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Der Tag der Sparer

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Daß Sparen eine Tugend ist, steht außer Frage. Daß diese Tugend heute wie früher geübt werden muß, ist auch noch unbestritten. Aber chon die Formen, in denen man sparen soll, machen heute Kopfzer-

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Daß Sparen eine Tugend ist, steht außer Frage. Daß diese Tugend heute wie früher geübt werden muß, ist auch noch unbestritten. Aber chon die Formen, in denen man sparen soll, machen heute Kopfzer-

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brechen. Wenn man gar weiß, daß sich die Propagandisten des Weltspartages jedes Jahr von neuem die Haare raufen, um neue Slogans zu finden, an die sie selbst nicht immer recht glauben, dann wird sichtbar, daß auch das Sparen seine ungelösten Probleme hat.

Aus der gegenwärtigen Situation heraus muß sich jeder, der zu weiterer erhöhter Sparsamkeit auffordert, darüber im klaren sein, daß

• die schleichende Geldentwertung, die mit den ständigen Lohn-Preis- Steigerungen Hand in Hand geht, dem Sparer im allgemeinen und dem Kontensparer (Sparbuchsparer) im besonderen den Ertrag seines Verzichtes wegfrißt. Nicht jeder kann hochverzinsliche Wertpapiere kaufen, die ihm eben mehr als dreieinhalb Prozent tragen;

• die früher gültigen Motive für das Sparen, insbesondere für das nor-

Erst denken!

Wir werden zwar aufgefordert, zu den Sparkassen, Banken, Raiffeisenkassen usw. zu gehen und ihnen am Weltspartag möglichst viele Einlagen zu bescheren, damit sie dann von neuen Rekorden sprechen und damit neue Propaganda machen können, aber man sagt den Menschen nicht warum. Warum will das Institut x-hundert Millionen auf seine Konten? Warum wird kein Unterschied gemacht zwischen dem Schulsparen, dem Sparen der Kinder und der Greise, dem Ansparen und dem Vom-Mund-Absparen?

Damit keine Mißverständnisse entstehen, betonen wir nochmals: Sparen ist unerhört wichtig. Wir kommen ohne Bildung von Spar-

male Sparbuchsparen, durch verschiedene Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft außer Kraft gesetzt worden sind. An die Stelle der allseitigen Vorsorge im Familienverband, die durch Spargroschen möglichst vieler Familienmitglieder getroffen wurde, ist der einzelne Sozialversicherungsanspruch getreten, das Krankengeld, die Altersrente, die Unfallversorgung usw.;

• schließlich in einer hochentwickelten Volkswirtschaft die Rücklagenbildung der gut verdienenden Berufstätigen — das sind weit mehr als gemeinhin angenommen wird.—, sofern sie nach wie vor vorwiegend über das Sparbuch erfolgt, nicht die ideale Form der so notwendigen Ansammlung von Sparkapital darstellt. Denn Spargelder mit gesetzlicher Kündigungsfrist beziehungsweise ihnen gleichgestellte Sparguthaben sind in der Praxis täglich fälliges Geld, das die Kreditinstitute nicht einfach in Form langfristiger Kredite ausleihen können, wenn sie nicht die primitivsten Regeln der Liquiditätserfordernisse ignorieren wollen.

kapital nicht weiter, aber wir wissen nicht immer, in welchen Formen freiwillig und zwangsweise über Steuern und Konsumverzicht, über betriebliche Entscheidungen und private Entschlüsse gespart werden soll.

Es genügt aber nicht, den Spar- gedanken — so, wie wir ihn als Kinder gelernt haben — als Erwachsene weiterzupflegen. Daß es besser ist, Schillinge in das Sparschwein zu werfen als in Bonbons umzusetzen, wissen und bejahen wir. Daß mit den ersten Ersparnissen die ersten außergewöhnlichen Ausgaben finanziert werden können, damit das Kind sieht, daß viele kleine Verzichte manche große Freude brin-

gen, geht in Ordnung. Wir befürworten nicht die unverantwortliche Verschuldung des Konsumenten, sondern freuen uns über die Kraft, die hinter den kleinen Sparentschei- dungen steht.

Aber gerade weil wir die bekannten Sparmotive gutheißen, gehen wir einen Schritt weiter: zur Re- chenhaftigkeit. Ordentlich kalkulieren und alle möglichen Erträgnisse aus dem Sparen in Rechnung zu stellen, ist keine Schande. Wenn man beim Prämienkontensparen von

Staat und Kreditinstituten mehr als sieben Prozent Zinsen bekommen kann, dann soll man es selbstverständlich tun! Wenn man als selbständig oder unselbständig Erwerbstätiger durch Zeichnung und Ankauf neu ausgegebener Anleihen bis auf 15 Prozent Verzinsung kommen kann, dann soll man nicht die Augen vor solchen Möglichkeiten verschließen. Von der Rechenhaftig- keit, die dem einzelnen nützt und so manches korrigiert, was eine überdimensionierte Ausgabenpolitik der öffentlichen Hand in gefährliche Bahnen lenkt, zur Rechenhaftigkeit der österreichischen Volkswirtschaft ist nur ein kleiner Schritt.

Wo sind die Kapitalmarktgesetze?

Immer wieder hören wir, daß es vor allem an langfristigem Kapital für die Wirtschaft fehlt Dennoch läuft die Werbung für möglichst kurzfristiges Sparen auf vollen Touren. Der an und für sich gute Gedanke von Volksaktie und Investmentzertifikat ist nicht weiter verfolgt worden, obwohl es jedem klar ist, daß das Risiko der Wirtschaft nicht allein von den Sparkassen getragen werden kann, die, zusammen mit den Landeshypothekenanstalten, im langfristigen Kredit an der Spitze stehen. Im Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen ist davon gesprochen worden, daß der Transmissionsmechanismus zwischen den täglich fälligen Geldern und den langfristig benötigten Mitteln nicht optimal ist.

Daher wäre es nicht unzeitgemäß, wenn endlich einmal die lang ver-

sprochenen Wachstums- und Kapitalmarktgesetze kämen, damit nicht soviel von der Sparkraft in der schlechten Transmission des Steuer- und Geldapparates verlorengeht. Von den mehr als 40 Milliarden Schilling, die im österreichischen Kreditapparat angesammelt worden sind, wird der Großteil einer unmittelbaren Transformation durch den Sparer (Einleger) nicht zugänglich sein. Man stelle sich aber nur vor, welche Finanzierungsquellen erschlossen werden können, wenn man zehn bis zwanzig Prozent dieser Mittel in Kanäle lenken könnte, aus denen die Modernisierung der österreichischen Wirtschaft gespeist werden kann!

Es soll nicht verkannt werden, werden, daß sich zahlreiche Kreditinstitute um Haushaltsbudgets,

Wertpapierberatung und ähnliche Dinge kümmern. Die wachsenden Sparmilliarden einerseits und die relative Stagnation im Wertpapiergeschäft anderseits lassen allerdings — ebenso wie die mageren Ergebnisse beim Prämienkontensparen — darauf schließen, daß man sich noch zu wenig bemüht, beim Sparen der schleichenden Inflation zu entgehen und Sparformen zu wählen, bei denen ein realer Ertrag der veranlagten Spargelder verbleibt. Angesichts der derzeitigen Verhältnisse ist es daher ratsam, die Weltspartagwerbung künftig mit mehr Informationen über die Möglichkeiten zu versehen, die demjenigen offenstehen, der auf die Erreichung bestimmter Endsparziele zielbewußt hinarbeitet.

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