Der Mitgestalter des Endes der Sowjetunion

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Der Zerfall der Sowjetunion (oder "das größte Verbrechen des Jahrhunderts", wie es von vielen Russen genannt wird), ist das Werk zweier Männer, die selbst Produkte des Sowjetsystems waren: Michail Gorbatschow und Eduard Schewardnadse. Die beiden waren seit den frühen Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts befreundet, als Schewardnadse die Aufgabe hatte, für Stabilität und Parteidisziplin in der sowjetischen Teilrepublik Georgien zu sorgen. Zu dieser Zeit nahm Georgien eine Sonderstellung ein: Die illegale Privatwirtschaft und die damit zusammenhängende Korruption verhalfen vielen Bürgern der Sowjetrepublik am Schwarzen Meer zu einem gewissen Wohlstand. Schewardnadse wurde 1985 Außenminister und half entscheidend mit, den Kalten Krieg zu beenden. Gorbatschow und Schewardnadse hatten verstanden, dass bei den gegebenen Energiepreisen die Konfrontation mit den USA nicht mehr finanzierbar war. Der Abzug aus Afghanistan, der Zusammenbruch der kommunistischen Systeme, der Fall der Mauer, und schließlich das Ende des Sowjetstaates waren die Folge. Schewardnadses Gefühl für politische Gefahren veranlasste ihn, noch vor dem Putsch im August 1991 zurückzutreten. Für Gorbatschow war der Putsch und die sich daraus ergebende Machtübernahme Jelzins faktisch das Ende seiner politischen Laufbahn. Für Schewardnadse öffnete sich hingegen eine neue Karriere als georgischer Staatschef, nachdem die nationalchauvinistische Regierung des ehemaligen Dissidenten Gamsachurdia in Bürgerkrieg und Chaos geendet hatte. Auch aus heutiger Perspektive ist es schwierig, das politische Lebenswerk Schewardnadses einzuschätzen. Einerseits sind seine Verdienste um die Beendigung der bipolaren Weltordnung unbestritten. Andererseits gelang es ihm nicht, Georgien wesentlich anders zu regieren als er es gewohnt war - als eine Art Parteivorsitzender, der über einem korrupten System präsidierte und für den die Aufrechterhaltung einer prekären Stabilität wichtig war, auch um den Preis von Wahlfälschungen. Wahrscheinlich hat das dazu beigetragen, dass die Ungeduld der Bevölkerung und der Reformstau in die Wahl eines jungen Reformers mündeten, der in der Wahl seiner Mittel nicht zimperlich war. Die Folgen sind bekannt: Abchasien und Südossetien sind durch den Krieg 2008 für Georgien verloren - vielleicht ist das aber eine Rehabilitierung für einen Mann, der Gewalt und Blutvergießen stets verabscheut hat.

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