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Der Preis der Tugend

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Die m Koalitionszeaten regelmäßig wiederkehrende Budgetkrise stand heuer nicht auf dem Programm. Der verfassungsmäßige Termin ist eingehalten, der Finanziminister konnte — wenn auch mit Hilfe einer etwas weiten Fassung des Begriffs Budgetgleichgewicht — ein ausgeglichenes Budget durchsetzen und die Fronten sind bezogen, die nun wofhl so manchen Angriff werden aushalten müssen.

Der Ausgabenrahmen ist mit rund 78 Milliarden Schilling präliminiert, das sind etwa zehn Prozent mehr als heuer. Aber jeder Versuch, aus den Verschiebungen der einzelnen Budgetansätze, höheren Zuwachsraten hier, niedrigeren dort, erkennen zu wollen, inwieweit die neue Bundesregierung eine andere Rangordnung der Kollektivbedürtfnisse zu verwirklichen gedenkt, dürfte Steckenbleibern. Denn hinter den meisten Ziffern stehen ja doch nur Kompromisse zumindest zwischen dam jeweiligen Ressortminister und dem Finanzminister, und als solche sind sie eher das Produkt zahlreicher Komponenten denn Ausdruck eines einheitlichen politischen Willens. Um so größere Bedeutung kommt aber gerade deshalb der grundsätzlichen Konzeption des Budgets als Aus- äruck einer bestimmten Linde zu, an der sich mit einiger Wahrscheinlichkeit noch weitere bedeutende wirtschaftspolitische Maßnahmen der nächsten Jahre orientieren werden.

Bei dem Versuch, diese grundsätzliche Linie nicht aus programmatischen Erklärungen, sondern aus den Fakten selbst abzulesen,, fallen einige zur Rettung des Budgetgleichgewichts unternommene Maßnahmen durch ihre drastische Natur besonders auf. Nach der Erhöhung der Mineralölsteuer und der Bahntarife sollen nunmehr auch die Posttarife eihöht werden und 520 Millionen Schilling mehr einbringen als bisher. Die Subventionen im Bereich der Agrarwirtschaft sollen abgebaut werden, und das um einen Betrag von insgesamt nicht weniger als 900 Millionen Schilling. Nicht ganz die Hälfte dieses Betrages soll den Empfängern von Kinderbeihilfen und Ausgleichszulagen zugute kommen.

eine knappste Formel gebracht, nehmen die Restriktionisten an, daß die zu hohe Gesamtnachfrage die Preise aus dem Gleichgewicht bringe, während die Expansionästen in ihrer Argumentation davon ausgehen, daß es die zu hohen Kosten der Unternehmen sind, die die Preise in die Höhe treiben. Eine Beschränkung der Nachfrage sei aus diesem Grund wirkungslos, und die gestiegenen Kosten könnten viel eher durch forcierte Produktivitätssteigerungen, also wachstumspolitische Maßnahmen aufgefangen werden.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß in einer Zeit, in der der Arbeitslohn den wichtigsten und unruhigsten Kostenlaktor zugleich darstellt, ausgerechnet auf seiten der Arbeitnehmer von Kosteninflation gesprochen wird. Manch verschlungene Pfade der Argumentation sind allein diesem Umstand zuzurechnen. Durch die jeweils vorgebrachten Rezeptvorschläge wird aber diese scheinbare Frontendrehung sehr schnell wieder bereinigt. Die Dämpfung der Übernachfrage läuft nämlich letzten Endes auf die Stabilisierung der gegenwärtigen Lohnhöhe hinaus, und die Förderung des Wirtschaftswachstums soll die gegebenen Lohnauftriebstendenzen legalisieren. Damit entfällt aber die hübsche Schale der theoretischen Argumentation, und zurück bleibt der bittere Kern eines Interessengegensatzes, der genau entlang den schon totgeglaubten Klassengrenzen verläuft.

Genau an diesem Punkt setzen auch die Vorbehalte ein, die es schwer machen, den im Budget scheinbar demonstrierten Mut zur Unpopularität uneingeschränkt zu bewundern. Auf der Ebene der theoretischen Ökonomie haben die Argumente beider Seiten ihre starken und ihre schwachen Stellen. Damit verschiebt sich aber das Problem wieder zurück zur letztlich rein politischen Frage, inwieweit eine restriktive Politik überhaupt politisch realisierbar ist.

Unser Steuersystem weist bei den direkten Steuern ,mit gutem Grund progressive Steuersätze auf. Ob die Progression stark genug ist oder nicht, ist eine andere Frage. Aber wenn Belastungen auferlegt werden, die alle Staatsbürger gleichermaßen und unabhängig von ihrer Einkorn- menshöhe treffen und zugleich Subventionen abgebaut werden, die ebenfalls allen in zumindest gleicher Weise zugute gekommen sind, dann ist der Effekt derselbe wie der einer deutlichen Milderung der Progression. Erhöhungen verschiedener Beihilfen und Ausgleichszulagen werden demgegenüber höchstens als Provokation empfunden.

Keine Überschätzung

Man würde diesen Sachverhalt zu scharf akzentuieren, wollte man behaupten, die Regierung lade bewußt die Lasten der Restriktion den Unselbständigen auf und treibe eine einseitig untemehmerfreundliche Politik. Das üble Wort von den paar hunderttausend Arbeitslosen, die die Gewerkschaft „zur Räson bringen“ sollen, spukt zwar noch in ein paar Köpfen herum, ist aber nicht die insgeheim verfolgte Politik der Bundesregierung. Man sollte die Bereitschaft zum politischen Selbstmord nicht überschätzen!

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