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Der starke Drang zur Mitte

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Die Linke sucht ein neues Profil, die Rechte streitet, das Zentrum versucht, sich neu zu formieren. Alles scheint möglich. Es war schon Abend, als kürzlich im römischen Parlament ein nicht weiter beachtetes Gesetz zum Beschluß anstand. Ein Schritt auf dem Weg zur Privatisierung der italienischen Telekommunikationssysteme, eine Routineangelegenheit, wie es schien. Doch nach der Auszählung fiel Regierungschef Romano Prodi aus allen Wolken: die verbündeten Kommunisten hatten sich der Stimme enthalten -abgelehnt.

Die nachträglichen Verharmlosungen änderten nichts am quälenden Faktum: Das Regierungsbündnis „Ulivo“ ist bei jeder Abstimmung vom Wohlwollen einer Partei abhängig, die ein anderes Programm vertritt und die sich ihre Zustimmung jedesmal teuer bezahlen läßt. Oder sie eben verweigert. Die kleine Episode erklärt, wieso im „Ulivo“ immer lauter der Ruf nach einem Gegengewicht zu den Altkommunisten erschallt. Die Splittergruppen des moderaten Zentrums suchen eilig nach Wegen, der1 Erpreßbarkeit zu entrinnen und rücken enger zusammen.

Der erste Schritt zeichnet sich schon ab: zum Partito Popolare Itali-ano (PPI, Volkspartei) werden bald jene 14 Abgeordneten stoßen, die von Lamberto Dinis „Rin-novamento italiano“ nach dessen Aufspaltung im letzten Dezemberübriggeblieben sind. Zu dieser Föderation wollen noch ein paar Abgeordnete um den Liberaldemokraten Antonio Maccanico stoßen. Doch damit sind die Kommunisten noch nicht aus dem Spiel, diese Verbindung erhöht lediglich das Gewicht der Moderaten gegenüber den Sozialdemokraten (PDS) innerhalb des Ulivo-Bündnisses. Um der Falle zu entrinnen, müßten Verbündete auf der rechten Seite des Spectrums gefunden werden, etwa die zu Berlusconis Oppositionsgruppe gehörigen DC-Partikel CDU und CCD, die kürzlich brieflich ihre Gesprächsbereitschaft mit dem regieren - den PPI deponiert haben.

Daß im nächsten halben Jahr eine neue Verfassung für Italien ausgearbeitet werden soll, wird die bestehenden Paktsysteme weiter unterhöhlen. Das vorhersehbare Tauziehen um die künftige Machtverteilung zwischen Präsident, Ministerpräsident oder Kanzler und dem Parlament belastet schon im Vorfeld die rechte Opposition. Die Kompromißbereitschaft Silvio Berlusconis verärgert dessen Partner, den gewendeten Neofa-schisten Gianfranco Fini, der seine Hoffnung auf eine Präsidialrepublik schon im nächsten Kuhhandel des Medienunternehmers dahinschwinden sieht. Tatsächlich steht knapp vor dem Abgabedatum für den Verfassungsentwurf wieder einmal die Verlängerung der Sendekonzession Berlusconis auf der Tagesordnung des Parlaments. Und Fini hat nicht vergessen, daß sich die Regierung mit diesem Druckmittel schon einmal eine Mäßigung des größten privaten Fernsehbetreibers in Italien erkauft hat. Zerbricht aber die Opposition am Machtkampf Fini-Berlusconi, könnte ein neues, starkes Zentrum analog zur DC entstehen.

Italien könnte wieder zur gewohnten Praxis übergehen: ein starkes Zentrum regiert das Land mit wechselnden Koalitionspartnern - ohne Ende, wie gehabt. Berlusconi werden solche Ambitionen nachgesagt und sein Werben um die rechten DC-Erben und unzufriedene Parteigänger des Ulivo bestätigt die Vermutung. Schon jetzt sind viele ehemalige Christdemokraten in seiner Bewegung versammelt und nehmen dort organisatorische Schlüsselfunktionen ein. Doch schon beim nächsten Wahlgang könnten die Karten ganz neu gemischt werden. Da tritt zum ersten Mal die abtrünnige Lega-Abgeordnete Irene Pivetti mit ihrer neuen Partei für ein föderales Italien an.

Und auch die Rückkehr Antonio Di Pietros in den Ring scheint nicht ausgeschlossen, sofern er aus den zahlreichen Prozessen um seine Person unbeschadet hervorgeht. Glaubt man Umfragedaten, könnte er die rechte Parteilandschaft aus den Angeln heben. Aber noch gehört die Beschwörung des Bipolarismus ebenso zum Pflichtrepertoire jedes Redners wie der Eid auf das jeweilige Bündnis. Doch die Halbwertszeit solcher Schwüre ist im südlichen Klima nicht hoch zu veranschlagen.

Der Autor ist

Rom- Korrespondent

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