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Digital In Arbeit

Der soziale Unternehmer

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„Im Bereich der Wirtschaft kommt der Vorrang der Privatinitiative des eimeinen zu, die entweder für sich allein oder in vielfältiger Verbundenheit mit anderen zur Verfolgung gemeinsamer Interessen tätig werden ... Die Sorge des Staates für die Wirtschaft, so weit und so tief sie auch in das Gemeinschaftsleben eingreift, muß dergestalt sein, daß sie den Raum der Privatinitiative der einzelnen Bürger nicht nur einschränkt, sondern vielmehr ausweitet, allerdings so, daß die wesentlichen Rechte jeder menschlichen Person gewahrt bleiben ...

Wo die Privatinitiative der einzelnen fehlt, herrscht politisch die Tyrannei; da geraten aber auch manche Wirtschaftsbereiche ins Stocken; da fehlt es an tausenderlei Verbrauchsgütem und Diensten, auf die Leib und Seele angewiesen sind; Güter und Dienste, die zu erlangen in besonderer Weise die Schaffensauslöst und' anstachelt. Wo wk-btt-j gekehrt in der'Wirtschaff'die gebotene wirtschaftspolitische Aktivität des Staates gänzlich fehlt oder unzureichend ist, kommt es schnell zu heilloser Verwirrung.“ Diese klaren Ausführungen der Enzyklika „Mater et Magistra“ umgrenzen scharf die Stellung des Unternehmers in der modernen Wirtschafts- und Sozialordnung. Sie erkennen die Notwendigkeit des privaten Unternehmertums sowohl aus politischen als auch aus wirtschaftlichen Gründen an. Das private Unternehmertum ist einer der entschiedensten Garanten der persönlichen Freiheit und stellt darüber hinaus eine sinnvolle Versorgung mit Verbrauchsgütern und Diensten sicher. Daß es sich hier nicht um eine rein materielle Aufgabe handelt, sondern auch um eine spirituelle, geht aus dem ausdrücklichen Hinweis hervor, daß auf die hergestellten Güter und Dienste Leib und Seele angewiesen sind.

Eine so hohe Wertung des Unternehmertums stellt naturgemäß auch eine soziale und geistige Verpflichtung jedes einzelnen Arbeitgebers dar. Diesem ist auferlegt, sein Unternehmen nicht nur als Quelle der persönlichen Bereicherung zu betrachten, sondern als Aufgabe, die ihm im Interesse seiner Belegschaft und der Allgemeinheit anvertraut ist.

Seine Verpflichtung schließt allerdings nicht aus, daß er auch für seine Leistung eine entsprechende Entlohnung fordert, die ihm den Genuß jener Güter und Dienste ermöglicht, „die zu erlangen in besonderer Weise die Schaffensfreude und den Fleiß der einzelnen auslöst und anstachelt“. In diesem Punkt herrscht vielfach Unklarheit, und es kommt zu Mißverständnissen, die viel Schaden anrichten, ohne jemandem zu nützen.

Man muß sich also davor hüten, in der Entlohnung der selbständigen Arbeit — dem Gewinn, den man von verschiedener Seite durch Worte mit üblem Beigeschmack wie „Profit“ abzuwerten sucht — etwas Schlechtes zu sehen und nur die Entlohnung der unselbständigen Beschäftigung als moralisch zulässig zu betrachten. Eine solche Haltung muß zwangsläufig zur Vernichtung des- Privateigentums —

vor allem des Privateigentums an Produktionsmitteln — führen, von dem es in der Enzyklika ausdrücklich heißt: „Denn das Recht auf Privateigentum, auch an Produktionsmitteln, gilt für jede Zeit. Es ist in der Natur der Dinge selbst grundgelegt, die uns belehrt, daß der einzelne Mensch früher ist als die bürgerliche Gesellschaft und daß diese zielhaft auf den Menschen hingeordnet sein muß... Das Recht auf Eigentum bildet in der Tat eine Stütze und zugleich einen Ansporn für die Ausübung der Freiheit.“ Man muß sich auch davor hüten, die Gleichheit als oberste Richtschnur für die Festsetzung der Entlohnung zu betrachten. „Um das Entgelt für die Arbeit gerecht zu bemessen, ist zu berücksichtigen an erster Stelle die produktive Leistung, sodann die wirtschaftliche Lage des Beschäftigung gebenden Unternehmens“, sagt die Enzyklika. Was für den Arbeitnehmer gilt, hat natürlich im gleichen Maß auch für den Arbeitgeber, Geltung.

Fassen wir also.zusammen: Das Privateigentum an Produktionsmitteln ist grundsätzlich zulässig, und auch der Unternehmer hat Anrecht auf einen leistungsgerechten Lohn. Die Höhe des Lohnes muß sich an den „Maßstab von Gerechtigkeit und Billigkeit“ halten.

Das Schlagwort vom „Ausbeuter“

Gerade im Hinblick auf die Unternehmerleistung bestehen allerdings große Unklarheiten. Die Schablone vom „Ausbeuter“, dem die Produktions-mitttel in den Schoß gefallen sind, hat eine gewaltige Suggestivkraft und blockiert oft den Zugang zu einem rechten Verständnis der Wirtschaftsordnung. Die von mancher Seite ständig angeheizte Feindschaft gegen das Unternehmertum, die durch ständige Aufstachelung der Neidkomplexe genährt wird, wächst sich allmählich zum Kardinalproblem der freien Welt aus. Künstlich wird die westliche Gesellschaft in zwei Lager gespalten, wobei das Überwiegen der gemeinschaftlichen Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern absichtlich verschwiegen wird.

In jüngster Zeit sind freilich verschiedene wissenschaftliche Arbeiten entstanden, die eine weitgehende Klärung des Problems mit sich bringen. Hier sei vor allem auf das Werk des Soziologen Hans P. Dreitzel über „Elitebegriff und Sozialstruktur“ hingewiesen, worin als Kriterium für die notwendige und unvermeidliche Elitebildung in der modernen Industriegesellschaft die Kategorie des „Leistungswissens“ aufgestellt wird. Es wird nachgewiesen, daß die gesellschaftliche Nivellierung, die heute das Denken der breiten Bevölkerungskreise bestimmt, zur Bewältigung der technischen Umwelt einfach nicht ausreicht.

Gerade dieses Leistungswissen stellt eine Vorbedingung für die erfolgreiche Leitung eines Unternehmens dar. Nur dadurch wird der Unternehmer befähigt, jener Aufgabe gerecht zu werden, die ihm schon „Rerum novarum“ stellt und die „Mater et Magistra“ durch ausdrückliches Zitat bekräftigt: „Wem durch Gottes Fügung mehr Güter zuteil wurden . ..hat sie empfangen, um sie im Dienste der Vorsehung zu seiner eigenen Vervollkommnung und zum Nutzen der anderen zu gebrauchen.“

Geschäfte- und Projektemacher

Einem gerechten Unternehmerbild stehen auch verschiedene falsche Identifikationen im Wege, so etwa die Gleichsetzung des Unternehmers, des „Kapitalisten“ und des, echten Kaufmannes mit dem Spekulanten und Geschäftemacher. Es kann nicht eindringlich genug betont werden, daß auf unternehmerischer Seite — gerade in Österreich — diese Trennung «ehr scharf gezogen wird und die freien Institutionen des Unternehmertums hierzulande bestrebt sind, den reinen Geschäftemacher aus den Reihen ihrer Mitglieder fernzuhalten.

Es geschah daher völlig zu Unrecht, wenn zum Beispiel die Feinde des freien Unternehmertums versucht haben, den Fall eines Stahlspekulanten in Österreich der freien Wirtschaft in die Schuhe zu schieben. In diesem Zusammenhang sei nur darauf hingewiesen, daß es die Vereinigung österreichischer Industrieller schon lange vor dem Zusammenbruch dieses „Unternehmers“ abgelehnt hatte, ihn in ihre Reihen aufzunehmen.

Ebensowenig wie mit dem Geschäftemacher hat der Unternehmer etwas mit dem Projektemacher zu tun, also mit dem Mann, der ohne Rücksicht auf Rentabilität und kaufmännische Gebarung gigantische Projekte zu verwirklichen sucht und dessen natürliches Eldorado die heute grassierende Planwirtschaft ist. Ihn als den typischen Unternehmer hinzustellen, ist — obwohl dies vielfach in guter Absicht geschieht — genauso falsch.

Der Unternehmer muß nämlich zugleich auch „Kapitalist“ — also rechnender Hausvater, der auf echten Gewinn bedacht ist — sein, und nicht bloßer Projektemacher, dessen gigantische „Schöpfungen“ die Volkswirtschaft mehr belasten als ihr nützen.

In Österreich sind wir heute in der glücklichen Lage, daß sieh das Unternehmertum weitgehend von Geschäfte- und Projektemachern freihalten konnte, ein Umstand, der nicht zuletzt in dem stetigen, niemals heftig schwankenden Aufstieg unserer Wirtschaft seinen Niederschlag findet. Dazu trägt zweifellos auch die hauptsächlich mittelständische Struktur unserer Wirtschaft bei. Diese zu erhalten und zu fördern, liegt ganz im Sinne der Sozialenzykliken, die — im derzeitigen weltgeschichtlichen Augenblick — die Menschenwürde und die Weckung des Verantwortungsbewußtseins des Menschen für seine Arbeit am besten durch die „kleineren und mittleren Besitzstände“ gewährleistet sehen.

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