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Der Westen treibt der PDS Wählerscharen zu

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Die FDP kämpft ums Überleben, Bayern hat’s gezeigt, die SPD fiir den Wechsel, die CDU setzt auf Kontinuität Als Zünglein an der Waage fungieren diesmal die Grünen und die PDS.

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Die FDP kämpft ums Überleben, Bayern hat’s gezeigt, die SPD fiir den Wechsel, die CDU setzt auf Kontinuität Als Zünglein an der Waage fungieren diesmal die Grünen und die PDS.

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Der Wahlkampf in Deutschland nimmt in seiner Endphase an Schärfe zu. Auch die katholische und die evangelische Kirche sahen sich in der vergangenen Woche plötzlich in die politischen Auseinandersetzungen einbezogen. Die CDU attackierte die Kirchenleitungen, weil in dem Entwurf zu einer gemeinsamen Erklärung „Zur wirtschaftlichen und sozialen Lage“ von einem immer deutlicher werdenden Konflikt zwischen arm und reich die Rede ist. Die Christdemokraten interpretierten diese Aussage als „klare Wahlkampfhilfe für die SPD“. Die katholischen Bischöfe entschieden deshalb in der Vorwoche auf ihrer Konferenz in Fulda, die Erklärung beider Kirchen erst nach der Bundestagswahl zu veröffentlichen.

Die CDU ist in diesem Wahlkampf generell nicht gerade zimperlich mit Pauschalvorwürfen. So zieht ihr Vorsitzender Helmut Kohl durch die Lande und wird nicht müde zu verkünden, daß Kommunisten nichts anderes als „rotlackierte Faschisten“ seien. Dieser verbale Frontalangriff ist auf die Wähler und Funktionäre der SED-Nachfolgepartei PDS gemünzt, die gerade im Osten immer mehr Zulauf hat. Doch Kohl und sein Generalsekretär Peter Hintze, der die gegen die PDS gerichtete „Rote- Socken“-Kampagne der CDU konzipiert hat, müssen sich immer häufiger innerparteiliche Kritik vor allem aus den neuen Bundesländern gefallen lassen. So fühlte sich der brandenburgische CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Peter Wagner, bemüßigt, sich kurz vor dem Umen- gang Mitte September von dem umstrittenen „Faschisten“-Zitat Kohls zu distanzieren.

Der stellvertretende CDU-Buhdesparteivorsitzende Heinz Eggert, Innenminister in Sachsen, beklagte generell den auf den Westen zentrierten Wahlkampf aller Parteien. Das trage nicht unwesentlich dazu bei, daß die Wähler im Osten der PDS ihre Stimme geben, meinte Eggert.

GRÜNE BEDINGUNGEN

Die Partei um Gregor Gysi reklamiert für sich, als „einzige Partei die Interessen der Ostdeutschen zu vertreten“. Die Strategie scheint aufzugehen und wird den Umfragen zufolge den Ex-Kommunisten auch den Wiedereinzug in den Bundestag bescheren. Die Fünf-Prozent-Hürde kann am ehesten durch den Gewinn von drei Direktmandaten überwunden werden. Das dürfte der PDS allein in Ostberlin gelingen, wo neben Gysi auch die Ex-DDR-Ministerin Christa Luft sowie der Schriftsteller Stefan Heym kandidieren. Bei der Europawahl im Juni schaffte es die PDS sogar, in sechs der elf Ostberliner Wahlbezirke über 40 Prozent zu erreichen. Bei den Wahlen in Sachsen und Brandenburg am 18. September konnten die Ex-Kommunisten ebenfalls reüssieren.

Für die FDP markierten hingegen diese beiden Urnengänge einen neuen Tiefpunkt in ihrer Entwicklung: 2,2 Prozent in Brandenburg und 1,7 Prozent in Sachsen ließen die Liberalen zu einer Splitterpartei schrumpfen. Bei sämtlichen Landtagswahlen in diesem Jahr und bei der Europwahl ist die FDP aus dem Parlament geflogen. Die CDU zittert mit. Schließlich müßte sie sich im Falle eines Scheiterns der FDP einen neuen Koalitionspartner suchen.

Auch Bündnis 90/Die Grünen haben sich auf eine Koalition festgelegt: Sie möchten nach dem 16. Oktober mit der SPD in Bonn regieren. „Allerdings nicht um jeden Preis“, betont Vorstandssprecher Ludger Volmer und nennt die Bedingungen: Einführung einer Ökosteuer, Modernisierung der Sozialversicherung und Ausarbeitung eines Flüchtlingsgesetzes. Der Adressat dieses Forderungskatalogs ziert sich allerdings noch. Die SPD will sich vor der Wahl auf keine Koalition festlegen. Unbeirrt hält Kanzlerkandidat Rudolf Scharping an dem Glauben an einen SPD-Wahlsieg fest, wenngleich die Unionsparteien in Umfragen deutlich vorne liegen. Scharping setzt seit Anfang September allerdings nicht mehr auf sich alleine, sondern hat sich Niedersachsens Ministerpräsident Schröder und den saarländischen Regierungschef Lafontaine an seine Seite geholt. Sie sind die prominentesten Mitglieder seines Schattenkabinetts.

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