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Der Erfolg der Republikaner
Es ist zweifellos ein positives Ergebnis der Wahlen, daß der Präsident nicht länger wie Ludwig XIV. sagen kann „Der Staat bin ich". Ein anderes ist, daß sich das Niveau der Republikanischen Partei gehoben hat. Dies ist ganz augenscheinlich im Senat. Die neuen Senatoren, Brooke von Massachusetts, Hatfield von Oregon, Percy von Illinois und Baker von Tennessee sind Männer, auf die das ganze Land stolz sein kann. Brooke ist Nachfolger eines Republikaners, so daß er seiner Partei keinen neuen Sitz eingebracht hat.
Um den Erfolg der Republikanischen Partei, die früher die „Alte Große“ war, aber lange nur die Alte, richtig einzuschätzen, muß man auch die Gouverneurswahlen in Betracht ziehen. Von den sechs Staaten der Union mit der größten Bevölkerungszahl werden fünf republikanische Gouverneure haben. Insgesamt gewannen die Republikaner neun Gouverneursämter. Ihr Gewinn in Arizona eröffnet Goldwater die Chance, wieder in den Senat einzuziehen, falls der 87jährige und kränkliche demokratische Senator Hayden seinen 1968 auslaufenden Amtstermin nicht beenden kann. Darnach würde der republikanische Gouverneur Goldwater zum Senator ernennen.
Die wesentlichen Faktoren, die den republikanischen Sieg bestimmten, waren
• Vietnam,
• die Rassenfrage und
• die Inflation sowie wahrscheinlich eine
• Malaise unter den Wählern in bezug auf die Persönlichkeit Präsident Johnsons.
In ihren exakten Auswirkungen sind diese Faktoren natürlich schwer definierbar, am ehesten noch die beiden ersten. Jedoch verwirren die Wahlergebnisse eher, als daß sie Klarheit schaffen.
Das Repräsentantenhaus, immer nationalistischer als der Senat, zählt ungefähr zehn „Kriegshabichte“ mehr. Im Senat dagegen gibt es mehr „Friedenstauben“. In Montana behielt eine Taube, Lee Metcalf, ihren Sitz. In Oregon gewann der bisherige Gouverneur Hatfield ein schwieriges Rennen, das er, wenn er keine Taube wäre, leichter hätte gewinnen können. In New Hampshire mußte ein pensionierter General Federn lassen, weil er ein Superhabicht war, während der bisherige Amtsinhaber, ein Johnson-Habicht, den Wählern genügte. In South Dakota behielt ein Superhabicht, Karl Mundt, seinen Sitz. In Illinois siegte der junge und anziehende
Charles Percy mit großer Mehrheit über einen Habicht. In Massachusetts schadete dem republikanischen Staatsanwalt Edward Brooke weder seine, allerdings maßvolle, Opposition gegen den Krieg noch seine ethnische Herkunft. Er wird als erster Farbiger seit 1871 in den Senat einziehen.
Eine klare Antwort ergibt sich eher aus einem Ereignis, das sich am Rand abspielte. In Dearborn, Michigan, dem Ort, aus dem Henry Ford herstammte, wurden die Wähler befragt, ob die USA sofort aus Vietnam abziehen sollten. Von 34.000 bejahten 14.000, also ein ansehnlicher Prozentsatz.
Jedoch können die Friedensfreunde sich von den Wahlen auf keinen Fall ermutigt fühlen. Das Ergebnis wird Präsident Johnson in der Meinung bestärken, daß er sich nicht leisten kann, den Krieg bis zu den Präsidentschaftswahlen fortdauern zu lassen. Wird er nun Nordvietnam schleunigst auf die Knie zwingen wollen oder die Andeutungen, daß Hanoi zu Verhandlungen bereit sei, falls die •Bombardierung eingestellt würde, ernst nehmen? Angesichts der Tatsache, daß er zum Durchhauen gordischer Knoten in außenpolitischen Fragen neigt und bereits das Volk auf weitere Kriege in Asien vorbereitet, dürfte die Antwort auf obige Frage ziemlich klar sein.
Kalifornien ist dafür ein eklatantes Beispiel. Dort triumphierte das frühere Filmidol Ronald Reagan, der von seinem extremen Rechts- republikanismus kleine Abstriche gemacht hatte, mit großer Mehrheit über den in zwei Amtsterminen verbrauchten Gouverneur Brown. Reagan war gegen das Rumford- Gesetz, das die Diskriminierung auf dem Wohnuhgsmarkt verbietet. Während Reagan nur vier Prozent der farbigen Stimmen erhielt, verlor Brown zwölf Prozent der weißen Stimmen, die er 1962 gewonnen hatte. Außerdem verlor er drei Prozent der Arbeiterstimmen, obwohl Reagan den Gewerkschaften nicht geheuer ist. In Illinois weigerte Percy sich zwar, von dem Backlash zu profitieren. Ganz offensichtlich aber wurden viele Wähler mehr davon bestimmt, daß der bisherige Senator, Paul Douglas, für alle Bürgerrechtsgesetze gestimmt hatte, als von Percys Einwendungen gegen den Vietnamkrieg.
Auch hier spricht ein Randereignis eine klarere Sprache. In New York schafften die Wähler ein aus Zivilisten zusammengesetztes Amt zur Überwachung der Polizei wieder ab. Dies Amt war geschaffen worden, weil sich die Armen und besonders die Neger von der Polizei willkürlich behandelt fühlten. Es ist bezeichnend, daß die einzige Partei in New York, die für die Abschaffung eintrat, die „konservative“ war, die den Vorrechten des Besitzes in besonderem Maße verhaftet ist.
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