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Der wohlwollende Feind

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Mit Beendigung der Sitzungen der UN zieht die israelische Presse, wie die der ganzen.Welt, die Bilanz aus den Vorgängen in New York. Wenn aber in den meisten Ländern das Schwergewicht in den Kommentaren auf die Analyse des west-östlichen Gegensatzes gelegt wird, wird in Israel — wie vermutlich in allen neuen Staaten und besonders im Vorderen Orient — ein besonderer Akzent auf die Beleuchtung der eigenen und der regionalen Situation gelegt. Nasser, für Israel der Haupt- und Erzfeind, hatte es verstanden, in New York das Bild einer geeinten arabischen Nation zu zeichnen, die nach nichts anderem lechzt, als ihn zum alleinigen Führer zu krönen. Dem jungen König von Jordanien aber

— und nachher Nkrumah — war es gelungen, dieses Bild zu durchlöchern. Wenn auch Hussein

— vom israelischen Standpunkt aus gesehen — natürlich einzig und allein die Interessen seines Landes vertrat und Israel am Ende seiner Rede, wie es die Tradition vorschreibt, angriff, wird diese Rede fast von der gesamten israelischen Presse als positive und überaus mutige Tat beurteilt. Dabei wird besonders betont, daß die unmittelbar vor der Rede bekanntgemachte Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen Jordanien und dem anderen Feind Nassers. Kassem von Irak, darauf schließen läßt, daß der junge König nicht allein für Jordanien, sondern für einen weit größeren Teil der arabischen Welt gegen Nasser zu Feld zog. .

Zwischen Israel und Jordanien gilt in der Praxis der gleiche, nur durch einen Wäffen-stillstandsvertrag gemäßigte Kriegszustand, wie zwischen Israel und allen anderen arabischen Staaten seit 1949, von UN-Offizieren recht und schlecht überwacht. Das heißt, daß es keinerlei offizielle oder auch nur offiziöse Verbindung zwischen hier und dort gibt und daß die Gewehre in den Grenzgebieten ungesichert getragen werden. Trotzdem aber kann niemals dementiert, die ägyptische Presse schreiben, daß Jordanien seine Truppen von der israelischen Grenze abgezogen und an die syrische Grenze geworfen habe. Diese Truppenbewegungen, deren politische Bedeutung vielleicht noch höher zu werten ist als die militärische, da ja, solange Israel existiert, an einem länger als vierundzwanzig Stunden dauernden ägyptisch-jordanischen Krieg kaum zu denken ist - diese Truppenbewegung läßt aber, wenn man den ägyptischen Behauptungen Glauben schenken darf, noch etwas anderes erkennen: Nicht der Generalstabschef Habbas el-madjäli soll die Umgruppierung angeordnet haben, sondern ein Oberst namens Arasch es-saban, ein Beduinenabkömmling, der an der syrischen Grenze kommandiert. Dies soll weiter heißen, daß der Generalstabschef, wiewohl ein Verwandter des kürzlich ermordeten Ministerpräsidenten El-madjäli, auf einen diplomatischen Posten ins Ausland, vermutlich nach Washington, abgeschoben und seine Stellung von dem Beduinen Es-saban eingenommen werden soll. Wenn dies auf Wahrheit beruhen sollte, will es nichts anderes sagen, als daß der König — selbst ein Beduinensprößling — wieder, wie vor ein paar Jahren, auf die ihm unter jeder Bedingung ergebenen Beduinenstämme zurückgreift. Hussein, der seine Laufbahn damit begann, daß er im Alter von nur zwölf Jahren Zeuge der von ägyptischen Agenten angestifteten Ermordung seines Großvaters Abdallah war, dürfte eine der am häufigsten zum Ziel von Attentaten erkorenen Persönlichkeiten der Geschichte sein. Immer wieder war es die Existenz der Stämme, zumeist schon die potentielle Drohung, die in ihrer steten Kriegs- und Rachebereitschaft liegt, welche das von einem gewissen, zumeist städtischen Element des West jordanlandes nicht unerwünschte Chaos verhinderte. Diese Beduinen und die wohlwollende Feindschaft Israels dürften auch jetzt, nach der sehr eindeutigen Rede in New York — zumindest bis zum nächsten Attentatsversuch —, die Ruhe in dieser Region aufrechtzuerhalten.

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