Der Sparkurs und sein Grenznutzen

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Ist das nicht verrückt - oder zumindest verdreht, wie wir Politik machen? Wir sparen beispielsweise, um unsere Wirtschaft zu retten. Das ist logisch und notwendig bei Gesamtstaatsschulden zwischen 90 und 120 Prozent. Während wir aber täglich hören, dass das eiserne Sparen in Wirklichkeit den Sinn hat, die Jugend und die kommenden Generationen zu schützen, sehen wir in der Realität genau das Gegenteil: In Spanien, Griechenland und Portugal sind zwischen 30 und 50 Prozent der Jungen arbeitslos, vom Hilfarbeiter bis zum Uni-Absolventen mit Master-Degree. Die sozialen Netze, auf die wir so stolz waren: Sie waren doch eigens konzipiert, um Menschen zu helfen, die unverschuldet in Not geraten. Nun aber werden gerade in dem Moment, in dem man sie am notwendigsten braucht, die-se Netze durch fein säuberliche Einschnitte und Kürzungen von den politischen Schneidermeistern zerschnipselt. Das Versprechen, das die Gesellschaft den Jungen gegeben hat - nämlich auf sie zu achten, wenn es ihnen schlecht geht, wird als Betrug wahrgenommen.

Wir haben ein Bildungssystem aufgebaut, das jenen, die darin ihren Platz fanden, eine bessere Zukunft versprach und Wohlstand. Nun bekommen sie vielfach höchstens das Prekariat. Nicht nur in den Krisenstaaten werden Jahr für Jahr tausende Menschen in die Arbeitswelt entlassen, für die es weder eine Gegenwart auf dem Markt noch eine Zukunft in der Gesellschaft gibt. Dafür haben sie aus der Vergangenheit die Versprechen Wohlstand und Sicherheit, an die sie uns vollkommen zu Recht wütend erinnern.

Dass das die Elterngeneration über 45 nicht treffen würde, ist grundfalsch. Denn Menschen, die auf dem Pannenstreifen des Kapitalismus landen, werden das Pensionssystem nicht mit jenen Ressourcen versorgen können, die zu seiner Aufrechterhaltung nötig wären. Sie müssen notgedrungen das Erbe ihrer Eltern verbrauchen. Sie werden notgedrungen auch die Bildungs-Investitionen der Gesellschaft in sie nicht zurückzahlen können.

Daran ist nicht allein der aktuelle europäische Sparkurs schuld. Aber er ist zum Turbo der schon vorhandenen Systemschwächen, wie der ungewichteten Chancen- und Vermögensverteilung in der Gesellschaft, geworden. Es wäre an der Zeit, sich einen neuen ökonomisch-medizinischen Ansatz zu überlegen, bei dem Sparen als Arznei verstanden wird, die viel zur Heilung beitragen kann. Die aber bei Überdosierung eine pathologische und chronische Krankheit - die Rezession - auslöst.

In der Ökonomie kennt man nicht umsonst den Begriff des Grenznutzens, jenes Punktes ab dem der subjektive Nutzen eines Produktes für den Konsumenten mit seinem zunehmenden Verbrauch abnimmt. So ist es - objektiv - auch mit der Austerität. Es gibt eine optimale Funktion des Sparens und einen Punkt, an dem weiteres Sparen seinen Nutzen einschränkt oder verliert. Wir kennen das von Volksweisheiten: "Zwischen Geiz und Verschwendung such immer den Mittelweg.“

So geht es auch der Politik. Sie befindet sich in dem schwierigen Prozess, durch Versuch und Irrtum zu einem sinnvollen Krisenkonzept zu finden. Umso schlechter ist es, dabei unverrückbar an einem Rezept festzuhalten, das sich als falsch herausgestellt hat. So vernichtet sie nicht nur unnötig die Zukunft einer Generation, sondern auch ihre eigene Reputation. Und soviel ist gewiss: Auch beim Leumund gibt es einen Grenzwert. Je mehr die gesunde Härte des Vorgehens zur sinnlosen Brutalität wird, desto unerbittlicher wird der Gegenschlag, der am Wahltag erfolgt.

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