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Der mühsame Friede

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Wird der Tisch quadratisch, rechteckig oder rund sein? Asiatisches Prestige siteht im Mittelpunkt der ersten Vorrunde der Pariser Friedensgespräche über Vietnam. Und während die Delegationen aus Hanoi und Saigon (mit ihren Verbündeten) Sandkastenspiele vollführen, verlagerte sich der Schwerpunkt der Gespräche auf die diplomatischen Aktivisten hinter den Kulissen. Denn es ist jetzt schon klar, daß konkrete Verhandlungen nicht vor dem 20. Jänner stattfinden werden. USA-Delegationschef Harriman erklärte ausdrücklich, daß der schwierigste Teil der Gespräche der neuen Regierung Nixon zufallen werde.

Die Lage in Vietnam ist gekennzeichnet durch eine erhöhte Friedenswilligkeit der Bevölkerung. Das müde, geschundene Volk sehnt sich nach Waffenruhe. Das nützt die Regierung in Saigon auch geschickt aus: Mitglieder der sogenannten „Organisation Phönix” aktivieren ihre Befriedungsversuche in den Dörfern und Provinzstädten des Südens. Ihre Auftraggeber hoffen, mit finanzieller Hilfe der Amerikaner einen Meinunigsumschwung in Büdvletnam herbeizuführen — um ich für eventuelle freie Wahlen eine bessere psychologische Ausgangslage zu sichern.

So konzentriert der Norden und der Vietkong seine Anstrengungen, diese Befriedungsaktionen zu stören; er hat es jetzt schwerer als noch vor einiger Zeit: denn wenn schon verhandelt wird, sorgt sich jeder Bürger um die „Zeit danach” — und schließt sich nicht fünf vor zwölf dem Terror an.

So sind auch die Hoffnungen auf „einen intensiven und umfassenden Guerillakrieg”, wie es in den jüngsten Befehl der Volksbefreiungsarmee heißt, ziemlich verpufft.

Angesichts dieser Situation kommt den Amerikanern und den Saigoner Generälen alles darauf an, Zeit zu gewinnen. Je länger die Periode der Unsicherheit dauert, desto geringer wird die Glaubwürdigkeit der verhandelnden Kommunisten im Süden Vietnams.

Die Spekulation der USA zielt aber noch auf etwas anderes: denn im Hintergrund bahnt sich ein neues Verhältnis Pekings zu Washington an. Es ist verständlich, daß sich Johnson nicht mehr kompetent fühlt, Nixon durch Voreiligkeiten in Vietnam vorzugreifen. Die Fairness des abtretenden Präsidenten dürfte doch größer sein als sein Wunsch, das Prestige für die Geschichte knapp vor Ladenschluß aufzupolieren.

Denn Peking hat als erste ausländische Regierung seine Bereitschaft zu Verhandlungen mit Nixons neuem Team verkündet. Maos Botschafter in Warschau soll die nächste, immer wieder verschobene Runde der Gespräche mit dem US- Botschafter in der polnischen Hauptstadt am 20. Februar 1969 aufnehmen; ein Monat nach Nixons Amtseinführung also. Diese erstaunliche Bereitschaft Pekings wird noch dadurch unterstrichen, daß man eine „grundsätzliche Diskussion der Beziehungen” wünscht

Pekings Absicht dürfte diktiert sein vom Versuch, in Vietnam doch noch miitzureden; denn nach vorerst totaler Ablehnung der Gespräche von Paris mäßigte sich die chinesische Presse in ihren Angriffen auf die Verhandlet.

Peking hofft aber auch, die erklärte Frontstellung Nixons gegen Moskau zu nützen und sich aus dem „kultunrevolutionären Ghetto” zu lösen, um in der asiatisch-afrikanischen Welt wieder reputabler zu agieren.

Der dritte Punkt im weltpolitischen Dreieck, Moskau, muß sich nach seinen Moderator-Diensten für die Vietnamgespräche augenblicklich um den Erfolg betrogen sehen. Denn während die Vietnamesen jetzt selbst auf die Selbständigkeit des Gesprächs bedacht sind, eskalieren die USA, als hätte es nie eine „Entente cordiale” zwischen Johnson und Kossygin gegeben. Die Aktion der Militärs, die der alte und der neue US-Präsident guthieß, zielt im Schwarzen Meer nicht so sehr auf eine militärische Demonstration der Stärke — sondern vielmehr auf den Nachweis, daß die Provokation zwei Seiten kennt. Auch die Sowjets kreuzen seit Jahren unweit der Küsten von Florida und Rhode Island.

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