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Der Euro kann nur eine fiktive Brücke sein

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Nettoverschuldung, Inflations-rate, Zinssätze, Schuldenquote: finanztechnische Begriffe dominieren die Diskussion um die geplante europäische Einheitswährung den Euro. Doch eine Währung kann nicht nur auf ihre ökonomischen Aspekte beschränkt werden: Geld hat in unseren modernen Gesellschaften auch eine große psychologische Bedeutung.

Unser tägliches Leben ist bis in alle Einzelheiten von Geld geprägt. Menschliche Arbeit wird zum überwiegenden Teil von ihrer geldmäßigen Bewertung bestimmt. Andere Faktoren, wie der gesellschaftliche oder individuelle Nutzen der Arbeit sind sekundär. Finanzielle Tauschverhältnisse dringen immer weiter vor und ersetzen ehemals familiäre Funktionen und Beziehungen, wie die Kinder- und Altenbetreuung. Die Rolle des Geldes als zentrale Bezugsgrüße und Wertmaßstab im täglichen Leben der Menschen erklärt, warum gerade der Stabilität einer Währung so große Beachtung geschenkt wird. Verliert die Währung ihre gewohnte Stabilität, kommen auch ”feile der persönlichen Identität ins Wanken. Für eine europäische Währung ergibt sich daraus die Konsequenz, daß ihre Stabilität nicht nur auf ökonomischen Faktoren beruht, sondern vor allem auch auf ihrer Glaubwürdigkeit. Denn eine Währung, die kein Vertrauen besitzt, verliert ihre Stabilität.

Die Art und Weise, wie die Einführung des Euro auf europäischer Ebene vorbereitet wird, ist allerdings nicht dazu angetan, Vertrauen zu erwecken. Die Erreichung der Konvergenzkriterien, deren Sinnhaftigkeit ihrerseits diskutabel ist, avancierte in ' den letzten Monaten zu einem gesamteuropäischen Wettbewerb in „kreativer Budgeterstellung”. Ob nun plötzlich die Schattenwirtschaft in die Berechnung des BIP einbezogen wird, um die Schuldenquote zu drücken oder Pensionsrücklagen staatlicher Betriebe kurzerhand dem Budget zugeschlagen werden außer-budgetäre Finanzierung, aufgeschobene Zahlungen, einmalige Steuern und Abgaben - der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Und sollte ein Land trotz aller Tricks die geforderten Zahlen nicht vorweisen können, besteht immer noch die Möglichkeit einer „politischen Lösung”. Der Beobachter fragt sich mit Staunen, warum diese Komödie eigentlich aufgeführt wird. Sollte es das Ziel sein, ernsthafte Bemühungen im Hinblick auf die Stabilität des Euro zu demonstrieren, ist die Inszenierung jedenfalls sehr schlecht.

Doch die Währung spielt auch in ihrer Funktion als Teil der nationalen Identität eine wichtige Bolle für den einzelnen. Nicht von ungefähr finden sich auf den österreichischen Banknoten Prominente wie Mozart, Schrödinger, Wagner oder Freud und Bauwerke wie die Akademie der Wissenschaften oder die Postsparkasse. Hier werden nationale Symbole transportiert, die nicht zufällig auch im Ausland einen hohen Bekanntheitsgrad haben und daher geeignet sind, sowohl nach innen als auch nach außen österreichische Identität zu repräsentieren.

Mit der Einführung des Euro werden die emotional besetzten nationalen

Währungen, mit ihren bekannten und liebgewonnenen Gesichtern und Motiven, ersetzt durch eine ästhetisch vielleicht gefällige Währung, jedoch ohne emotional aufladbare Motive und Inhalte. In Ermangelung umstrittener europäischer Identifikationsfiguren und -symbole sollen fiktive Fenster und Brücken die Euro-Banknote zieren.

Die Ironie ist greifbar: die Fenster sollen Offenheit, die Brücken die enge Verbundenheit der europäischen Staaten symbolisieren - allerdings dürfen keine real existierenden Objekte verwendet werden, da ansonsten ein endloser Streit droht, welcher Staat mit konkreten Bauwerken oder gar historischen Persönlichkeiten auf den Geldscheinen vertreten sein darf. Die vielfach beschriebene Zusatzfunktion des Euro als gesamteuropäisches Identifikationsmittel und als Wegbereiter einer tatsächlichen europäischen Einigung wird dieser somit kaum erfüllen können.

Die Vorgänge rund um die geplante Einführung bringen somit exemplarisch die grundsätzlichen Probleme der Europäischen Union auf den Punkt. Der Mangel an einer verbindlichen Definition, was Europa ist oder sein soll, macht es der EU immer schwerer, den Bürgern die Notwendigkeit einer europäischen Politik verständlich zu machen, da weder die Menschen noch die Staaten bereit sind, nationale zugunsten einer bloß postulierten europäischen Identität aufzugeben. Da Europa aber weder in der Bealität noch in der Vorstellung existiert, kann es auch nicht symbolisiert werden. Daher werden wir uns bis auf weiteres auf fiktive Brücken einstellen müssen.

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