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Der kleine Spielball

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Der Libanon ist zur Zeit in einer sehr prekären Lage. Der Status quo zwischen den verschiedenen christlichen Gemeinden und den Moslems (Sunniten und Schiiten) hängt an einem dünnen Faden. Die Moslems sind immer weniger bereit, die Hegemonie der Christen anzuerkennen. Diese Tendenz wird durch das Erstarken der Terrororganisationen im Südlibanon und die Forderung der etwa 150.000 arabischen Flüchtlinge in den Lagern nach mehr Mitbestimmung gefördert. Gerade jetzt, drei Monate vor den neuen Präsidentschaftswahlen, kann jede Erschütterung, wie z. B. die letzte israelische Kommandoaktion, die Lage gefährden.

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Der Libanon ist zur Zeit in einer sehr prekären Lage. Der Status quo zwischen den verschiedenen christlichen Gemeinden und den Moslems (Sunniten und Schiiten) hängt an einem dünnen Faden. Die Moslems sind immer weniger bereit, die Hegemonie der Christen anzuerkennen. Diese Tendenz wird durch das Erstarken der Terrororganisationen im Südlibanon und die Forderung der etwa 150.000 arabischen Flüchtlinge in den Lagern nach mehr Mitbestimmung gefördert. Gerade jetzt, drei Monate vor den neuen Präsidentschaftswahlen, kann jede Erschütterung, wie z. B. die letzte israelische Kommandoaktion, die Lage gefährden.

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Durch die Terrororganisationen wurde die 20jährige Ruhe an Israels Nordgrenze in den letzten Jahren beeinträchtigt. Zur gleichen Zeit erstarkten die Moslems im Libanon. Sie haben heute allem Anschein nach bereits die Mehrheit in dem 1,8-Millionen-Staat. Der israelische Schlag hatte sofort politische Folgen. Zirka 4000 syrische Soldaten wurden einen Tag nach der israelischen Aktion nach dem Libanon geschickt. Syrien hat schon lange ein Auge auf dieses Land geworfen und diesen Staat niemals richtig akzeptiert. Bis 1918, während des ottomanischen Reiches, war Libanon ein Teil der Provinz Syrien. Die maronitischen Christen waren eine geduldete Minderheit.

In den Augen Rußlands bestehen die „progressiven Kräfte“ des Libanon aus den Kommunisten (allerdings nicht aus den Chinafreunden), Baathisten, Nasseristen sowie Mitgliedern der Demokratisch-Progressiven Partei von Kamal Jum-blatt. Diese „progressiven Kräfte“ wollen den Libanon in ein prosowjetisches Land verwandeln, sich vom Westen abwenden und von Rußland militärische Unterstützung und technische Hilfe erhalten. Einige dieser „Progressiven“ wollen den Libanon wieder mit dem „Mutterland“ vereinigen. Hier muß noch betont werden, daß die religiöse Teilung zwischen Moslems und Christen auch eine soziale ist. Die Chirdisten eitellen die begüterte Klasse, sind gebildeter und haben einen höheren Lebensstandard. Eine Vereinigung mit Syrien könnte sie ihr Vermögen kosten, wogegen viele Moslems durch solch eine Vereinigung nichts verlieren würden. Allerdings war die Sowjetunion bisher nicht an einer soj chen Fusion interessiert. Trotz & engen Bande mit Syrien fürchtete Rußland das Liebäugeln dieses Landes mit Peking.

Im Oktober 1967 bot die Sowjetunion dem Libanon militärische und technische Hilfe an. Dieses Angebot wurde im März 1969 wiederholt. Als Ende 1968 israelische Kommandoeinheiten den Flughafen von Beirut besetzten und dort 13 Passagierflugzeuge zerstörten, bot die Sowjetunion sofort militärische Hilfe an. Allerdings wurden bisher alle freundlichen russischen Angebote abgelehnt. Daraufhin begann Rußland die Terroristen im Südlibanon,die der syrischen A-Saika, der Fa-tah und der irakischen Nationalbewegung angehören, mit Geld und Waffen zu unterstützen. Es war den Sowjets klar, daß eine Erwärmung der ruhigen Grenzen des Libanon mit Israel sie ihrem Ziel näherbringen wird. Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei des Libanon beschloß bereits im September 1969:

1. die Befestigung der Grenzsiedlungen;

2. Einführung von Dienstpflicht;

3. Unterstützung der Terrororgani-sationen gegen Israel;

4. russische Militärhilfe;

5. Zusammenarbeit mit den arabischen Staaten gegen Israel.

Diese kommunistischen Beschlüsse waren denen der anderen „progressiven“ arabischen Parteien sehr ähnlich. Bis in den letzten Jahren sah die Kommunistische Partei des Libanon mit Recht in den verschiedenen arabischen Staaten mit „progressivem Regime“ Staaten mit faschistischen Tendenzen, die Kommunisten unterdrücken und sie in Straflager schicken. Doch der Sowjetunion gelang es, die kommunistische Führungsschicht zu wechseln, um die Partei auf einen nationaleren Kurs zu bringen. Heute ist das Baath-Regime in Syrien und das Nasser-Regime in den Augen der libanesischen Kommunisten ein progressives Regime.

Im Jahre 1958. t 'stand im Libanon eine ähnliche Krisensituation wie heute. Damals schickten die USA 10.000 Marines, die in Beirut landeten und wieder den alten Status quo herstellten. Heute ist kaum anzunehmen, daß sich Amerika aktiv in einen eventuellen Bürgerkrieg einmischen wird.

Noch ist es nicht abzusehen, wie sich die zugespitzte Lage entwickeln wird, doch die Gegensätze, die den Hintergrund zu einem eventuellen Konflikt bilden, vertiefen sich von Tag zu Tag.

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