistischen Wind aus dem alpinen Raum hier im pannondschan Osten in seiner Wirksamkeit einzudämmen.

Christlicher Kurs

Trotz des Budgetwirbels kann positiv vermerkt werden, daß auch die kommenden Landtagswahlen di« demokratische Reife und die Toleranz der Burgenländer unter Beweis stellen werden. Obwohl im Burgenland 86 Prozent der Bevölkerung dem katholischen Bekenntnis zugehören, konnte die ÖVP, die bisher ihr Hauptreservodr für Wählerstimmen im katholischen Lager hatte, ohne Schwierigkeiten einen evangelischen Christen, Landeshauptmannstellvertreter Polster, zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahlen im März kreieren. Sollte die österreichische Volkspartei die Mehrheit erreichen, würde erstmals im Burgenland eine konfessionelle Minderheit den Landeshauptmann stellen. Bekanntlich stellte die nationale Minderheit der burgenländischen Kroaten mehrere Perioden hindurch in Dr. Karall den Landeshauptmann.

Es soll auch nicht übersehen werden, daß die burgenländische SPÖ das erste Mal seit Bestehen des Bundeslandes Burgenland einen Mann, der sich öffentlich als Christ bekennt und bemüht hat, ein gutes Verhältnis zwischen der Kirche und der SPÖ im Lande zu schaffen, zum Spitzenkandidaten bei der nächsten Landtagswahl erkürt hat. Es ist Landeshauptmann Theodor Kery. Mit ihm ist die marxistische Ära in der burgenländischen SPÖ zu Ende gegangen.

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