Der Rückfall in die Kälte

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Die beiden Gesichter: wie Boxer vor dem Kampf. Der Schauplatz: das UN-Hauptquartier, der neutralste Boden. Der Zeitpunkt: erstmals nach zweijähriger Dialog-Verweigerung. Und nach dem Gespräch: "fundamentale Differenzen bleiben".

Ist ein tragischeres Bild unserer globalen Realität denkbar, als die jüngste Begegnung Obama-Putin? Inmitten der sicherheitspolitisch schwersten und opferreichsten Krisen seit Kuba 1962 (Syrien, IS, Ukraine, Handelskrieg, Flüchtlingsströme, Raketenaufrüstung ) bleibt jede Hoffnung auf Verständigung der großen Rivalen außer Sicht. Zu sehr regieren Enttäuschung, Verbitterung, ja Dämonisierung. Den Spielraum diplomatischer Annäherung halten beide bewusst eng: "Assad muss gehen!" und "Assad muss bleiben!"

Irgendwann haben wir gelernt, wie gute Politik ginge: den Gegner nie ins Eck treiben. Mithelfen, dass er sein Gesicht wahren kann. Immer auch mit seinen Augen schauen. Jede Selbstgerechtigkeit vermeiden

Wann und wo sind derlei Weisheiten der Entspannungsjahre verloren gegangen? Erst 2014 am Kiewer Maidan-Platz und bei der Annexion der Krim? Oder schon früher, als die USA vergaßen, was sie 1990 feierlich mit unterzeichnet hatten: eine Friedens- und Sicherheitsordnung "von Vancouver bis Wladiwostok". Also nicht ohne Russland.

Und wie konnte verdrängt werden, dass damals beide - Ost und West - sogar auf zentrale Interessen verzichtet hatten, um eine deutsche Einheit möglich zu machen: Moskau akzeptierte die NATO-Mitgliedschaft des vereinten Deutschlands - der Westen versprach dafür, seine Militär-Allianz nicht weiter nach Osten auszudehnen. Vorleistungen in ein Grundvertrauen.

Schwache Stimme Europas

Hinter dem Rückfall in die Kälte, der weite Räume für Terror, Krieg und Massenflucht geöffnet hat, steht eine Kollision von Gefühlen und Interessen: hier die Einkreisungsangst Russlands, dort die Sorge der USA, ohne Ausgrenzung Putins könnte sich Europa seiner Nähe zu Russland (in Handel, Sicherheit, Abrüstung, Energie ) besinnen. Und damit die atlantische Partnerschaft gefährden.

"Eine Rückkehr zur Ära von Verhandlungen und Verträgen", aber auch mehr Mut Europas, "sein Schicksal nicht nur in die Hände der Großmächte zu legen" - das hat eine Elite ost-erfahrener deutscher Diplomaten in einer "Denkschrift" der "Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung" jetzt gefordert (http://www.cfvw. org/gesellschaft/denkschrift). Tatsächlich: Zu groß sind die akuten Brandherde (mit Auswirkungen bis nach Oberösterreich und Wien), um eine Grund-Erfahrung Europas ausblenden zu dürfen: keine Sicherheit ohne Amerika, aber auch keine ohne Russland!

Wer heute noch glaubt, auf einen der beiden -und den permanenten Ausgleich ihrer Interessen -verzichten zu können, der treibt die Welt dem Abgrund entgegen.

Schade, dass die Stimme Europas im Getümmel unserer Zeit noch so schwach ist!

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